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Sonntags-Blatt. Nr. 24. Berlin, 13. Juni 1869.

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Sonntags=Blatt
für
Jedermann aus dem Volke.
Nr. 24. -- 1869.Franz Duncker.Am 13. Juni.


Erscheint jeden Sonntag in einem Bogen groß Quart in elegantester Ausstattung. -- Preis bei allen Postämtern vierteljährlich 8 3 / 4 Sgr., bei allen Buchhandlungen
und Zeitungs=Spediteuren 9 Sgr. vierteljährlich, oder wöchentlich 9 Pf. frei ins Haus.



Giulietta.
Novelle
von
Moritz Ehrlich.
[Beginn Spaltensatz]

Gegen Ende des Jahres 1809 reiste der junge Maler Francesco
Staccoli, ein Schüler Anton Marron's und nicht der schlechtesten
einer von Rom, wo er, der ungünstigen politischen Verhältnisse
wegen, wenig Arbeit fand, nach Neapel, in der Hoffnung, durch
einige Freunde, welche er bei einem früheren Besuche in jener Stadt
sich erworben hatte, seine Lage verbessern und seine Kunst mit mehr
Muße ausüben zu können. Auch sah er sich in seinen Erwartungen
nicht getäuscht, denn im Laufe eines Jahres wuchs mit seinem Rufe
auch sein Erwerb, so daß er im Stande war, nicht nur selbst be-
haglich zu leben, sondern auch seine armen Eltern, die er in Rom
zurückgelassen und die er zärtlich liebte, durch reichliche Unterstützung
zu erfreuen. Die Liebenswürdigkeit und Offenheit seines Wesens ver-
schafften dem jungen Manne den Umgang und die Gunst angesehener
Familien, und seine Geschicklichkeit, vielfache, reich belohnte Arbeit, so
daß es schien, als könnte er sich aller Sorge für sein künftiges Glück
entschlagen. Er beschloß auch, gelockt von den günstigen Umständen,
seinen dauernden Aufenthalt in der Stadt zu nehmen, in welcher er
nach einer mühe= und entbehrungsvollen Jugend zuerst ein ungetrübtes
Glück und die Heiterkeit der Seele, welche ein erwünschtes Schaffen
gewährt, empfunden hatte. Zum Zweck seiner vollständigen Ueber-
siedelung hatte er die Absicht, auf einige Monate nach Rom zu reisen,
theils um seine Geschäfte dort zu Ende zu bringen, theils um seine
Eltern herüber zu holen, die er von nun an näher um sich zu haben
wünschte. Er hatte jedoch die Gegend um Neapel mit ihren entzücken-
den Naturschönheiten so lieb gewonnen, daß er sich nicht entschließen
konnte, abzureisen, ohne ein Andenken an jene Ortschaften mit zu
nehmen, an denen seine Seele die Vorstellung des wahrhaft Schö-
nen eingesogen. Vorzüglich war es die Höhe des Kamaldulenser-
Klosters, südwestlich von Neapel auf einer kleinen, in's Meer vor-
ragenden Landzunge gewesen, nach welcher er seine Schritte richtete,
so oft er mit der Natur und seinem Genius allein sein wollte. Er
übersah von jener Höhe aus, den unermeßlichen Raum von den Küsten
des römischen Gebietes bis gegen Kalabrien hin. Sein Auge über-
flog mit einem Blick den sogenannten neapolitanischen Archipelagus,
wanderte in freudiger Trunkenheit von Puzzuoli nach Bajä, ruhte da-
zwischen entzückt auf dem in der Mitte kleiner Hügel eingesenkten
blauen Spiegel des Lago d'Agnano, erhob sich zum Cap Misen, eilte
über die Jnseln Procida und Jschia, und kehrte von den sanften
Linien des Monte Nicolo immer wieder zu seinem Ausgangspunkte
zurück. Wenn dann der Maler, von diesem Anblick erfüllt, doch nicht
gesättigt, sich nach der andern Seite wandte, so breitete sich unter
seinen Füßen die Stadt Neapel behaglich um den Golf, dahinter
drohte der zweigespaltene, rauchende Vesuv, und darüber hinaus ragten
die Berge von Castelamare und la Cava, bis sich am fernen Horizont
die mattblauen Erhebungen der Berge des Capitanats mit den ähnlich
gestalteten Wolken vermischten.

