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Sonntags-Blatt. Nr. 44. Berlin, 1. November 1868.

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[Beginn Spaltensatz] entgegenzutreten und eine Basis zu schaffen, auf der sich ein folgerichtiges
System der Förderung der Erwerbsfähigkeit der Frauen aufbauen läßt.

Der Ruf verhallte nicht ungehört; aus allen Theilen Deutschlands, ja
auch aus England, Frankreich, der Schweiz und Ungarn gingen Meldun-
gen ein, so daß die nunmehr am 1. Oktober im ersten Stock des Hauses
Leipzigerstraße Nr. 92 eröffnete Allgemeine Frauen=Jndustrie=Ausstellung
ungefähr 1000 Nummern enthält und sechs Zimmer füllt. Wären die
Veranstalter der Ausstellung mit den Erwartungen an ihre Aufgabe ge-
gangen, eine vergleichende Welt=Jndustrie=Ausstellung in's Leben zu rufen,
müßten sie tief beschämt vor dem gelieferten Resultat stehen, brächten die
Besucher der Ausstellung Ansprüche mit, die nach den im verflossenen Jahr
in Paris gesammelten Erfahrungen bemessen sind, so könnte allerdings die
Frauen=Jndustrie=Ausstellung vor ihrer Kritik nicht bestehen, oder wäre
eigentlich unter jeder Kritik. Da sie aber nichts Anderes sein soll, als
ein erster Versuch, den Arbeitsleistungen der deutschen Frauen einen Mittel-
punkt zu gewähren, eine Uebersicht der Gebiete zu gewinnen, welche Frauen
vorzugsweise kultiviren, und zu erfahren, wo und wie, weitere Ausbildung,
nöthig, wo zu ermuntern, zu vermitteln, Anerkennung zu gewähren und
Neues zu schaffen sei, so ist sie immerhin ein achtunggebietendes Zeugniß
für die Kunst= und Arbeitsfähigkeit der deutschen Frauenwelt. Dabei darf
freilich nicht verhehlt werden, daß die Ausstellung ohne allen Zweifel um
ein sehr Bedeutendes reicher und mannichfaltiger ausgefallen sein würde,
wenn die Aufforderung des Vereins überall das richtige Verständniß ge-
funden, und wenn nicht die Ausstellung verschiedener von Frauen kultivirter
Arbeitsgebiete an der Engherzigkeit vieler Fabrikanten gescheitert wäre, die
sich nicht entschließen konnten, wie es verlangt ward, das für ihre Ateliers
und Werkstätten gefertigte Fabrikat mit dem Namen der Verfertigerin aus-
zustellen *) . Jndeß die Geschichte der Ausstellungen lehrt ja, daß die
Ersten immer nur da waren, um den Andern den Weg zu bahnen, und
von diesem Gesichtspunkte aus kann man die Resultate der ersten Allgemei-
nen Frauen=Jndustrie=Ausstellung immerhin als günstig betrachten, um so
mehr, als, wie mannichfache Sünden auch vielleicht gegen Styl, Geschmack
und praktische Brauchbarkeit begangen sein mögen, doch durchweg das
Streben zu Tage tritt, in der eigentlich technischen Ausführung Muster-
gültiges und Gediegenes zu liefern.

Von den circa 1000 Nummern der Ausstellung kommen etwa 700 auf
Preußen und die Länder des Norddeutschen Bundes, die andern vertheilen
sich auf Süddeutschland. Oesterreich und einige bereits erwähnte außer-
deutsche Länder. Von den süddeutschen Staaten ist quantitativ Baden am
reichsten vertreten, qualitativ steht dagegen, so anerkennenswerth die badi-
schen Leistungen auch sein mögen, Baiern noch höher, indem aus München
zwei der interessantesten Gegenstände, eine Sammlung vortrefflich gearbei-
teter anatomischer Wachspräparate und ein Gebiß künstlicher Zähne ein-
gegangen sind. Auch aus Wien ist ein sehr gut gearbeitetes Gebiß vor-
handen, Dresden hat Bandagen eingeschickt; ferner bekunden sehr gut ge-
machte Herren= und Damenstiefeln aus Aschersleben, Epauletten, Par-
fümerien , zu wie vielen Kunst= und Arbeitsleistungen Frauen befähigt sind,
sobald man ihnen nur Gelegenheit giebt, sich die dazu nöthige Ausbildung
zu verschaffen.

Es ist selbstverständlich, daß auf einer Frauen=Jndustrie=Ausstellung
alle Arten weiblicher Handarbeiten vertreten sind, vom Handgespinnst aus
Flachs bis zur kunstvollen Stickerei. Es bedarf eines wiederholten Be-
suches, einer eingehenden Betrachtung der ausgestellten Gegenstände und
eines Verständnisses dafür, um zu würdigen, was hier in Weiß=, Seiden=,
Haar=, Bunt= und Goldstickerei, in Näh=, Häkel=, Strick=, Rahm=, Frivo-
litäten- und Filetarbeiten geleistet ist. Freilich finden wir neben Vielem,
dem man das Zeugniß der Tüchtigkeit und Brauchbarkeit geben kann,
manche Dinge, die zwar sehr künstlich und sehr mühsam, aber doch nur
[Spaltenumbruch] nutzlose Spielereien sind, die deßhalb wohl als Kuriosum dienen, aber den
eigentlichen Zwecken der Ausstellung, "Förderung der Erwerbsfähigkeit des
weiblichen Geschlechts", nicht entsprechen, und deßhalb, trotz aller auf-
gewandten Mühe und Zeit, keine Aussicht auf Prämiirung haben.

