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Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.

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er drängte mit sanfter Gewalt Elisabeth auf den Sitz und warf sich selbst auf die oberste Stufe, so daß er zu ihren Füßen saß.

"Elisabeth!" flüsterte er, und ihre Hand immer noch in der seinen haltend, sah er mit einem unbeschreiblichen Liebesblick zu ihr auf.

Sie las in diesem Blick, was er ihr zu sagen hatte, eine süße Beklemmung überfiel sie -- aber mit jungfräulicher Schüchternheit suchte sie seinem Geständniß auszuweichen, es noch zu verhindern, und sagte sanft aber ein Wenig zitternd: "Sie sagten mir, wie Sie zum Verständniß der Armuth gekommen, und ich bin Ihnen das Gleiche noch schuldig. Ich hatte im Institut, wo ich erzogen ward, einen Lehrer, den ich auf's Innigste verehre. Durch lange Krankheit seiner Gattin und ich weiß nicht, durch welches Mißgeschick noch, lebte er in der tiefsten Armuth, die er Jedermann verbarg. Aber ich habe erfahren, wie schrecklich auch dieser hohe Mensch darunter gelitten -- und er lehrte uns Mitleid haben mit dem Elend und der Noth der Niedriggeborenen; und als er zum letzten Mal von uns Abschied nahm von mir und von meiner guten Pauline, welche Sie gestern kennen lernten, so mußten wir ihm versprechen, auch in den Armen und Unwissenden den Menschen zu ehren und ein liebendes Schwesterherz ihnen zu bewahren. Pauline hat den größten Wirkungskreis

er drängte mit sanfter Gewalt Elisabeth auf den Sitz und warf sich selbst auf die oberste Stufe, so daß er zu ihren Füßen saß.

„Elisabeth!“ flüsterte er, und ihre Hand immer noch in der seinen haltend, sah er mit einem unbeschreiblichen Liebesblick zu ihr auf.

Sie las in diesem Blick, was er ihr zu sagen hatte, eine süße Beklemmung überfiel sie — aber mit jungfräulicher Schüchternheit suchte sie seinem Geständniß auszuweichen, es noch zu verhindern, und sagte sanft aber ein Wenig zitternd: „Sie sagten mir, wie Sie zum Verständniß der Armuth gekommen, und ich bin Ihnen das Gleiche noch schuldig. Ich hatte im Institut, wo ich erzogen ward, einen Lehrer, den ich auf’s Innigste verehre. Durch lange Krankheit seiner Gattin und ich weiß nicht, durch welches Mißgeschick noch, lebte er in der tiefsten Armuth, die er Jedermann verbarg. Aber ich habe erfahren, wie schrecklich auch dieser hohe Mensch darunter gelitten — und er lehrte uns Mitleid haben mit dem Elend und der Noth der Niedriggeborenen; und als er zum letzten Mal von uns Abschied nahm von mir und von meiner guten Pauline, welche Sie gestern kennen lernten, so mußten wir ihm versprechen, auch in den Armen und Unwissenden den Menschen zu ehren und ein liebendes Schwesterherz ihnen zu bewahren. Pauline hat den größten Wirkungskreis

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[175/0181] er drängte mit sanfter Gewalt Elisabeth auf den Sitz und warf sich selbst auf die oberste Stufe, so daß er zu ihren Füßen saß. „Elisabeth!“ flüsterte er, und ihre Hand immer noch in der seinen haltend, sah er mit einem unbeschreiblichen Liebesblick zu ihr auf. Sie las in diesem Blick, was er ihr zu sagen hatte, eine süße Beklemmung überfiel sie — aber mit jungfräulicher Schüchternheit suchte sie seinem Geständniß auszuweichen, es noch zu verhindern, und sagte sanft aber ein Wenig zitternd: „Sie sagten mir, wie Sie zum Verständniß der Armuth gekommen, und ich bin Ihnen das Gleiche noch schuldig. Ich hatte im Institut, wo ich erzogen ward, einen Lehrer, den ich auf’s Innigste verehre. Durch lange Krankheit seiner Gattin und ich weiß nicht, durch welches Mißgeschick noch, lebte er in der tiefsten Armuth, die er Jedermann verbarg. Aber ich habe erfahren, wie schrecklich auch dieser hohe Mensch darunter gelitten — und er lehrte uns Mitleid haben mit dem Elend und der Noth der Niedriggeborenen; und als er zum letzten Mal von uns Abschied nahm von mir und von meiner guten Pauline, welche Sie gestern kennen lernten, so mußten wir ihm versprechen, auch in den Armen und Unwissenden den Menschen zu ehren und ein liebendes Schwesterherz ihnen zu bewahren. Pauline hat den größten Wirkungskreis

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Zitationshilfe: Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/otto_schloss02_1846/181>, abgerufen am 31.10.2024.