Dies letzte Bild war es, welches Staccoli auf die Leinwand zu
bannen wünschte, um an der Wiege seines jungen Glücks, so oft er
Sehnsucht danach empfände, auch sein äußeres Auge ergötzen zu können;
seinem geistigen war sie ohnedies gegenwärtig. Zu jenem Zweck be-
gab er sich mit den nöthigen Geräthschaften nach dem Kamaldulenser-
Kloster, in der Absicht, so lange Zeit daselbst zu verweilen, als die
Vollendung seines Gemäldes erforderte. Allein die wenigen Mönche,
deren Orden grade damals aufgehoben worden war, ungeachtet sie ihn
[Spaltenumbruch] freundlich aufnahmen, waren doch nicht im Stande, ihm ein Nacht-
lager und Unterhalt zu gewähren, da sie selbst Noth hatten, ihr eigenes
Leben zu fristen. Sie verwiesen ihn daher nach dem1 1 / 2 Miglien
entfernten Dörfchen Nazarette, in welchem er, wie sie meinten, für
mäßige Bezahlung das Gewünschte finden würde. Der Maler machte
sich, etwas mißmuthig über den Bescheid, den er nicht erwartet, auf
den Weg nach dem Dorfe, welches er bisher nicht betreten. Seine
Verstimmung wuchs, als er im Dorfe, welches fast nur aus halb
verfallenen Hütten bestand, aus deren blinden, zerbrochenen und mit
Papier verklebten Scheiben die Faulheit und Verkommenheit der Be-
wohner herausschaute, durch zerlumpte und vor Schmutz starrende
Kinder, die ihm mit Geschrei und der zur Gewohnheit gewordenen
Bitte um Almosen den Weg vertraten, sich jeden Fuß breit durch-
kämpfen mußte. Entschlossen wandte er sich, den unheimlichen Ort
zu verlassen, dessen Elend sein weiches Gemüth gar schmerzlich ergriff;
nachdenklich blickte er vor sich auf den Boden und erwog, wie er es
möglich machen könnte, seinen Lieblingswunsch dennoch auszuführen.
Da er, vergebens einen Ausweg suchend, fast an's Ende des Dorfes
gelangt war und noch einmal ungewiß und ohne bestimmte Absicht
die Straße hinunterblickte, sah er vor einem der nächsten Häuser, dem
einzigen, das einen wohnlichen Anblick gewährte, ein Mädchen von etwa
dreizehn Jahren stehen, dessen Anzug sich vor dem der übrigen Kinder
vortheilhaft auszeichnete -- denn an dem rothen Röckchen glänzten
silberne Knöpfe, und silberne Schnallen an den zierlichen Schuhen --
und welches den Fremden mit großen, klugen Augen forschend ansah.
War es nun Neugierde und die leise Hoffnung, sein Ziel dennoch zu
erreichen, oder Freude über das wohlgebildete Gesichtchen der Kleinen,
was den Maler nach so vielen widrigen und niederdrückenden Be-
gegnungen mehr als gewöhnlich erregte, er hob das Kind vom Bo-
den, küßte das Erschrockene und fragte es nach seinem Namen und
ob seine Eltern im Dorfe wohnten. Jenes, während es, von der
Heftigkeit des Malers geängstigt, sich aus seinen Armen losmachte
und nach dem Boden strebte, stammelte: "Giulietta!", und da es von
dem Maler niedergesetzt war, schüchtern an ihm aufblickend: "Hier,
in diesem Hause; Mutter ist drinnen." Zugleich sah Staccoli, da er
dem deutenden Finger des Mädchens mit den Augen folgte, eine
junge, stattliche Frau aus der Thür treten, in lebhaftem Wortwechsel
mit einem Menschen, dessen erhitztes Gesicht und heftige, aber unsichere
Bewegungen einen durch Trunkenheit oder Zorn des vernünftigen
Gebrauchs seiner Sinne Beraubten verriethen. Er hörte den heisern
Ausruf: "Erbärmlicher Geizhals! Jhr sollt es mir schon bezahlen!"