Jnteressant ist eine Vergleichung der ausgestellten Arbeiten der Schü-
lerinnen des Berliner und Wiener Handels=Jnstituts; beide zeugen von der
Einsicht der Lehrer, dem Fleiße und der Empfänglichkeit der Schülerinnen,
beide liefern den Beweis, daß Frauen sehr wohl für den kaufmännischen
Beruf auszubilden sind, und doch macht sich im ganzen Styl der Arbeiten
eine Verschiedenheit geltend, die wieder so recht deutlich die Verschiedenheit
zwischen Berliner und Wiener Geist und Wesen charakterisirt. Hochwichtig
für die Läuterung und Verbesserung der Geschmacksrichtung erscheinen uns
die von der Reutlinger Musterzeichenschule ausgelegten Vorlagen und
Musterblätter; in sinniger Weise ist die ganze Strohhutfabrikation vom
einfachen Strohhalm bis zum vollendeten Hut in allen Abstufungen dar-
gestellt, ein Gleiches ist mit der Seidenzucht und der Blumenfabrikation
der Fall, welche letztere außerdem in zahlreichen und schönen Exemplaren
aus Stoff, Papier, Wachs und Leder vertreten ist.

Den Uebergang von der Jndustrie zur Kunst, bilden Malereien auf
Holz, Porzellan, Marmor, Nachahmungen der Malerei durch die Stickerei
und endlich Photographien. Die letzteren sind in wahrhaft künstlerischen
Leistungen vorhanden, ganz besonders erregt eine Sammlung englischer
Photographien allgemeine Bewunderung; dagegen macht sich bei den ge-
stickten Bildern der Wunsch geltend, daß die Nadel ablassen möge von
Versuchen, die nun einmal nicht in ihr Bereich gehören, und viel schöner
und kunstgerechter durch Stift und Pinsel auszuführen sind. Erfreulicher
wirkt dagegen die Anwendung der Malerei zum Schmuck von Tischen,
Porzellangegenständen, Fächern, Kästchen u. s. w., und man erblickt hier
mit Genugthuung die Anfänge der verschiedenartigsten, so recht eigentlich
für Frauen geeigneten Kunstgewerbe, in denen sie sicher Bedeutendes leisten
und eine Quelle reichlichen Erwerbes finden werden, sobald die durch
Zeichenschulen und Gewerbemuseen allerwärts angestrebte Reform unserer
Kunstindustrie erst in ein vorgerückteres Stadium getreten ist.

Und nun noch ein Wort über die Kunst im eigentlichen Sinne des
Worts. Namhafte und geachtete Künstlerinnen sind dem an sie ergangenen
Rufe gefolgt und haben nicht nur in den Sälen der Akademie ihre Lei-
stungen zur gerechten Bewunderung ausgestellt, sondern auch durch die Be-
theiligung an dieser Schaustellung weiblicher Leistungsfähigkeit sich und die
Frauenwelt geehrt; andere noch weniger bekannte Malerinnen haben hier
eine Stätte gefunden, wo ihrem wackern Streben, ihrer Tüchtigkeit die
ermunternde Anerkennung wird. Die Oel=, Pastell= und Aquarellmalerei
hat eben so viel Schätzenswerthes geliefert, wie die Kreidezeichnung und
der Bleistift; daß daneben auch manches Mittelmäßige und Schlechte ist,
versteht sich von selbst, geht es doch der diesjährigen so bedeutenden Kunst-
ausstellung auch nicht besser.

Als Preise für die hervorragendsten Leistungen sind goldene Medaillen
bestimmt, deren Verleihung und Schenkung die Frau Kronprinzessin sich
vorbehalten hat. Den zweiten Preis, silberne Medaillen, wird der Verein
vertheilen und die Bestimmung darüber einer Jury übertragen; auch ist
neuerdings noch ein dritter Preis, bronzene Medaillen, in Aussicht genommen
worden. Bei der Verleihung der Preise dürften folgende Gesichtspunkte
maßgebend sein: Tüchtige, fehlerfreie Arbeit, Eröffnung neuer Erwerbs-
gebiete für Frauen, praktische Brauchbarkeit der Jndustriegegenstände,
mustergültiger Styl und Geschmack in der Kunst wie in der Jndustrie.
Spielereien und Künsteleien, so mühsam sie auch sein mögen, dürfte
schwerlich ein Preis zu Theil werden, denn der Verein müßte fürchten,
dadurch seinen Tendenzen untreu zu werden und zu befördern, was er be-
kämpfen will.

Die Allgemeine Frauen=Jndustrie=Ausstellung erfreut sich einer recht
lebhaften Theilnahme im Publikum, es ist also auch nach dieser Seite zu
hoffen, daß sie von den günstigsten Folgen sein werde und mit Sicherheit
darauf zu rechnen, eine vielleicht nach einigen Jahren hier oder anderwärts
veranstaltete zweite Ausstellung werde quantitativ und qualitativ das Dop-
pelte und Dreifache ihrer Vorgängerin leisten.

