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Sonntags-Blatt. Nr. 23. Berlin, 7. Juni 1868.

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[Beginn Spaltensatz] so naiv und romantisch, wie sie weiland von de la Motte Fouqu e in den
Taschenkalendern mit gepreßtem Deckel und goldenem Schnitt und Kupfer-
stichen von Jury zu lesen waren. Eine kurze Fußwanderung führt uns
nach dem Ziegenkopfberge, auf dessen Gipfel wir in einer Laubhütte
einen guten Kaffee trinken und, hinausschauend in die entzückende Ferne,
eine kurze Zeit wähnen, die Erde sei wirklich ein hübscher Guckkasten:
nichts als schöne Bilder und kein Haß, keine Qual, kein Elend, kein Krieg
und keine Mobilmachung. Es ist hier wieder die alte Harzaussicht, aber
schier überraschender, als von der Roßtrappe; der Blick reicht weit hinaus
bis nach Magdeburg, und besonderen Reiz verleiht dem Vordergrund die
Burgruine Regenstein, die noch aus des ersten Heinrichs Kaiserherrschaft
herrührt.

Es ist der letzte Abend, der uns nach unserer Rückkehr in Thale bleibt.
Der alte Förster sitzt rauchend vor der Thür und ruft jeden Vorüber-
gehenden bei seinem Taufnamen, denn er hat die ganze jetzige Dorf-
generation aufwachsen sehen. Aus der hohen Esse der Soltmann'schen
Blechhütte steigen Feuerflammen in das Abenddunkel hinauf; glitzernde
Sterne rücken langsam nach den Hügelgipfeln hinab. Ein schöner Abend!
O wäre es nicht der letzte, der mir hier zu verleben gestattet ist! Nur die
Dorfjungen, die meinen harmlosen Knaben mit Steinen werfen und des
Jägers Hund auf ihn hetzen, gemahnen mich an die Wahrheit, daß die
Harzlandschaften auch keine bloßen Erdenguckkastenbilder sind, daß die
Bosheit der menschlichen Zweifüßler auf diesem Erdenrund überall gleich ist,
und die Straßenjungen von Thale sich nicht wesentlich von den Straßen-
jungen auf dem Berliner Moritzplatz unterscheiden. Dank dem süßen
Pöbel, lenke ich den Blick zurück auf die heimathliche "Weltstadt". Zu
meinem Trost gereicht der Gedanke, daß sich wenige Wochen nach meiner
Rückreise der Herr Minister und die Herren Geheimräthe und die Herren mit
dem gescheitelten Hinterhaupthaar, die romantische Harzpfeife im Munde
und die zarten Jungfrauen mit dem kleinen Barett auf hochgekämmtem
Scheitel hier anmuthig hin und her bewegen werden. Aber auch ein Trost
in anderem Sinne bleibt mir: daß ihr, Glanzpunkte des alten Hercynischen
Waldgebirges, nicht verunglimpft werden könnt in eurer Pracht, und daß
ihr immer eine beseligende Zufluchtsstätte bleiben werdet dem Weisen, der
in stiller Zeit sich in euer Thal und auf eure belaubten Höhen flüchtet.



Zur Geschichte des Ringes.
( Schluß. )

Der Gebrauch der Ringe basirt aber neben dem Wohlgefallen an
blankem Schmuck und seiner Bedeutung als Tausch=Verkehrs-
mittel auch auf einem gewissen physiologischen Zusammenhang
der Ansichten mit diesem materiellen Gegenstand, auf ein-
gewurzeltem Glauben oder Aberglauben an die Bedeutung des Ringes.
Die Form des Ringes mag dazu leicht Anlaß gegeben haben.
Der Zirkel begrenzt, umgiebt und kettet fest zusammen, was innerhalb
seines Umkreises sich befindet. Was darin ist, kann nicht hinaus, und
was draußen ist, nicht hinein; er übertrifft also den Drudenfuß auf
der Schwelle zu Fausts Studirzimmer. Daher ist der Ring bei allen
Völkern ein Symbol der ausharrenden Treue. Der Geliebte schenkt
der Geliebten einen Ring als Zeichen seines in ihrem Bann liegenden
Herzens, der Verlobte der Verlobten als symbolisches Gelöbniß, der
Gatte der Gattin als Symbol unlösbarer Treue. Diese dreifache
Eigenschaft des Ringes bewirkte in manchen Ländern, daß man bei
Verlöbnissen und Heirathen sich statt der Ringe kleiner Stückchen Gold
bediente, meistens an den Rändern eingebogen, so daß sie den Ringen
ähnelten. Früher war es bei den Holländern, namentlich in Amsterdam
der Gebrauch, daß man ein Stänglein Gold in die Münze sandte,
um daraus goldene Pfennige, goldene Stüber, goldene "Dubbeltjes"
und "Schauzjesschellings" u. s. w. ausprägen zu lassen. Man findet
dergleichen noch jetzt dort in alten Sparbüchsen bis zum Werth von
achtzig Gulden. Ringgeschenke blieben lange in England in Gebrauch,
wo z. B. ein gewisser Edward Kelly, zur Zeit der jungfräulichen Kö-
nigin Elisabeth, bei der Hochzeit einer seiner Mägde ( so erzählt we-
nigstens unser holländischer Gewährsmann ) für 48,000 Gulden Ringe
an die Hochzeitsgäste austheilte.