Da die Frau, ihr Kind, welches sich an sie drückte, umfaßt haltend,
mit einem Blick auf den Fremden einige leise, diesem unverständliche
Worte erwidert hatte, sah er den Elenden mit geballter Faust zu einem
vernichtenden Schlage ausholen. Ein Sprung und ein wohlgezielter
Stoß des Malers gegen Jenen, fast eher gethan, als gedacht, retteten
Mutter und Kind vor schlimmer Verletzung, denn der Wüthende, von
dem unerwarteten Stoß außer Richtung gebracht und von der Wucht
des eigenen Schlages, der sein Ziel verfehlte, nach vorn gerissen, tau-
melte und stürzte mit dröhnendem Schlage über den harten Boden
hin, daß ihm das Blut aus Nase und Mund quoll. Der Maler
lehnte sich, während Jener sich mühsam aufraffte und das Blut mit
dem Aermel aus dem Gesicht wischte, etwas abseits an die Mauer
des Hauses, auf einen wüthenden Angriff des Verletzten gefaßt; dieser
[Ende Spaltensatz]

Sonntags=Blatt
für
Jedermann aus dem Volke.
Nr. 24. — 1869.Franz Duncker.Am 13. Juni.


Erscheint jeden Sonntag in einem Bogen groß Quart in elegantester Ausstattung. — Preis bei allen Postämtern vierteljährlich 8 3 / 4 Sgr., bei allen Buchhandlungen
und Zeitungs=Spediteuren 9 Sgr. vierteljährlich, oder wöchentlich 9 Pf. frei ins Haus.



Giulietta.
Novelle
von
Moritz Ehrlich.
[Beginn Spaltensatz]

Gegen Ende des Jahres 1809 reiste der junge Maler Francesco
Staccoli, ein Schüler Anton Marron's und nicht der schlechtesten
einer von Rom, wo er, der ungünstigen politischen Verhältnisse
wegen, wenig Arbeit fand, nach Neapel, in der Hoffnung, durch
einige Freunde, welche er bei einem früheren Besuche in jener Stadt
sich erworben hatte, seine Lage verbessern und seine Kunst mit mehr
Muße ausüben zu können. Auch sah er sich in seinen Erwartungen
nicht getäuscht, denn im Laufe eines Jahres wuchs mit seinem Rufe
auch sein Erwerb, so daß er im Stande war, nicht nur selbst be-
haglich zu leben, sondern auch seine armen Eltern, die er in Rom
zurückgelassen und die er zärtlich liebte, durch reichliche Unterstützung
zu erfreuen. Die Liebenswürdigkeit und Offenheit seines Wesens ver-
schafften dem jungen Manne den Umgang und die Gunst angesehener
Familien, und seine Geschicklichkeit, vielfache, reich belohnte Arbeit, so
daß es schien, als könnte er sich aller Sorge für sein künftiges Glück
entschlagen. Er beschloß auch, gelockt von den günstigen Umständen,
seinen dauernden Aufenthalt in der Stadt zu nehmen, in welcher er
nach einer mühe= und entbehrungsvollen Jugend zuerst ein ungetrübtes
Glück und die Heiterkeit der Seele, welche ein erwünschtes Schaffen
gewährt, empfunden hatte. Zum Zweck seiner vollständigen Ueber-
siedelung hatte er die Absicht, auf einige Monate nach Rom zu reisen,
theils um seine Geschäfte dort zu Ende zu bringen, theils um seine
Eltern herüber zu holen, die er von nun an näher um sich zu haben
wünschte. Er hatte jedoch die Gegend um Neapel mit ihren entzücken-
den Naturschönheiten so lieb gewonnen, daß er sich nicht entschließen
konnte, abzureisen, ohne ein Andenken an jene Ortschaften mit zu