[Ende Spaltensatz]

Lose Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

Französische Journalisten behaupten allen Ernstes, daß das Zünd-
nadelgewehr eine französische Erfindung sei und erzählen, um diese An-
maßung glaubwürdig zu machen, folgende Geschichte:

Jm Jahre 1813 hörte der Herzog von Rovigo, daß ein Pariser
Waffenhändler ein neues Gewehr erfunden habe, welches, ohne Stein
oder Zündhütchen, in der Minute acht bis zehn Schüsse abzugeben
im Stande sei. Er ließ den Verfertiger kommen, untersuchte die Waffe
und schickte sie dann an den Kaiser Napoleon mit einem Briefe, in welchem
er versichert, daß in seiner Gegenwart das Gewehr zweiundzwanzig Schüsse
in zwei Minuten abgegeben, daß die Herstellungskosten nicht höher wären,
das Gewicht dagegen um ein Viertel geringer, als das der damals ge-
bräuchlichen Flinten, und daß die Patrone sogar nur 2 / 5 von dem Gewicht
der gewöhnlichen Patrone besitze. Der Kaiser schrieb unter den Schluß
des Briefes folgende Anmerkung:

"Dem Herzog von Friaul anbefohlen, den Erfinder kommen zu lassen,
die Büchse von einem Comit e der Garde=Artillerie=Offiziere zu prüfen und
darüber Bericht zu erstatten!"

Der Befehl wurde ausgeführt; der Bericht in so günstigem Sinne
erstattet, daß der Kaiser sofort dem Pauly 10,000 Francs auszahlen ließ.

Jn der nun folgenden ereignißreichen Zeit wurde die Büchse, wie ihr
[Spaltenumbruch] Erfinder, vergessen, und erst im verflossenen Monat, nachdem man den
Brief des Herzogs an's Licht gezogen, suchte man im Artillerie=Museum
nach und fand dort das Gewehr Pauly's, welches genau dem preußi-
schen Zündnadelgewehr entspricht.

Nach dieser vollständig verbürgten Geschichte sollte man in der That
glauben, daß das Zündnadelgewehr eine französische Erfindung sei, wenn
nicht ebenso bestimmt nachgewiesen werden könnte, daß einer von Pauly's
Arbeitern ein Deutscher mit Namen -- Nicolaus Dreyse gewesen.



M. Ein Bierhaus aus Berlins Vergangenheit. Als die Umgebung
der Louisen= ( damals Sebastians= ) Kirche größtentheils noch aus Gärten
bestand, erblühte Anno 1713 in einem derselben eine "sonderliche weiße
Lilie, deren einer Stamm eine weiße, deren anderer aber rothe Blumen
trug." Dies merkwürdige Naturerzeugniß wurde der Königin Sophie Louise
zum Geschenk überreicht, welche als Gegengeschenk dem Besitzer des Gartens
das Privilegium ertheilte, "allerhand fremde Biere ausschänken zu dürfen."
Das Haus aber ward "Zur weißen Wunderlilie" genannt, und hat sich
seitdem als Lokal erhalten, nur daß der Berliner Volkswitz ihm einen
weniger idyllischen Namen beigelegt hat.

[Ende Spaltensatz]

Die Besprechung von Angelegenheiten, welche die Redaction betreffen, kann täglich von 1 bis 3 Uhr im Redactions=Büreau,
Potsdamer Straße Nr. 20, stattfinden. Alle Zusendungen werden erbeten unter der Adresse: "An die Redaction des Sonntags=Blattes in
Berlin, Potsdamer Straße Nr. 20."



Druck von Franz Duncker in Berlin. -- Verlag der Expedition des Sonntags=Blattes ( Franz Duncker ) in Berlin.
Verantwortlicher Redakteur: Leonhard Simion in Berlin.

*) Schreiberin dieser Zeilen hat wiederholt nach einer Stadt, wo, wie ihr wohl-
bekannt, sehr viele Frauen mit dem Klöppeln von Gold= und Silbertressen beschäftigt
werden, die Bitte gerichtet, ihr Proben derselben zur Ausstellung zu schicken, ohne daß
dieselbe berücksichtigt wäre.

[Beginn Spaltensatz] entgegenzutreten und eine Basis zu schaffen, auf der sich ein folgerichtiges
System der Förderung der Erwerbsfähigkeit der Frauen aufbauen läßt.