Die Untersiegelung eines Dokuments verleiht diesem "Treu
und Glauben". Weil aber der Ring das Symbol der Treue ist, so
entwickelte sich daraus der Gebrauch der Siegelringe, bei denen das
Wappen oder irgend ein anderes bezügliches darauf eingegrabenes
Zeichen die versprechende, gelobende Person, der Ring selbst die Treue
des schriftlichen Versprechens symbolisirte. Da heutzutage weniger mit
dem Ringe gesiegelt wird, so fehlt bei dergleichen Gelobungen wohl
auch öfter die " Treue " im Halten derselben. Bei den Skandina-
viern schwur man den feierlichsten Eid unter dem Anrühren eines
Ringes, der im Tempel des Gottes Ulle aufbewahrt wurde. Bei
einzelnen deutschen Stämmen galt der Schwur beim "Haarring" so
viel, als der allerfeierlichste, den man bei seinem "Haupthaar" oder
"Bart" schwur.

Jm germanischen Heidenthum war die Schlange ein Heil und
Segen bringendes Thier. Darum erhielt der einfache, vorzugsweise
[Spaltenumbruch] aber der Spiralring, wegen seiner Aehnlichkeit mit der Schlange die
Bedeutung eines Amulets gegen Zauberei und schwere Krankheiten.

Bei dem Ring als "Symbol der Treue" kam es hauptsächlich
auf die Form, weniger auf die Masse an. Englische Dichter
erzählen, wie zu Zeiten der Königin Elisabeth die Liebhaber für ihre
Schönen binsene Ringe flechten ließen, und daß die schwärmerischen
Stutzer jener Zeit die Strumpfbänder ihrer Damen oder zu Ringen
geschlungene Taschentücher derselben um Handgelenk oder Hals trugen.

Daß bei Eheschließungen der Ring jetzt, wenn auch oftmals heim-
licher Weise durch die Aussicht auf die Mitgift, ab und zu als
"Werthstück" betrachtet wird, haben wir schon anzudeuten gewagt.
Jn alten, ehrlichen Zeiten war manchmal der Ring wirklich der
Kaufpreis für die Frau, weßhalb ursprünglich der Mann oder für
ihn der Priester den Ring gab, nicht aber die Frau dem Mann. Jn
England führt der Mann die Frau auf den Markt, um sie zu ver-
kaufen, an einer -- Strickhalfter. Diese Halfter ist der ver-
änderte Verlobungsring, der einst die Hand der Braut geschmückt.
Es berühren sich also auch in diesem Hanfringe die Symbole der
Treue und des Kaufes.

Der Ring -- in seinen Eigenschaften des Schmuckes, des Geldes
und als Symbol der Treue -- scheint auch die ursprüngliche Grund-
lage für spätere Orden zu sein. An Brustpanzern römischer Soldaten
findet man Ringe als militärische Ehrenzeichen. Germanische Fürsten
und Feldherren bewahrten ganze Schätze von Ringen ( angelsächsische
Dichter nennen sie darum "Bewahrer des Ringschatzes" ) und ver-
liehen freigebig als Auszeichnung ihren Untergebenen Ringe, die die
damit Geehrten aber weniger auf der Brust und im Knopfloch, als
vielmehr um Arme und Beine trugen. Man hat dergleichen häufig
in alten Grabstätten gefunden und daraus ersehen, daß die da-
maligen "Ordensbesitzer" ihre Orden mit in die Gruft nehmen durf-
ten -- eine Freigebigkeit, deren sich die Fürsten heutzutage nicht
mehr schuldig machen, die bekanntlich nur gestatten, daß man dem
"Ritter" die Orden bis auf den Kirchhof vor= oder nachträgt, und
dann eine Rückgabe derselben zur Bedingung machen. Andere Zeiten,
andere Sitten! Daß man jetzt noch Ringe als Ehrengeschenke giebt,
davon können namentlich unsere Bühnenkünstler und vorzugsweise die
Petersburger etwas erzählen, die aber größtentheils als antiquarische
Forscher auf den ursprünglichen Spruch: "Ring ist Geld" zurück-
kommen und diesen mit Brillanten gezierten goldenen Schmuck im
kaiserlichen Kabinet gegen den Geldwerth umzutauschen pflegen --
gegen zehn Prozent Abzug.