nehmen, an denen seine Seele die Vorstellung des wahrhaft Schö-
nen eingesogen. Vorzüglich war es die Höhe des Kamaldulenser-
Klosters, südwestlich von Neapel auf einer kleinen, in's Meer vor-
ragenden Landzunge gewesen, nach welcher er seine Schritte richtete,
so oft er mit der Natur und seinem Genius allein sein wollte. Er
übersah von jener Höhe aus, den unermeßlichen Raum von den Küsten
des römischen Gebietes bis gegen Kalabrien hin. Sein Auge über-
flog mit einem Blick den sogenannten neapolitanischen Archipelagus,
wanderte in freudiger Trunkenheit von Puzzuoli nach Bajä, ruhte da-
zwischen entzückt auf dem in der Mitte kleiner Hügel eingesenkten
blauen Spiegel des Lago d'Agnano, erhob sich zum Cap Misen, eilte
über die Jnseln Procida und Jschia, und kehrte von den sanften
Linien des Monte Nicolo immer wieder zu seinem Ausgangspunkte
zurück. Wenn dann der Maler, von diesem Anblick erfüllt, doch nicht
gesättigt, sich nach der andern Seite wandte, so breitete sich unter
seinen Füßen die Stadt Neapel behaglich um den Golf, dahinter
drohte der zweigespaltene, rauchende Vesuv, und darüber hinaus ragten
die Berge von Castelamare und la Cava, bis sich am fernen Horizont
die mattblauen Erhebungen der Berge des Capitanats mit den ähnlich
gestalteten Wolken vermischten.

Dies letzte Bild war es, welches Staccoli auf die Leinwand zu
bannen wünschte, um an der Wiege seines jungen Glücks, so oft er
Sehnsucht danach empfände, auch sein äußeres Auge ergötzen zu können;
seinem geistigen war sie ohnedies gegenwärtig. Zu jenem Zweck be-
gab er sich mit den nöthigen Geräthschaften nach dem Kamaldulenser-
Kloster, in der Absicht, so lange Zeit daselbst zu verweilen, als die
Vollendung seines Gemäldes erforderte. Allein die wenigen Mönche,
deren Orden grade damals aufgehoben worden war, ungeachtet sie ihn
[Spaltenumbruch] freundlich aufnahmen, waren doch nicht im Stande, ihm ein Nacht-
lager und Unterhalt zu gewähren, da sie selbst Noth hatten, ihr eigenes
Leben zu fristen. Sie verwiesen ihn daher nach dem1 1 / 2 Miglien
entfernten Dörfchen Nazarette, in welchem er, wie sie meinten, für
mäßige Bezahlung das Gewünschte finden würde. Der Maler machte
sich, etwas mißmuthig über den Bescheid, den er nicht erwartet, auf
den Weg nach dem Dorfe, welches er bisher nicht betreten. Seine
Verstimmung wuchs, als er im Dorfe, welches fast nur aus halb
verfallenen Hütten bestand, aus deren blinden, zerbrochenen und mit
Papier verklebten Scheiben die Faulheit und Verkommenheit der Be-
wohner herausschaute, durch zerlumpte und vor Schmutz starrende
Kinder, die ihm mit Geschrei und der zur Gewohnheit gewordenen
Bitte um Almosen den Weg vertraten, sich jeden Fuß breit durch-
kämpfen mußte. Entschlossen wandte er sich, den unheimlichen Ort
zu verlassen, dessen Elend sein weiches Gemüth gar schmerzlich ergriff;
nachdenklich blickte er vor sich auf den Boden und erwog, wie er es
möglich machen könnte, seinen Lieblingswunsch dennoch auszuführen.