Der Ruf verhallte nicht ungehört; aus allen Theilen Deutschlands, ja
auch aus England, Frankreich, der Schweiz und Ungarn gingen Meldun-
gen ein, so daß die nunmehr am 1. Oktober im ersten Stock des Hauses
Leipzigerstraße Nr. 92 eröffnete Allgemeine Frauen=Jndustrie=Ausstellung
ungefähr 1000 Nummern enthält und sechs Zimmer füllt. Wären die
Veranstalter der Ausstellung mit den Erwartungen an ihre Aufgabe ge-
gangen, eine vergleichende Welt=Jndustrie=Ausstellung in's Leben zu rufen,
müßten sie tief beschämt vor dem gelieferten Resultat stehen, brächten die
Besucher der Ausstellung Ansprüche mit, die nach den im verflossenen Jahr
in Paris gesammelten Erfahrungen bemessen sind, so könnte allerdings die
Frauen=Jndustrie=Ausstellung vor ihrer Kritik nicht bestehen, oder wäre
eigentlich unter jeder Kritik. Da sie aber nichts Anderes sein soll, als
ein erster Versuch, den Arbeitsleistungen der deutschen Frauen einen Mittel-
punkt zu gewähren, eine Uebersicht der Gebiete zu gewinnen, welche Frauen
vorzugsweise kultiviren, und zu erfahren, wo und wie, weitere Ausbildung,
nöthig, wo zu ermuntern, zu vermitteln, Anerkennung zu gewähren und
Neues zu schaffen sei, so ist sie immerhin ein achtunggebietendes Zeugniß
für die Kunst= und Arbeitsfähigkeit der deutschen Frauenwelt. Dabei darf
freilich nicht verhehlt werden, daß die Ausstellung ohne allen Zweifel um
ein sehr Bedeutendes reicher und mannichfaltiger ausgefallen sein würde,
wenn die Aufforderung des Vereins überall das richtige Verständniß ge-
funden, und wenn nicht die Ausstellung verschiedener von Frauen kultivirter
Arbeitsgebiete an der Engherzigkeit vieler Fabrikanten gescheitert wäre, die
sich nicht entschließen konnten, wie es verlangt ward, das für ihre Ateliers
und Werkstätten gefertigte Fabrikat mit dem Namen der Verfertigerin aus-
zustellen *) . Jndeß die Geschichte der Ausstellungen lehrt ja, daß die
Ersten immer nur da waren, um den Andern den Weg zu bahnen, und
von diesem Gesichtspunkte aus kann man die Resultate der ersten Allgemei-
nen Frauen=Jndustrie=Ausstellung immerhin als günstig betrachten, um so
mehr, als, wie mannichfache Sünden auch vielleicht gegen Styl, Geschmack
und praktische Brauchbarkeit begangen sein mögen, doch durchweg das
Streben zu Tage tritt, in der eigentlich technischen Ausführung Muster-
gültiges und Gediegenes zu liefern.

Von den circa 1000 Nummern der Ausstellung kommen etwa 700 auf
Preußen und die Länder des Norddeutschen Bundes, die andern vertheilen
sich auf Süddeutschland. Oesterreich und einige bereits erwähnte außer-
deutsche Länder. Von den süddeutschen Staaten ist quantitativ Baden am
reichsten vertreten, qualitativ steht dagegen, so anerkennenswerth die badi-
schen Leistungen auch sein mögen, Baiern noch höher, indem aus München
zwei der interessantesten Gegenstände, eine Sammlung vortrefflich gearbei-
teter anatomischer Wachspräparate und ein Gebiß künstlicher Zähne ein-
gegangen sind. Auch aus Wien ist ein sehr gut gearbeitetes Gebiß vor-
handen, Dresden hat Bandagen eingeschickt; ferner bekunden sehr gut ge-
machte Herren= und Damenstiefeln aus Aschersleben, Epauletten, Par-
fümerien , zu wie vielen Kunst= und Arbeitsleistungen Frauen befähigt sind,
sobald man ihnen nur Gelegenheit giebt, sich die dazu nöthige Ausbildung
zu verschaffen.

Es ist selbstverständlich, daß auf einer Frauen=Jndustrie=Ausstellung
alle Arten weiblicher Handarbeiten vertreten sind, vom Handgespinnst aus
Flachs bis zur kunstvollen Stickerei. Es bedarf eines wiederholten Be-
suches, einer eingehenden Betrachtung der ausgestellten Gegenstände und
eines Verständnisses dafür, um zu würdigen, was hier in Weiß=, Seiden=,
Haar=, Bunt= und Goldstickerei, in Näh=, Häkel=, Strick=, Rahm=, Frivo-
litäten- und Filetarbeiten geleistet ist. Freilich finden wir neben Vielem,
dem man das Zeugniß der Tüchtigkeit und Brauchbarkeit geben kann,
manche Dinge, die zwar sehr künstlich und sehr mühsam, aber doch nur
[Spaltenumbruch] nutzlose Spielereien sind, die deßhalb wohl als Kuriosum dienen, aber den
eigentlichen Zwecken der Ausstellung, „Förderung der Erwerbsfähigkeit des
weiblichen Geschlechts“, nicht entsprechen, und deßhalb, trotz aller auf-
gewandten Mühe und Zeit, keine Aussicht auf Prämiirung haben.

Jnteressant ist eine Vergleichung der ausgestellten Arbeiten der Schü-
lerinnen des Berliner und Wiener Handels=Jnstituts; beide zeugen von der
Einsicht der Lehrer, dem Fleiße und der Empfänglichkeit der Schülerinnen,
beide liefern den Beweis, daß Frauen sehr wohl für den kaufmännischen
Beruf auszubilden sind, und doch macht sich im ganzen Styl der Arbeiten
eine Verschiedenheit geltend, die wieder so recht deutlich die Verschiedenheit
zwischen Berliner und Wiener Geist und Wesen charakterisirt. Hochwichtig
für die Läuterung und Verbesserung der Geschmacksrichtung erscheinen uns
die von der Reutlinger Musterzeichenschule ausgelegten Vorlagen und
Musterblätter; in sinniger Weise ist die ganze Strohhutfabrikation vom
einfachen Strohhalm bis zum vollendeten Hut in allen Abstufungen dar-
gestellt, ein Gleiches ist mit der Seidenzucht und der Blumenfabrikation
der Fall, welche letztere außerdem in zahlreichen und schönen Exemplaren
aus Stoff, Papier, Wachs und Leder vertreten ist.