Alte germanische Stämme hielten eiserne Ringe für ein Zeichen
der Knechtschaft, vermuthlich dann erst, als das Eisen wegen seiner
Wohlfeilheit sich nicht mehr zu Ringen der Vornehmen eignete. Jetzt
fesselt ja noch der eiserne Ring, ein derbes, fühlbares Symbol, den
Verbrecher an Zuchthaus und Galeere. Jn alter Zeit ward auch der
"böswillige Schuldner", falls er kein Kriegsmann war, mit einem
eisernen Ring um den Arm festgebunden. Wollte man heutzutage
eine gleiche Procedur anwenden, das Eisen würde im Preise steigen.
Hier -- und dies steht wohl in der Geschichte des Ringes vereinzelt
da -- repräsentirt er das Symbol der Schande. Jm Mittelalter
durften nur Freie goldene Ringe tragen -- der Sklave ward,
erhielt er einen solchen zum Geschenk, ein freier Mann. Noch in
dem vorletzten Jahrhundert war das Tragen von Ringen ein Pri-
vilegium höherer Stände, nur der Richter, Rathsherren ( diese sind
bekanntlich an goldene Ketten gelegt, also an eine Verschlingung von
Ringen ) , Doktoren u. s. w.

Keiner Beschränkung unterlag aber der Trauring; über ihn hielt
die Kirche ihre schützende Hand.

Aus dem den Kopf umgebenden goldenen Ring ist die Krone
entstanden. Dergleichen Kopfringe galten bei den keuschen germani-
schen Müttern als viel geehrter Schmuck. Unser holländischer Ge-
währsmann behauptet mit nationalem Stolz, daß die Frauenkeuschheit
-- setzen wir diese theilweise auf das kalte Temperament der Hollän-
derinnen -- sich am längsten und reinsten in seinem Vaterlande
erhalten habe, und bedauert -- und wir mit ihm -- daß diese gol-
dene Kopfspange immer mehr vom Haupt der ehrenfesten Bür-
gerinnen Niederlands verschwinde, weil im Ausland auf den Jahr-
märkten und Messen mit diesem Schmuck die bestaunten -- Waffel-
bäckermädchen renommiren; eine logische Folgerung, die die Tugend
dieser Wafflerinnen eben nicht im besten Lichte erscheinen läßt. Jst
dieser Verdacht ein ungerechter, wir wälzen die Schuld von unseren
Schultern auf die unseres rigorösen Mynheer.



[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] so naiv und romantisch, wie sie weiland von de la Motte Fouqu é in den
Taschenkalendern mit gepreßtem Deckel und goldenem Schnitt und Kupfer-
stichen von Jury zu lesen waren. Eine kurze Fußwanderung führt uns
nach dem Ziegenkopfberge, auf dessen Gipfel wir in einer Laubhütte
einen guten Kaffee trinken und, hinausschauend in die entzückende Ferne,
eine kurze Zeit wähnen, die Erde sei wirklich ein hübscher Guckkasten:
nichts als schöne Bilder und kein Haß, keine Qual, kein Elend, kein Krieg
und keine Mobilmachung. Es ist hier wieder die alte Harzaussicht, aber
schier überraschender, als von der Roßtrappe; der Blick reicht weit hinaus
bis nach Magdeburg, und besonderen Reiz verleiht dem Vordergrund die
Burgruine Regenstein, die noch aus des ersten Heinrichs Kaiserherrschaft
herrührt.