Da er, vergebens einen Ausweg suchend, fast an's Ende des Dorfes
gelangt war und noch einmal ungewiß und ohne bestimmte Absicht
die Straße hinunterblickte, sah er vor einem der nächsten Häuser, dem
einzigen, das einen wohnlichen Anblick gewährte, ein Mädchen von etwa
dreizehn Jahren stehen, dessen Anzug sich vor dem der übrigen Kinder
vortheilhaft auszeichnete — denn an dem rothen Röckchen glänzten
silberne Knöpfe, und silberne Schnallen an den zierlichen Schuhen —
und welches den Fremden mit großen, klugen Augen forschend ansah.
War es nun Neugierde und die leise Hoffnung, sein Ziel dennoch zu
erreichen, oder Freude über das wohlgebildete Gesichtchen der Kleinen,
was den Maler nach so vielen widrigen und niederdrückenden Be-
gegnungen mehr als gewöhnlich erregte, er hob das Kind vom Bo-
den, küßte das Erschrockene und fragte es nach seinem Namen und
ob seine Eltern im Dorfe wohnten. Jenes, während es, von der
Heftigkeit des Malers geängstigt, sich aus seinen Armen losmachte
und nach dem Boden strebte, stammelte: „Giulietta!“, und da es von
dem Maler niedergesetzt war, schüchtern an ihm aufblickend: „Hier,
in diesem Hause; Mutter ist drinnen.“ Zugleich sah Staccoli, da er
dem deutenden Finger des Mädchens mit den Augen folgte, eine
junge, stattliche Frau aus der Thür treten, in lebhaftem Wortwechsel
mit einem Menschen, dessen erhitztes Gesicht und heftige, aber unsichere
Bewegungen einen durch Trunkenheit oder Zorn des vernünftigen
Gebrauchs seiner Sinne Beraubten verriethen. Er hörte den heisern
Ausruf: „Erbärmlicher Geizhals! Jhr sollt es mir schon bezahlen!“
Da die Frau, ihr Kind, welches sich an sie drückte, umfaßt haltend,
mit einem Blick auf den Fremden einige leise, diesem unverständliche
Worte erwidert hatte, sah er den Elenden mit geballter Faust zu einem
vernichtenden Schlage ausholen. Ein Sprung und ein wohlgezielter
Stoß des Malers gegen Jenen, fast eher gethan, als gedacht, retteten
Mutter und Kind vor schlimmer Verletzung, denn der Wüthende, von
dem unerwarteten Stoß außer Richtung gebracht und von der Wucht
des eigenen Schlages, der sein Ziel verfehlte, nach vorn gerissen, tau-
melte und stürzte mit dröhnendem Schlage über den harten Boden
hin, daß ihm das Blut aus Nase und Mund quoll. Der Maler
lehnte sich, während Jener sich mühsam aufraffte und das Blut mit
dem Aermel aus dem Gesicht wischte, etwas abseits an die Mauer
des Hauses, auf einen wüthenden Angriff des Verletzten gefaßt; dieser
[Ende Spaltensatz]

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[185/0001] Sonntags=Blatt für Jedermann aus dem Volke. Begründet von Otto Ruppius. Herausgegeben von Nr. 24. — 1869.Franz Duncker.Am 13. Juni. Erscheint jeden Sonntag in einem Bogen groß Quart in elegantester Ausstattung. — Preis bei allen Postämtern vierteljährlich 8 3 / 4 Sgr., bei allen Buchhandlungen und Zeitungs=Spediteuren 9 Sgr. vierteljährlich, oder wöchentlich 9 Pf. frei ins Haus. Giulietta. Novelle von Moritz Ehrlich. Gegen Ende des Jahres 1809 reiste der junge Maler Francesco Staccoli, ein Schüler Anton Marron's und nicht der schlechtesten einer von Rom, wo er, der ungünstigen politischen Verhältnisse wegen, wenig Arbeit fand, nach Neapel, in der Hoffnung, durch einige Freunde, welche er bei einem früheren Besuche in jener Stadt sich erworben hatte, seine Lage verbessern und seine Kunst mit mehr Muße ausüben zu können. Auch sah er sich in seinen Erwartungen nicht getäuscht, denn