Den Uebergang von der Jndustrie zur Kunst, bilden Malereien auf
Holz, Porzellan, Marmor, Nachahmungen der Malerei durch die Stickerei
und endlich Photographien. Die letzteren sind in wahrhaft künstlerischen
Leistungen vorhanden, ganz besonders erregt eine Sammlung englischer
Photographien allgemeine Bewunderung; dagegen macht sich bei den ge-
stickten Bildern der Wunsch geltend, daß die Nadel ablassen möge von
Versuchen, die nun einmal nicht in ihr Bereich gehören, und viel schöner
und kunstgerechter durch Stift und Pinsel auszuführen sind. Erfreulicher
wirkt dagegen die Anwendung der Malerei zum Schmuck von Tischen,
Porzellangegenständen, Fächern, Kästchen u. s. w., und man erblickt hier
mit Genugthuung die Anfänge der verschiedenartigsten, so recht eigentlich
für Frauen geeigneten Kunstgewerbe, in denen sie sicher Bedeutendes leisten
und eine Quelle reichlichen Erwerbes finden werden, sobald die durch
Zeichenschulen und Gewerbemuseen allerwärts angestrebte Reform unserer
Kunstindustrie erst in ein vorgerückteres Stadium getreten ist.

Und nun noch ein Wort über die Kunst im eigentlichen Sinne des
Worts. Namhafte und geachtete Künstlerinnen sind dem an sie ergangenen
Rufe gefolgt und haben nicht nur in den Sälen der Akademie ihre Lei-
stungen zur gerechten Bewunderung ausgestellt, sondern auch durch die Be-
theiligung an dieser Schaustellung weiblicher Leistungsfähigkeit sich und die
Frauenwelt geehrt; andere noch weniger bekannte Malerinnen haben hier
eine Stätte gefunden, wo ihrem wackern Streben, ihrer Tüchtigkeit die
ermunternde Anerkennung wird. Die Oel=, Pastell= und Aquarellmalerei
hat eben so viel Schätzenswerthes geliefert, wie die Kreidezeichnung und
der Bleistift; daß daneben auch manches Mittelmäßige und Schlechte ist,
versteht sich von selbst, geht es doch der diesjährigen so bedeutenden Kunst-
ausstellung auch nicht besser.

Als Preise für die hervorragendsten Leistungen sind goldene Medaillen
bestimmt, deren Verleihung und Schenkung die Frau Kronprinzessin sich
vorbehalten hat. Den zweiten Preis, silberne Medaillen, wird der Verein
vertheilen und die Bestimmung darüber einer Jury übertragen; auch ist
neuerdings noch ein dritter Preis, bronzene Medaillen, in Aussicht genommen
worden. Bei der Verleihung der Preise dürften folgende Gesichtspunkte
maßgebend sein: Tüchtige, fehlerfreie Arbeit, Eröffnung neuer Erwerbs-
gebiete für Frauen, praktische Brauchbarkeit der Jndustriegegenstände,
mustergültiger Styl und Geschmack in der Kunst wie in der Jndustrie.
Spielereien und Künsteleien, so mühsam sie auch sein mögen, dürfte
schwerlich ein Preis zu Theil werden, denn der Verein müßte fürchten,
dadurch seinen Tendenzen untreu zu werden und zu befördern, was er be-
kämpfen will.

Die Allgemeine Frauen=Jndustrie=Ausstellung erfreut sich einer recht
lebhaften Theilnahme im Publikum, es ist also auch nach dieser Seite zu
hoffen, daß sie von den günstigsten Folgen sein werde und mit Sicherheit
darauf zu rechnen, eine vielleicht nach einigen Jahren hier oder anderwärts
veranstaltete zweite Ausstellung werde quantitativ und qualitativ das Dop-
pelte und Dreifache ihrer Vorgängerin leisten.

[Ende Spaltensatz]

Lose Blätter.
[Beginn Spaltensatz]

Französische Journalisten behaupten allen Ernstes, daß das Zünd-
nadelgewehr eine französische Erfindung sei und erzählen, um diese An-
maßung glaubwürdig zu machen, folgende Geschichte:

Jm Jahre 1813 hörte der Herzog von Rovigo, daß ein Pariser
Waffenhändler ein neues Gewehr erfunden habe, welches, ohne Stein
oder Zündhütchen, in der Minute acht bis zehn Schüsse abzugeben
im Stande sei. Er ließ den Verfertiger kommen, untersuchte die Waffe
und schickte sie dann an den Kaiser Napoleon mit einem Briefe, in welchem
er versichert, daß in seiner Gegenwart das Gewehr zweiundzwanzig Schüsse
in zwei Minuten abgegeben, daß die Herstellungskosten nicht höher wären,
das Gewicht dagegen um ein Viertel geringer, als das der damals ge-
bräuchlichen Flinten, und daß die Patrone sogar nur 2 / 5 von dem Gewicht
der gewöhnlichen Patrone besitze. Der Kaiser schrieb unter den Schluß
des Briefes folgende Anmerkung:

„Dem Herzog von Friaul anbefohlen, den Erfinder kommen zu lassen,
die Büchse von einem Comit é der Garde=Artillerie=Offiziere zu prüfen und
darüber Bericht zu erstatten!“

Der Befehl wurde ausgeführt; der Bericht in so günstigem Sinne
erstattet, daß der Kaiser sofort dem Pauly 10,000 Francs auszahlen ließ.

Jn der nun folgenden ereignißreichen Zeit wurde die Büchse, wie ihr
[Spaltenumbruch] Erfinder, vergessen, und erst im verflossenen Monat, nachdem man den
Brief des Herzogs an's Licht gezogen, suchte man im Artillerie=Museum
nach und fand dort das Gewehr Pauly's, welches genau dem preußi-
schen Zündnadelgewehr entspricht.