Es ist der letzte Abend, der uns nach unserer Rückkehr in Thale bleibt.
Der alte Förster sitzt rauchend vor der Thür und ruft jeden Vorüber-
gehenden bei seinem Taufnamen, denn er hat die ganze jetzige Dorf-
generation aufwachsen sehen. Aus der hohen Esse der Soltmann'schen
Blechhütte steigen Feuerflammen in das Abenddunkel hinauf; glitzernde
Sterne rücken langsam nach den Hügelgipfeln hinab. Ein schöner Abend!
O wäre es nicht der letzte, der mir hier zu verleben gestattet ist! Nur die
Dorfjungen, die meinen harmlosen Knaben mit Steinen werfen und des
Jägers Hund auf ihn hetzen, gemahnen mich an die Wahrheit, daß die
Harzlandschaften auch keine bloßen Erdenguckkastenbilder sind, daß die
Bosheit der menschlichen Zweifüßler auf diesem Erdenrund überall gleich ist,
und die Straßenjungen von Thale sich nicht wesentlich von den Straßen-
jungen auf dem Berliner Moritzplatz unterscheiden. Dank dem süßen
Pöbel, lenke ich den Blick zurück auf die heimathliche „Weltstadt“. Zu
meinem Trost gereicht der Gedanke, daß sich wenige Wochen nach meiner
Rückreise der Herr Minister und die Herren Geheimräthe und die Herren mit
dem gescheitelten Hinterhaupthaar, die romantische Harzpfeife im Munde
und die zarten Jungfrauen mit dem kleinen Barett auf hochgekämmtem
Scheitel hier anmuthig hin und her bewegen werden. Aber auch ein Trost
in anderem Sinne bleibt mir: daß ihr, Glanzpunkte des alten Hercynischen
Waldgebirges, nicht verunglimpft werden könnt in eurer Pracht, und daß
ihr immer eine beseligende Zufluchtsstätte bleiben werdet dem Weisen, der
in stiller Zeit sich in euer Thal und auf eure belaubten Höhen flüchtet.



Zur Geschichte des Ringes.
( Schluß. )

Der Gebrauch der Ringe basirt aber neben dem Wohlgefallen an
blankem Schmuck und seiner Bedeutung als Tausch=Verkehrs-
mittel auch auf einem gewissen physiologischen Zusammenhang
der Ansichten mit diesem materiellen Gegenstand, auf ein-
gewurzeltem Glauben oder Aberglauben an die Bedeutung des Ringes.
Die Form des Ringes mag dazu leicht Anlaß gegeben haben.
Der Zirkel begrenzt, umgiebt und kettet fest zusammen, was innerhalb
seines Umkreises sich befindet. Was darin ist, kann nicht hinaus, und
was draußen ist, nicht hinein; er übertrifft also den Drudenfuß auf
der Schwelle zu Fausts Studirzimmer. Daher ist der Ring bei allen
Völkern ein Symbol der ausharrenden Treue. Der Geliebte schenkt
der Geliebten einen Ring als Zeichen seines in ihrem Bann liegenden
Herzens, der Verlobte der Verlobten als symbolisches Gelöbniß, der
Gatte der Gattin als Symbol unlösbarer Treue. Diese dreifache
Eigenschaft des Ringes bewirkte in manchen Ländern, daß man bei
Verlöbnissen und Heirathen sich statt der Ringe kleiner Stückchen Gold
bediente, meistens an den Rändern eingebogen, so daß sie den Ringen
ähnelten. Früher war es bei den Holländern, namentlich in Amsterdam
der Gebrauch, daß man ein Stänglein Gold in die Münze sandte,
um daraus goldene Pfennige, goldene Stüber, goldene „Dubbeltjes“
und „Schauzjesschellings“ u. s. w. ausprägen zu lassen. Man findet
dergleichen noch jetzt dort in alten Sparbüchsen bis zum Werth von
achtzig Gulden. Ringgeschenke blieben lange in England in Gebrauch,
wo z. B. ein gewisser Edward Kelly, zur Zeit der jungfräulichen Kö-
nigin Elisabeth, bei der Hochzeit einer seiner Mägde ( so erzählt we-
nigstens unser holländischer Gewährsmann ) für 48,000 Gulden Ringe
an die Hochzeitsgäste austheilte.

Die Untersiegelung eines Dokuments verleiht diesem „Treu
und Glauben“. Weil aber der Ring das Symbol der Treue ist, so
entwickelte sich daraus der Gebrauch der Siegelringe, bei denen das
Wappen oder irgend ein anderes bezügliches darauf eingegrabenes
Zeichen die versprechende, gelobende Person, der Ring selbst die Treue
des schriftlichen Versprechens symbolisirte. Da heutzutage weniger mit
dem Ringe gesiegelt wird, so fehlt bei dergleichen Gelobungen wohl
auch öfter die „ Treue “ im Halten derselben. Bei den Skandina-
viern schwur man den feierlichsten Eid unter dem Anrühren eines
Ringes, der im Tempel des Gottes Ulle aufbewahrt wurde. Bei
einzelnen deutschen Stämmen galt der Schwur beim „Haarring“ so
viel, als der allerfeierlichste, den man bei seinem „Haupthaar“ oder
„Bart“ schwur.