im Laufe eines Jahres wuchs mit seinem Rufe auch sein Erwerb, so daß er im Stande war, nicht nur selbst be- haglich zu leben, sondern auch seine armen Eltern, die er in Rom zurückgelassen und die er zärtlich liebte, durch reichliche Unterstützung zu erfreuen. Die Liebenswürdigkeit und Offenheit seines Wesens ver- schafften dem jungen Manne den Umgang und die Gunst angesehener Familien, und seine Geschicklichkeit, vielfache, reich belohnte Arbeit, so daß es schien, als könnte er sich aller Sorge für sein künftiges Glück entschlagen. Er beschloß auch, gelockt von den günstigen Umständen, seinen dauernden Aufenthalt in der Stadt zu nehmen, in welcher er nach einer mühe= und entbehrungsvollen Jugend zuerst ein ungetrübtes Glück und die Heiterkeit der Seele, welche ein erwünschtes Schaffen gewährt, empfunden hatte. Zum Zweck seiner vollständigen Ueber- siedelung hatte er die Absicht, auf einige Monate nach Rom zu reisen, theils um seine Geschäfte dort zu Ende zu bringen, theils um seine Eltern herüber zu holen, die er von nun an näher um sich zu haben wünschte. Er hatte jedoch die Gegend um Neapel mit ihren entzücken- den Naturschönheiten so lieb gewonnen, daß er sich nicht entschließen konnte, abzureisen, ohne ein Andenken an jene Ortschaften mit zu nehmen, an denen seine Seele die Vorstellung des wahrhaft Schö- nen eingesogen. Vorzüglich war es die Höhe des Kamaldulenser- Klosters, südwestlich von Neapel auf einer kleinen, in's Meer vor- ragenden Landzunge gewesen, nach welcher er seine Schritte richtete, so oft er mit der Natur und seinem Genius allein sein wollte. Er übersah von jener Höhe aus, den unermeßlichen Raum von den Küsten des römischen Gebietes bis gegen Kalabrien hin. Sein Auge über- flog mit einem Blick den sogenannten neapolitanischen Archipelagus, wanderte in freudiger Trunkenheit von Puzzuoli nach Bajä, ruhte da- zwischen entzückt auf dem in der Mitte kleiner Hügel eingesenkten blauen Spiegel des Lago d'Agnano, erhob sich zum Cap Misen, eilte über die Jnseln Procida und Jschia, und kehrte von den sanften Linien des Monte Nicolo immer wieder zu seinem Ausgangspunkte zurück. Wenn dann der Maler, von diesem Anblick erfüllt, doch nicht gesättigt, sich nach der andern Seite wandte, so breitete sich unter seinen Füßen die Stadt Neapel behaglich um den Golf, dahinter drohte der zweigespaltene, rauchende Vesuv, und darüber hinaus ragten die Berge von Castelamare und la Cava, bis sich am fernen Horizont die mattblauen Erhebungen der Berge des Capitanats mit den ähnlich gestalteten Wolken vermischten. Dies letzte Bild war es, welches Staccoli auf die Leinwand zu bannen wünschte, um an der Wiege seines jungen Glücks, so oft er Sehnsucht danach empfände, auch sein äußeres Auge ergötzen zu können; seinem geistigen war sie ohnedies gegenwärtig. Zu jenem Zweck be- gab er sich mit den nöthigen Geräthschaften nach dem Kamaldulenser- Kloster, in der Absicht, so lange Zeit daselbst zu verweilen, als die Vollendung seines Gemäldes erforderte. Allein die wenigen Mönche, deren Orden grade damals aufgehoben worden war, ungeachtet sie ihn freundlich aufnahmen, waren doch nicht im Stande, ihm ein Nacht- lager und Unterhalt zu gewähren, da sie selbst Noth hatten, ihr eigenes Leben zu fristen. Sie verwiesen ihn daher nach dem1 1 / 2 Miglien entfernten Dörfchen Nazarette, in welchem er, wie sie meinten, für mäßige Bezahlung das Gewünschte finden würde. Der Maler