Nach dieser vollständig verbürgten Geschichte sollte man in der That
glauben, daß das Zündnadelgewehr eine französische Erfindung sei, wenn
nicht ebenso bestimmt nachgewiesen werden könnte, daß einer von Pauly's
Arbeitern ein Deutscher mit Namen — Nicolaus Dreyse gewesen.



M. Ein Bierhaus aus Berlins Vergangenheit. Als die Umgebung
der Louisen= ( damals Sebastians= ) Kirche größtentheils noch aus Gärten
bestand, erblühte Anno 1713 in einem derselben eine „sonderliche weiße
Lilie, deren einer Stamm eine weiße, deren anderer aber rothe Blumen
trug.“ Dies merkwürdige Naturerzeugniß wurde der Königin Sophie Louise
zum Geschenk überreicht, welche als Gegengeschenk dem Besitzer des Gartens
das Privilegium ertheilte, „allerhand fremde Biere ausschänken zu dürfen.“
Das Haus aber ward „Zur weißen Wunderlilie“ genannt, und hat sich
seitdem als Lokal erhalten, nur daß der Berliner Volkswitz ihm einen
weniger idyllischen Namen beigelegt hat.

[Ende Spaltensatz]

☞ Die Besprechung von Angelegenheiten, welche die Redaction betreffen, kann täglich von 1 bis 3 Uhr im Redactions=Büreau,
Potsdamer Straße Nr. 20, stattfinden. Alle Zusendungen werden erbeten unter der Adresse: „An die Redaction des Sonntags=Blattes in
Berlin, Potsdamer Straße Nr. 20.“



Druck von Franz Duncker in Berlin. — Verlag der Expedition des Sonntags=Blattes ( Franz Duncker ) in Berlin.
Verantwortlicher Redakteur: Leonhard Simion in Berlin.