Jm germanischen Heidenthum war die Schlange ein Heil und
Segen bringendes Thier. Darum erhielt der einfache, vorzugsweise
[Spaltenumbruch] aber der Spiralring, wegen seiner Aehnlichkeit mit der Schlange die
Bedeutung eines Amulets gegen Zauberei und schwere Krankheiten.

Bei dem Ring als „Symbol der Treue“ kam es hauptsächlich
auf die Form, weniger auf die Masse an. Englische Dichter
erzählen, wie zu Zeiten der Königin Elisabeth die Liebhaber für ihre
Schönen binsene Ringe flechten ließen, und daß die schwärmerischen
Stutzer jener Zeit die Strumpfbänder ihrer Damen oder zu Ringen
geschlungene Taschentücher derselben um Handgelenk oder Hals trugen.

Daß bei Eheschließungen der Ring jetzt, wenn auch oftmals heim-
licher Weise durch die Aussicht auf die Mitgift, ab und zu als
„Werthstück“ betrachtet wird, haben wir schon anzudeuten gewagt.
Jn alten, ehrlichen Zeiten war manchmal der Ring wirklich der
Kaufpreis für die Frau, weßhalb ursprünglich der Mann oder für
ihn der Priester den Ring gab, nicht aber die Frau dem Mann. Jn
England führt der Mann die Frau auf den Markt, um sie zu ver-
kaufen, an einer — Strickhalfter. Diese Halfter ist der ver-
änderte Verlobungsring, der einst die Hand der Braut geschmückt.
Es berühren sich also auch in diesem Hanfringe die Symbole der
Treue und des Kaufes.

Der Ring — in seinen Eigenschaften des Schmuckes, des Geldes
und als Symbol der Treue — scheint auch die ursprüngliche Grund-
lage für spätere Orden zu sein. An Brustpanzern römischer Soldaten
findet man Ringe als militärische Ehrenzeichen. Germanische Fürsten
und Feldherren bewahrten ganze Schätze von Ringen ( angelsächsische
Dichter nennen sie darum „Bewahrer des Ringschatzes“ ) und ver-
liehen freigebig als Auszeichnung ihren Untergebenen Ringe, die die
damit Geehrten aber weniger auf der Brust und im Knopfloch, als
vielmehr um Arme und Beine trugen. Man hat dergleichen häufig
in alten Grabstätten gefunden und daraus ersehen, daß die da-
maligen „Ordensbesitzer“ ihre Orden mit in die Gruft nehmen durf-
ten — eine Freigebigkeit, deren sich die Fürsten heutzutage nicht
mehr schuldig machen, die bekanntlich nur gestatten, daß man dem
„Ritter“ die Orden bis auf den Kirchhof vor= oder nachträgt, und
dann eine Rückgabe derselben zur Bedingung machen. Andere Zeiten,
andere Sitten! Daß man jetzt noch Ringe als Ehrengeschenke giebt,
davon können namentlich unsere Bühnenkünstler und vorzugsweise die
Petersburger etwas erzählen, die aber größtentheils als antiquarische
Forscher auf den ursprünglichen Spruch: „Ring ist Geld“ zurück-
kommen und diesen mit Brillanten gezierten goldenen Schmuck im
kaiserlichen Kabinet gegen den Geldwerth umzutauschen pflegen —
gegen zehn Prozent Abzug.

Alte germanische Stämme hielten eiserne Ringe für ein Zeichen
der Knechtschaft, vermuthlich dann erst, als das Eisen wegen seiner
Wohlfeilheit sich nicht mehr zu Ringen der Vornehmen eignete. Jetzt
fesselt ja noch der eiserne Ring, ein derbes, fühlbares Symbol, den
Verbrecher an Zuchthaus und Galeere. Jn alter Zeit ward auch der
„böswillige Schuldner“, falls er kein Kriegsmann war, mit einem
eisernen Ring um den Arm festgebunden. Wollte man heutzutage
eine gleiche Procedur anwenden, das Eisen würde im Preise steigen.
Hier — und dies steht wohl in der Geschichte des Ringes vereinzelt
da — repräsentirt er das Symbol der Schande. Jm Mittelalter
durften nur Freie goldene Ringe tragen — der Sklave ward,
erhielt er einen solchen zum Geschenk, ein freier Mann. Noch in
dem vorletzten Jahrhundert war das Tragen von Ringen ein Pri-
vilegium höherer Stände, nur der Richter, Rathsherren ( diese sind
bekanntlich an goldene Ketten gelegt, also an eine Verschlingung von
Ringen ) , Doktoren u. s. w.