machte sich, etwas mißmuthig über den Bescheid, den er nicht erwartet, auf den Weg nach dem Dorfe, welches er bisher nicht betreten. Seine Verstimmung wuchs, als er im Dorfe, welches fast nur aus halb verfallenen Hütten bestand, aus deren blinden, zerbrochenen und mit Papier verklebten Scheiben die Faulheit und Verkommenheit der Be- wohner herausschaute, durch zerlumpte und vor Schmutz starrende Kinder, die ihm mit Geschrei und der zur Gewohnheit gewordenen Bitte um Almosen den Weg vertraten, sich jeden Fuß breit durch- kämpfen mußte. Entschlossen wandte er sich, den unheimlichen Ort zu verlassen, dessen Elend sein weiches Gemüth gar schmerzlich ergriff; nachdenklich blickte er vor sich auf den Boden und erwog, wie er es möglich machen könnte, seinen Lieblingswunsch dennoch auszuführen. Da er, vergebens einen Ausweg suchend, fast an's Ende des Dorfes gelangt war und noch einmal ungewiß und ohne bestimmte Absicht die Straße hinunterblickte, sah er vor einem der nächsten Häuser, dem einzigen, das einen wohnlichen Anblick gewährte, ein Mädchen von etwa dreizehn Jahren stehen, dessen Anzug sich vor dem der übrigen Kinder vortheilhaft auszeichnete — denn an dem rothen Röckchen glänzten silberne Knöpfe, und silberne Schnallen an den zierlichen Schuhen — und welches den Fremden mit großen, klugen Augen forschend ansah. War es nun Neugierde und die leise Hoffnung, sein Ziel dennoch zu erreichen, oder Freude über das wohlgebildete Gesichtchen der Kleinen, was den Maler nach so vielen widrigen und niederdrückenden Be- gegnungen mehr als gewöhnlich erregte, er hob das Kind vom Bo- den, küßte das Erschrockene und fragte es nach seinem Namen und ob seine Eltern im Dorfe wohnten. Jenes, während es, von der Heftigkeit des Malers geängstigt, sich aus seinen Armen losmachte und nach dem Boden strebte, stammelte: „Giulietta!“, und da es von dem Maler niedergesetzt war, schüchtern an ihm aufblickend: „Hier, in diesem Hause; Mutter ist drinnen.“ Zugleich sah Staccoli, da er dem deutenden Finger des Mädchens mit den Augen folgte, eine junge, stattliche Frau aus der Thür treten, in lebhaftem Wortwechsel mit einem Menschen, dessen erhitztes Gesicht und heftige, aber unsichere Bewegungen einen durch Trunkenheit oder Zorn des vernünftigen Gebrauchs seiner Sinne Beraubten verriethen. Er hörte den heisern Ausruf: „Erbärmlicher Geizhals! Jhr sollt es mir schon bezahlen!“ Da die Frau, ihr Kind, welches sich an sie drückte, umfaßt haltend, mit einem Blick auf den Fremden einige leise, diesem unverständliche Worte erwidert hatte, sah er den Elenden mit geballter Faust zu einem vernichtenden Schlage ausholen. Ein Sprung und ein wohlgezielter Stoß des Malers gegen Jenen, fast eher gethan, als gedacht, retteten Mutter und Kind vor schlimmer Verletzung, denn der Wüthende, von dem unerwarteten Stoß außer Richtung gebracht und von der Wucht des eigenen Schlages, der sein Ziel verfehlte, nach vorn gerissen, tau- melte und stürzte mit dröhnendem Schlage über den harten Boden hin, daß ihm das Blut aus Nase und Mund quoll. Der Maler lehnte sich, während Jener sich mühsam aufraffte und das Blut mit dem Aermel aus dem Gesicht wischte, etwas abseits an die Mauer des Hauses, auf einen wüthenden Angriff des Verletzten gefaßt; dieser

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 24. Berlin, 13. Juni 1869, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt24_1869/1>, abgerufen am 17.05.2024.