*) Schreiberin dieser Zeilen hat wiederholt nach einer Stadt, wo, wie ihr wohl-
bekannt, sehr viele Frauen mit dem Klöppeln von Gold= und Silbertressen beschäftigt
werden, die Bitte gerichtet, ihr Proben derselben zur Ausstellung zu schicken, ohne daß
dieselbe berücksichtigt wäre.
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[352/0008] 352 entgegenzutreten und eine Basis zu schaffen, auf der sich ein folgerichtiges System der Förderung der Erwerbsfähigkeit der Frauen aufbauen läßt. Der Ruf verhallte nicht ungehört; aus allen Theilen Deutschlands, ja auch aus England, Frankreich, der Schweiz und Ungarn gingen Meldun- gen ein, so daß die nunmehr am 1. Oktober im ersten Stock des Hauses Leipzigerstraße Nr. 92 eröffnete Allgemeine Frauen=Jndustrie=Ausstellung ungefähr 1000 Nummern enthält und sechs Zimmer füllt. Wären die Veranstalter der Ausstellung mit den Erwartungen an ihre Aufgabe ge- gangen, eine vergleichende Welt=Jndustrie=Ausstellung in's Leben zu rufen, müßten sie tief beschämt vor dem gelieferten Resultat stehen, brächten die Besucher der Ausstellung Ansprüche mit, die nach den im verflossenen Jahr in Paris gesammelten Erfahrungen bemessen sind, so könnte allerdings die Frauen=Jndustrie=Ausstellung vor ihrer Kritik nicht bestehen, oder wäre eigentlich unter jeder Kritik. Da sie aber nichts Anderes sein soll, als ein erster Versuch, den Arbeitsleistungen der deutschen Frauen einen Mittel- punkt zu gewähren, eine Uebersicht der Gebiete zu gewinnen, welche Frauen vorzugsweise kultiviren, und zu erfahren, wo und wie, weitere Ausbildung, nöthig, wo zu ermuntern, zu vermitteln, Anerkennung zu gewähren und Neues zu schaffen sei, so ist sie immerhin ein achtunggebietendes Zeugniß für die Kunst= und Arbeitsfähigkeit der deutschen Frauenwelt. Dabei darf freilich nicht verhehlt werden, daß die Ausstellung ohne allen Zweifel um ein sehr Bedeutendes reicher und mannichfaltiger ausgefallen sein würde, wenn die Aufforderung des Vereins überall das richtige Verständniß ge- funden, und wenn nicht die Ausstellung verschiedener von Frauen kultivirter Arbeitsgebiete an der Engherzigkeit vieler Fabrikanten gescheitert wäre, die sich nicht entschließen konnten, wie es verlangt ward, das für ihre Ateliers und Werkstätten gefertigte Fabrikat mit dem Namen der Verfertigerin aus- zustellen *) . Jndeß die Geschichte der Ausstellungen lehrt ja, daß die Ersten immer nur da waren, um den Andern den Weg zu bahnen, und von diesem Gesichtspunkte aus kann man die Resultate der ersten Allgemei- nen Frauen=Jndustrie=Ausstellung immerhin als günstig betrachten, um so mehr, als, wie mannichfache Sünden auch vielleicht gegen Styl, Geschmack und praktische Brauchbarkeit begangen sein mögen, doch durchweg das Streben zu Tage tritt, in der eigentlich technischen Ausführung Muster- gültiges und Gediegenes zu liefern. Von den circa 1000 Nummern der Ausstellung kommen etwa 700 auf Preußen und die Länder des Norddeutschen Bundes, die andern vertheilen sich auf Süddeutschland. Oesterreich und einige bereits erwähnte außer- deutsche Länder. Von den süddeutschen Staaten ist quantitativ Baden am reichsten vertreten, qualitativ steht dagegen, so anerkennenswerth die badi- schen Leistungen auch sein mögen, Baiern noch höher, indem aus München zwei der interessantesten Gegenstände, eine Sammlung vortrefflich gearbei- teter anatomischer Wachspräparate und ein Gebiß künstlicher Zähne ein- gegangen sind. Auch aus Wien ist ein sehr gut gearbeitetes Gebiß vor- handen, Dresden hat Bandagen eingeschickt; ferner bekunden sehr gut ge- machte Herren= und Damenstiefeln aus Aschersleben, Epauletten, Par- fümerien , zu wie vielen Kunst= und Arbeitsleistungen Frauen befähigt sind, sobald man ihnen nur Gelegenheit giebt, sich die dazu nöthige Ausbildung zu verschaffen. Es ist selbstverständlich, daß auf einer Frauen=Jndustrie=Ausstellung alle Arten weiblicher Handarbeiten vertreten sind, vom Handgespinnst aus Flachs bis zur kunstvollen Stickerei. Es bedarf eines wiederholten Be- suches, einer eingehenden Betrachtung der ausgestellten Gegenstände und eines Verständnisses dafür, um zu würdigen, was hier in Weiß=, Seiden=, Haar=, Bunt= und Goldstickerei, in Näh=, Häkel=, Strick=, Rahm=, Frivo- litäten- und Filetarbeiten geleistet ist. Freilich finden wir neben Vielem, dem man das Zeugniß der Tüchtigkeit und Brauchbarkeit geben kann, manche Dinge, die zwar sehr künstlich und sehr mühsam, aber doch nur nutzlose Spielereien sind, die deßhalb wohl als Kuriosum dienen, aber den eigentlichen Zwecken der Ausstellung, „Förderung der Erwerbsfähigkeit des weiblichen Geschlechts“, nicht entsprechen, und deßhalb, trotz aller auf- gewandten Mühe und Zeit, keine Aussicht auf Prämiirung haben. Jnteressant ist eine Vergleichung der ausgestellten Arbeiten der Schü- lerinnen des Berliner und Wiener Handels=Jnstituts; beide zeugen von der Einsicht der Lehrer, dem Fleiße und der Empfänglichkeit der Schülerinnen, beide liefern den Beweis, daß Frauen sehr wohl für den kaufmännischen Beruf auszubilden sind, und doch macht sich im ganzen Styl der Arbeiten eine Verschiedenheit geltend, die wieder so recht deutlich die Verschiedenheit zwischen Berliner und Wiener Geist und Wesen charakterisirt. Hochwichtig für die Läuterung und Verbesserung der Geschmacksrichtung erscheinen uns die von der Reutlinger Musterzeichenschule ausgelegten Vorlagen und Musterblätter; in sinniger Weise ist die ganze Strohhutfabrikation vom einfachen Strohhalm bis zum vollendeten Hut in allen Abstufungen dar- gestellt, ein Gleiches ist mit der Seidenzucht und der Blumenfabrikation der Fall, welche letztere außerdem in zahlreichen und schönen Exemplaren aus Stoff, Papier, Wachs und Leder vertreten ist. Den Uebergang von der Jndustrie zur Kunst, bilden Malereien auf Holz, Porzellan, Marmor, Nachahmungen der Malerei durch die Stickerei und endlich Photographien. Die letzteren sind in wahrhaft künstlerischen Leistungen vorhanden, ganz besonders erregt eine Sammlung englischer Photographien allgemeine Bewunderung; dagegen macht sich bei den ge- stickten Bildern der Wunsch geltend, daß die Nadel ablassen möge von Versuchen, die nun einmal nicht