Keiner Beschränkung unterlag aber der Trauring; über ihn hielt
die Kirche ihre schützende Hand.

Aus dem den Kopf umgebenden goldenen Ring ist die Krone
entstanden. Dergleichen Kopfringe galten bei den keuschen germani-
schen Müttern als viel geehrter Schmuck. Unser holländischer Ge-
währsmann behauptet mit nationalem Stolz, daß die Frauenkeuschheit
— setzen wir diese theilweise auf das kalte Temperament der Hollän-
derinnen — sich am längsten und reinsten in seinem Vaterlande
erhalten habe, und bedauert — und wir mit ihm — daß diese gol-
dene Kopfspange immer mehr vom Haupt der ehrenfesten Bür-
gerinnen Niederlands verschwinde, weil im Ausland auf den Jahr-
märkten und Messen mit diesem Schmuck die bestaunten — Waffel-
bäckermädchen renommiren; eine logische Folgerung, die die Tugend
dieser Wafflerinnen eben nicht im besten Lichte erscheinen läßt. Jst
dieser Verdacht ein ungerechter, wir wälzen die Schuld von unseren
Schultern auf die unseres rigorösen Mynheer.



[Ende Spaltensatz]
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[182/0006] 182 so naiv und romantisch, wie sie weiland von de la Motte Fouqu é in den Taschenkalendern mit gepreßtem Deckel und goldenem Schnitt und Kupfer- stichen von Jury zu lesen waren. Eine kurze Fußwanderung führt uns nach dem Ziegenkopfberge, auf dessen Gipfel wir in einer Laubhütte einen guten Kaffee trinken und, hinausschauend in die entzückende Ferne, eine kurze Zeit wähnen, die Erde sei wirklich ein hübscher Guckkasten: nichts als schöne Bilder und kein Haß, keine Qual, kein Elend, kein Krieg und keine Mobilmachung. Es ist hier wieder die alte Harzaussicht, aber schier überraschender, als von der Roßtrappe; der Blick reicht weit hinaus bis nach Magdeburg, und besonderen Reiz verleiht dem Vordergrund die Burgruine Regenstein, die noch aus des ersten Heinrichs Kaiserherrschaft herrührt. Es ist der letzte Abend, der uns nach unserer Rückkehr in Thale bleibt. Der alte Förster sitzt rauchend vor der Thür und ruft jeden Vorüber- gehenden bei seinem Taufnamen, denn er hat die ganze jetzige Dorf- generation aufwachsen sehen. Aus der hohen Esse der Soltmann'schen Blechhütte steigen Feuerflammen in das Abenddunkel hinauf; glitzernde Sterne rücken langsam nach den Hügelgipfeln hinab. Ein schöner Abend! O wäre es nicht der letzte, der mir hier zu verleben gestattet ist! Nur die Dorfjungen, die meinen harmlosen Knaben mit Steinen werfen und des Jägers Hund auf ihn hetzen, gemahnen mich an die Wahrheit, daß die Harzlandschaften auch keine bloßen Erdenguckkastenbilder sind, daß die Bosheit der menschlichen Zweifüßler auf diesem Erdenrund überall gleich ist, und die Straßenjungen von Thale sich nicht wesentlich von den Straßen- jungen auf dem Berliner Moritzplatz unterscheiden. Dank dem süßen Pöbel, lenke ich den Blick zurück auf die heimathliche „Weltstadt“. Zu meinem Trost gereicht der Gedanke, daß sich wenige Wochen nach meiner Rückreise der Herr Minister und die Herren Geheimräthe und die Herren mit dem gescheitelten Hinterhaupthaar, die romantische Harzpfeife im Munde und die zarten Jungfrauen mit dem kleinen Barett auf hochgekämmtem Scheitel hier anmuthig hin und her bewegen werden. Aber auch ein Trost in anderem Sinne bleibt mir: daß ihr, Glanzpunkte des alten Hercynischen Waldgebirges, nicht verunglimpft werden könnt in eurer Pracht, und daß ihr immer eine beseligende Zufluchtsstätte bleiben werdet dem Weisen, der in stiller Zeit sich in euer Thal und auf eure belaubten Höhen flüchtet. Zur Geschichte des Ringes. ( Schluß. ) Der Gebrauch der Ringe basirt aber neben dem Wohlgefallen an blankem Schmuck und seiner Bedeutung als