Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.Druck öffnete es. Es zeigte auf Elfenbein gemalt das Bild eines schönen blassen, jungen Mannes. Immer spähender, verwunderter betrachtete Eduin das Bild und rief endlich aus: "Das ist mein Vetter Jaromir, nicht nur die Aehnlichkeit täuscht mich -- er ist's gewiß und wahrhaftig, da steht unten in das goldene Blättchen eingegraben sein Name." Thalheim starrte auf das Bild. "Er ist's!" sagte er langsam, ward noch bleicher als vorher und verstummte sogleich wieder, denn dieser Name ließ ihn auf's Neue in ein tiefes Meer schmerzlich grollender Gedanken versinken. "Was? Sie kennen ihn auch," rief Eduin überrascht, "und haben mir nie davon gesprochen, wenn ich Ihnen von ihm erzählte, wie er mir schon von Kind auf ein Vorbild war? Mit tiefster Innigkeit hab' ich ihn immer geliebt und seine schöne Mutter, die, als sie mit ihm in das Haus des Vaters kam, mich zu ihrem Liebling machte und mich immer auf dem Schoos wiegte, ist meine frühste und liebste Erinnerung! Wie er dann eine Zeit lang unser Schloß mied und erst wiederkam, nachdem er reich und berühmt geworden, da sagt' ich mir wohl oft: so will ich auch handeln und werden wie er! -- Und er hatte mich auch recht lieb und war oft vergnügt mit mir und schickte mir immer gleich jedes seiner Lieder. Nun habe ich ihn seit ein paar Jahren nicht gesehen und plötzlich Druck öffnete es. Es zeigte auf Elfenbein gemalt das Bild eines schönen blassen, jungen Mannes. Immer spähender, verwunderter betrachtete Eduin das Bild und rief endlich aus: „Das ist mein Vetter Jaromir, nicht nur die Aehnlichkeit täuscht mich — er ist’s gewiß und wahrhaftig, da steht unten in das goldene Blättchen eingegraben sein Name.“ Thalheim starrte auf das Bild. „Er ist’s!“ sagte er langsam, ward noch bleicher als vorher und verstummte sogleich wieder, denn dieser Name ließ ihn auf’s Neue in ein tiefes Meer schmerzlich grollender Gedanken versinken. „Was? Sie kennen ihn auch,“ rief Eduin überrascht, „und haben mir nie davon gesprochen, wenn ich Ihnen von ihm erzählte, wie er mir schon von Kind auf ein Vorbild war? Mit tiefster Innigkeit hab’ ich ihn immer geliebt und seine schöne Mutter, die, als sie mit ihm in das Haus des Vaters kam, mich zu ihrem Liebling machte und mich immer auf dem Schoos wiegte, ist meine frühste und liebste Erinnerung! Wie er dann eine Zeit lang unser Schloß mied und erst wiederkam, nachdem er reich und berühmt geworden, da sagt’ ich mir wohl oft: so will ich auch handeln und werden wie er! — Und er hatte mich auch recht lieb und war oft vergnügt mit mir und schickte mir immer gleich jedes seiner Lieder. Nun habe ich ihn seit ein paar Jahren nicht gesehen und plötzlich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0161" n="155"/> Druck öffnete es. Es zeigte auf Elfenbein gemalt das Bild eines schönen blassen, jungen Mannes. Immer spähender, verwunderter betrachtete Eduin das Bild und rief endlich aus: „Das ist mein Vetter Jaromir, nicht nur die Aehnlichkeit täuscht mich — er ist’s gewiß und wahrhaftig, da steht unten in das goldene Blättchen eingegraben sein Name.“</p> <p>Thalheim starrte auf das Bild. „Er ist’s!“ sagte er langsam, ward noch bleicher als vorher und verstummte sogleich wieder, denn dieser Name ließ ihn auf’s Neue in ein tiefes Meer schmerzlich grollender Gedanken versinken.</p> <p>„Was? Sie kennen ihn auch,“ rief Eduin überrascht, „und haben mir nie davon gesprochen, wenn ich Ihnen von ihm erzählte, wie er mir schon von Kind auf ein Vorbild war? Mit tiefster Innigkeit hab’ ich ihn immer geliebt und seine schöne Mutter, die, als sie mit ihm in das Haus des Vaters kam, mich zu ihrem Liebling machte und mich immer auf dem Schoos wiegte, ist meine frühste und liebste Erinnerung! Wie er dann eine Zeit lang unser Schloß mied und erst wiederkam, nachdem er reich und berühmt geworden, da sagt’ ich mir wohl oft: so will ich auch handeln und werden wie er! — Und er hatte mich auch recht lieb und war oft vergnügt mit mir und schickte mir immer gleich jedes seiner Lieder. Nun habe ich ihn seit ein paar Jahren nicht gesehen und plötzlich </p> </div> </body> </text> </TEI> [155/0161]
Druck öffnete es. Es zeigte auf Elfenbein gemalt das Bild eines schönen blassen, jungen Mannes. Immer spähender, verwunderter betrachtete Eduin das Bild und rief endlich aus: „Das ist mein Vetter Jaromir, nicht nur die Aehnlichkeit täuscht mich — er ist’s gewiß und wahrhaftig, da steht unten in das goldene Blättchen eingegraben sein Name.“
Thalheim starrte auf das Bild. „Er ist’s!“ sagte er langsam, ward noch bleicher als vorher und verstummte sogleich wieder, denn dieser Name ließ ihn auf’s Neue in ein tiefes Meer schmerzlich grollender Gedanken versinken.
„Was? Sie kennen ihn auch,“ rief Eduin überrascht, „und haben mir nie davon gesprochen, wenn ich Ihnen von ihm erzählte, wie er mir schon von Kind auf ein Vorbild war? Mit tiefster Innigkeit hab’ ich ihn immer geliebt und seine schöne Mutter, die, als sie mit ihm in das Haus des Vaters kam, mich zu ihrem Liebling machte und mich immer auf dem Schoos wiegte, ist meine frühste und liebste Erinnerung! Wie er dann eine Zeit lang unser Schloß mied und erst wiederkam, nachdem er reich und berühmt geworden, da sagt’ ich mir wohl oft: so will ich auch handeln und werden wie er! — Und er hatte mich auch recht lieb und war oft vergnügt mit mir und schickte mir immer gleich jedes seiner Lieder. Nun habe ich ihn seit ein paar Jahren nicht gesehen und plötzlich
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