in ihr Bereich gehören, und viel schöner und kunstgerechter durch Stift und Pinsel auszuführen sind. Erfreulicher wirkt dagegen die Anwendung der Malerei zum Schmuck von Tischen, Porzellangegenständen, Fächern, Kästchen u. s. w., und man erblickt hier mit Genugthuung die Anfänge der verschiedenartigsten, so recht eigentlich für Frauen geeigneten Kunstgewerbe, in denen sie sicher Bedeutendes leisten und eine Quelle reichlichen Erwerbes finden werden, sobald die durch Zeichenschulen und Gewerbemuseen allerwärts angestrebte Reform unserer Kunstindustrie erst in ein vorgerückteres Stadium getreten ist. Und nun noch ein Wort über die Kunst im eigentlichen Sinne des Worts. Namhafte und geachtete Künstlerinnen sind dem an sie ergangenen Rufe gefolgt und haben nicht nur in den Sälen der Akademie ihre Lei- stungen zur gerechten Bewunderung ausgestellt, sondern auch durch die Be- theiligung an dieser Schaustellung weiblicher Leistungsfähigkeit sich und die Frauenwelt geehrt; andere noch weniger bekannte Malerinnen haben hier eine Stätte gefunden, wo ihrem wackern Streben, ihrer Tüchtigkeit die ermunternde Anerkennung wird. Die Oel=, Pastell= und Aquarellmalerei hat eben so viel Schätzenswerthes geliefert, wie die Kreidezeichnung und der Bleistift; daß daneben auch manches Mittelmäßige und Schlechte ist, versteht sich von selbst, geht es doch der diesjährigen so bedeutenden Kunst- ausstellung auch nicht besser. Als Preise für die hervorragendsten Leistungen sind goldene Medaillen bestimmt, deren Verleihung und Schenkung die Frau Kronprinzessin sich vorbehalten hat. Den zweiten Preis, silberne Medaillen, wird der Verein vertheilen und die Bestimmung darüber einer Jury übertragen; auch ist neuerdings noch ein dritter Preis, bronzene Medaillen, in Aussicht genommen worden. Bei der Verleihung der Preise dürften folgende Gesichtspunkte maßgebend sein: Tüchtige, fehlerfreie Arbeit, Eröffnung neuer Erwerbs- gebiete für Frauen, praktische Brauchbarkeit der Jndustriegegenstände, mustergültiger Styl und Geschmack in der Kunst wie in der Jndustrie. Spielereien und Künsteleien, so mühsam sie auch sein mögen, dürfte schwerlich ein Preis zu Theil werden, denn der Verein müßte fürchten, dadurch seinen Tendenzen untreu zu werden und zu befördern, was er be- kämpfen will. Die Allgemeine Frauen=Jndustrie=Ausstellung erfreut sich einer recht lebhaften Theilnahme im Publikum, es ist also auch nach dieser Seite zu hoffen, daß sie von den günstigsten Folgen sein werde und mit Sicherheit darauf zu rechnen, eine vielleicht nach einigen Jahren hier oder anderwärts veranstaltete zweite Ausstellung werde quantitativ und qualitativ das Dop- pelte und Dreifache ihrer Vorgängerin leisten. Lose Blätter. Französische Journalisten behaupten allen Ernstes, daß das Zünd- nadelgewehr eine französische Erfindung sei und erzählen, um diese An- maßung glaubwürdig zu machen, folgende Geschichte: Jm Jahre 1813 hörte der Herzog von Rovigo, daß ein Pariser Waffenhändler ein neues Gewehr erfunden habe, welches, ohne Stein oder Zündhütchen, in der Minute acht bis zehn Schüsse abzugeben im Stande sei. Er ließ den Verfertiger kommen, untersuchte die Waffe und schickte sie dann an den Kaiser Napoleon mit einem Briefe, in welchem er versichert, daß in seiner Gegenwart das Gewehr zweiundzwanzig Schüsse in zwei Minuten abgegeben, daß die Herstellungskosten nicht höher wären, das Gewicht dagegen um ein Viertel geringer, als das der damals ge- bräuchlichen Flinten, und daß die Patrone sogar nur 2 / 5 von dem Gewicht der gewöhnlichen Patrone besitze. Der Kaiser schrieb unter den Schluß des Briefes folgende Anmerkung: „Dem Herzog von Friaul anbefohlen, den Erfinder kommen zu lassen, die Büchse von einem Comit é der Garde=Artillerie=Offiziere zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten!“ Der Befehl wurde ausgeführt; der Bericht in so günstigem Sinne erstattet, daß der Kaiser sofort dem Pauly 10,000 Francs auszahlen ließ. Jn der nun folgenden ereignißreichen Zeit wurde die Büchse, wie ihr Erfinder, vergessen, und erst im verflossenen Monat, nachdem man den Brief des Herzogs an's Licht gezogen, suchte man im Artillerie=Museum nach und fand dort das Gewehr Pauly's, welches genau dem preußi- schen Zündnadelgewehr entspricht. Nach dieser vollständig verbürgten Geschichte sollte man in der That glauben, daß das Zündnadelgewehr eine französische Erfindung sei, wenn nicht ebenso bestimmt nachgewiesen werden könnte, daß einer von Pauly's Arbeitern ein Deutscher mit Namen — Nicolaus Dreyse gewesen. M. Ein Bierhaus aus Berlins Vergangenheit. Als die Umgebung der Louisen= ( damals Sebastians= ) Kirche größtentheils noch aus Gärten bestand, erblühte Anno 1713 in einem derselben eine „sonderliche weiße Lilie, deren einer Stamm eine weiße, deren anderer aber rothe Blumen trug.“ Dies merkwürdige Naturerzeugniß wurde der Königin Sophie Louise zum Geschenk überreicht, welche als Gegengeschenk dem Besitzer des Gartens das Privilegium ertheilte, „allerhand fremde Biere ausschänken zu dürfen.“ Das Haus aber ward „Zur weißen Wunderlilie“ genannt, und hat sich seitdem als Lokal erhalten, nur daß der Berliner Volkswitz ihm einen weniger idyllischen Namen beigelegt hat. ☞ Die Besprechung von Angelegenheiten, welche die Redaction betreffen, kann täglich von 1 bis 3 Uhr im Redactions=Büreau, Potsdamer Straße Nr. 20, stattfinden. Alle Zusendungen werden erbeten unter der Adresse: „An die Redaction des Sonntags=Blattes in Berlin, Potsdamer Straße Nr. 20.“ Druck von Franz Duncker in Berlin. — Verlag der Expedition des Sonntags=Blattes ( Franz Duncker ) in Berlin. Verantwortlicher Redakteur: Leonhard Simion in Berlin. *) Schreiberin dieser Zeilen hat wiederholt nach einer Stadt, wo, wie ihr wohl- bekannt, sehr viele Frauen mit dem Klöppeln von Gold= und Silbertressen beschäftigt werden, die Bitte gerichtet, ihr Proben derselben zur Ausstellung zu schicken, ohne daß dieselbe berücksichtigt wäre.

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Zitationshilfe: Sonntags-Blatt. Nr. 44. Berlin, 1. November 1868, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_sonntagsblatt44_1868/8>, abgerufen am 01.06.2024.