Tausch=Verkehrs- mittel auch auf einem gewissen physiologischen Zusammenhang der Ansichten mit diesem materiellen Gegenstand, auf ein- gewurzeltem Glauben oder Aberglauben an die Bedeutung des Ringes. Die Form des Ringes mag dazu leicht Anlaß gegeben haben. Der Zirkel begrenzt, umgiebt und kettet fest zusammen, was innerhalb seines Umkreises sich befindet. Was darin ist, kann nicht hinaus, und was draußen ist, nicht hinein; er übertrifft also den Drudenfuß auf der Schwelle zu Fausts Studirzimmer. Daher ist der Ring bei allen Völkern ein Symbol der ausharrenden Treue. Der Geliebte schenkt der Geliebten einen Ring als Zeichen seines in ihrem Bann liegenden Herzens, der Verlobte der Verlobten als symbolisches Gelöbniß, der Gatte der Gattin als Symbol unlösbarer Treue. Diese dreifache Eigenschaft des Ringes bewirkte in manchen Ländern, daß man bei Verlöbnissen und Heirathen sich statt der Ringe kleiner Stückchen Gold bediente, meistens an den Rändern eingebogen, so daß sie den Ringen ähnelten. Früher war es bei den Holländern, namentlich in Amsterdam der Gebrauch, daß man ein Stänglein Gold in die Münze sandte, um daraus goldene Pfennige, goldene Stüber, goldene „Dubbeltjes“ und „Schauzjesschellings“ u. s. w. ausprägen zu lassen. Man findet dergleichen noch jetzt dort in alten Sparbüchsen bis zum Werth von achtzig Gulden. Ringgeschenke blieben lange in England in Gebrauch, wo z. B. ein gewisser Edward Kelly, zur Zeit der jungfräulichen Kö- nigin Elisabeth, bei der Hochzeit einer seiner Mägde ( so erzählt we- nigstens unser holländischer Gewährsmann ) für 48,000 Gulden Ringe an die Hochzeitsgäste austheilte. Die Untersiegelung eines Dokuments verleiht diesem „Treu und Glauben“. Weil aber der Ring das Symbol der Treue ist, so entwickelte sich daraus der Gebrauch der Siegelringe, bei denen das Wappen oder irgend ein anderes bezügliches darauf eingegrabenes Zeichen die versprechende, gelobende Person, der Ring selbst die Treue des schriftlichen Versprechens symbolisirte. Da heutzutage weniger mit dem Ringe gesiegelt wird, so fehlt bei dergleichen Gelobungen wohl auch öfter die „ Treue “ im Halten derselben. Bei den Skandina- viern schwur man den feierlichsten Eid unter dem Anrühren eines Ringes, der im Tempel des Gottes Ulle aufbewahrt wurde. Bei einzelnen deutschen Stämmen galt der Schwur beim „Haarring“ so viel, als der allerfeierlichste, den man bei seinem „Haupthaar“ oder „Bart“ schwur. Jm germanischen Heidenthum war die Schlange ein Heil und Segen bringendes Thier. Darum erhielt der einfache, vorzugsweise aber der Spiralring, wegen seiner Aehnlichkeit mit der Schlange die Bedeutung eines Amulets gegen Zauberei und schwere Krankheiten. Bei dem Ring als „Symbol der Treue“ kam es hauptsächlich auf die Form, weniger auf die Masse an. Englische Dichter erzählen, wie zu Zeiten der Königin Elisabeth die Liebhaber für ihre Schönen binsene Ringe flechten ließen, und daß die schwärmerischen Stutzer jener Zeit die Strumpfbänder ihrer Damen oder zu Ringen geschlungene Taschentücher derselben um Handgelenk oder Hals trugen. Daß bei Eheschließungen der Ring jetzt, wenn auch oftmals heim- licher Weise durch die Aussicht auf die Mitgift, ab und zu als „Werthstück“ betrachtet wird, haben wir schon anzudeuten gewagt. Jn alten, ehrlichen Zeiten war manchmal der Ring wirklich der Kaufpreis für die Frau, weßhalb ursprünglich der Mann oder für ihn der Priester den Ring gab, nicht aber die Frau dem Mann. Jn England führt der Mann die Frau auf den Markt, um sie zu ver- kaufen, an einer — Strickhalfter. Diese Halfter ist der ver- änderte Verlobungsring, der einst die Hand der Braut geschmückt. Es berühren sich also auch in diesem Hanfringe die Symbole der Treue und des Kaufes. Der Ring — in seinen Eigenschaften des Schmuckes, des Geldes und als Symbol der Treue — scheint auch die ursprüngliche Grund- lage für spätere Orden zu sein. An Brustpanzern römischer Soldaten findet man Ringe als militärische Ehrenzeichen. Germanische Fürsten und Feldherren bewahrten ganze Schätze von Ringen ( angelsächsische Dichter nennen sie darum „Bewahrer des Ringschatzes“ ) und ver- liehen freigebig als Auszeichnung ihren Untergebenen Ringe, die die damit Geehrten aber weniger auf der Brust und im Knopfloch, als vielmehr um Arme und Beine trugen. Man hat dergleichen häufig in alten Grabstätten gefunden und daraus ersehen, daß die da- maligen „Ordensbesitzer“ ihre Orden mit in die Gruft nehmen durf- ten — eine Freigebigkeit, deren sich die Fürsten heutzutage nicht mehr schuldig machen, die bekanntlich nur gestatten, daß man dem „Ritter“ die Orden bis auf den Kirchhof vor= oder nachträgt, und dann eine Rückgabe derselben zur Bedingung machen. Andere Zeiten, andere Sitten! Daß man jetzt noch Ringe als Ehrengeschenke giebt, davon können namentlich unsere Bühnenkünstler und vorzugsweise die Petersburger etwas erzählen, die aber größtentheils als antiquarische Forscher auf den ursprünglichen Spruch: „Ring ist Geld“ zurück- kommen und diesen mit Brillanten gezierten goldenen Schmuck im kaiserlichen Kabinet gegen den Geldwerth umzutauschen pflegen — gegen zehn Prozent Abzug. Alte germanische Stämme hielten eiserne Ringe für ein Zeichen der Knechtschaft, vermuthlich dann erst, als das Eisen wegen seiner Wohlfeilheit sich nicht mehr zu Ringen der Vornehmen eignete. Jetzt fesselt ja noch der eiserne Ring, ein derbes, fühlbares Symbol, den Verbrecher an Zuchthaus und Galeere. Jn alter Zeit ward auch der „böswillige Schuldner“, falls er kein Kriegsmann war, mit einem eisernen Ring um den Arm festgebunden. Wollte man heutzutage eine gleiche Procedur anwenden, das Eisen würde im Preise steigen. Hier — und dies steht wohl in der Geschichte des Ringes vereinzelt da — repräsentirt er das Symbol der Schande. Jm Mittelalter durften nur Freie goldene Ringe tragen — der Sklave ward, erhielt er einen solchen zum Geschenk, ein freier Mann. Noch in dem vorletzten Jahrhundert war das Tragen von Ringen ein Pri- vilegium höherer Stände, nur der Richter, Rathsherren ( diese sind bekanntlich an goldene Ketten gelegt, also an eine Verschlingung von Ringen ) , Doktoren u. s. w. Keiner Beschränkung unterlag aber der Trauring; über ihn hielt die Kirche ihre schützende Hand. Aus dem den Kopf umgebenden goldenen Ring ist die Krone entstanden. Dergleichen Kopfringe galten bei den keuschen germani- schen Müttern als viel geehrter Schmuck. Unser holländischer Ge- währsmann behauptet mit nationalem Stolz, daß die Frauenkeuschheit — setzen wir diese theilweise auf das kalte Temperament der Hollän- derinnen — sich am längsten und reinsten in seinem Vaterlande erhalten habe, und bedauert — und wir mit ihm — daß diese gol- dene Kopfspange immer mehr vom Haupt der ehrenfesten Bür- gerinnen Niederlands verschwinde, weil im Ausland auf den Jahr- märkten und Messen mit diesem Schmuck die bestaunten — Waffel- bäckermädchen renommiren; eine logische Folgerung, die die Tugend dieser Wafflerinnen eben nicht im besten Lichte erscheinen läßt. Jst dieser Verdacht ein ungerechter, wir wälzen die Schuld von unseren Schultern auf die unseres rigorösen Mynheer.

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 23. Berlin, 7. Juni 1868, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt23_1868/6>, abgerufen am 01.06.2024.