Otto, Louise: Schloß und Fabrik, Bd. 2. Leipzig, 1846.Es war dieselbe späte Abendstunde, in welcher Franz, von Wilhelm wie von einem bösen Versucher aufgestachelt, auch in's Freie gelaufen war. Pauline war kaum in höchster Aufregung ein Stück gegangen, als ihr Franz begegnete. Sie wußte nicht, was sie that, sie stürzte wie außer sich auf ihn zu und rief: "Franz! Ich sehe Unheil über Sie kommen, über uns Alle -- aber Sie sind am Meisten bedroht. -- Wie können Sie Sich retten?" Er verstand sie nicht -- aber er hielt ihre Hand in der seinen; er sah ihr mit glühenden Blicken, wie er es noch nie gewagt hatte, in das bleiche, geängstete Angesicht. So schnell als möglich erzählte sie ihm die Unterredung des Geheimrathes mit ihrem Vater, dann die ihrige. -- Er hörte gespannt zu. -- Wie sie ihm auch ihre Worte zu ihrem Vater wiederholt hatte, sagte er mit innigstem Ton, aber schmerzlich bewegt: "Sie sind eine Schwester aller Unglücklichen, ich zähle Sie mit unter diesen." Sie verstand ihn -- "Franz!" rief sie mit leisem Vorwurf und lehnte das goldne Lockenhaupt an seine Schulter. Selige Schauer durchzogen ihn -- er wagte nicht, sie Es war dieselbe späte Abendstunde, in welcher Franz, von Wilhelm wie von einem bösen Versucher aufgestachelt, auch in’s Freie gelaufen war. Pauline war kaum in höchster Aufregung ein Stück gegangen, als ihr Franz begegnete. Sie wußte nicht, was sie that, sie stürzte wie außer sich auf ihn zu und rief: „Franz! Ich sehe Unheil über Sie kommen, über uns Alle — aber Sie sind am Meisten bedroht. — Wie können Sie Sich retten?“ Er verstand sie nicht — aber er hielt ihre Hand in der seinen; er sah ihr mit glühenden Blicken, wie er es noch nie gewagt hatte, in das bleiche, geängstete Angesicht. So schnell als möglich erzählte sie ihm die Unterredung des Geheimrathes mit ihrem Vater, dann die ihrige. — Er hörte gespannt zu. — Wie sie ihm auch ihre Worte zu ihrem Vater wiederholt hatte, sagte er mit innigstem Ton, aber schmerzlich bewegt: „Sie sind eine Schwester aller Unglücklichen, ich zähle Sie mit unter diesen.“ Sie verstand ihn — „Franz!“ rief sie mit leisem Vorwurf und lehnte das goldne Lockenhaupt an seine Schulter. Selige Schauer durchzogen ihn — er wagte nicht, sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0220" n="214"/> <p> Es war dieselbe späte Abendstunde, in welcher Franz, von Wilhelm wie von einem bösen Versucher aufgestachelt, auch in’s Freie gelaufen war.</p> <p>Pauline war kaum in höchster Aufregung ein Stück gegangen, als ihr Franz begegnete.</p> <p>Sie wußte nicht, was sie that, sie stürzte wie außer sich auf ihn zu und rief: „Franz! Ich sehe Unheil über Sie kommen, über uns Alle — aber Sie sind am Meisten bedroht. — Wie können Sie Sich retten?“</p> <p>Er verstand sie nicht — aber er hielt ihre Hand in der seinen; er sah ihr mit glühenden Blicken, wie er es noch nie gewagt hatte, in das bleiche, geängstete Angesicht.</p> <p>So schnell als möglich erzählte sie ihm die Unterredung des Geheimrathes mit ihrem Vater, dann die ihrige. — Er hörte gespannt zu. — Wie sie ihm auch ihre Worte zu ihrem Vater wiederholt hatte, sagte er mit innigstem Ton, aber schmerzlich bewegt:</p> <p>„Sie sind eine Schwester aller Unglücklichen, ich zähle Sie mit unter diesen.“</p> <p>Sie verstand ihn — „Franz!“ rief sie mit leisem Vorwurf und lehnte das goldne Lockenhaupt an seine Schulter.</p> <p>Selige Schauer durchzogen ihn — er wagte nicht, sie </p> </div> </body> </text> </TEI> [214/0220]
Es war dieselbe späte Abendstunde, in welcher Franz, von Wilhelm wie von einem bösen Versucher aufgestachelt, auch in’s Freie gelaufen war.
Pauline war kaum in höchster Aufregung ein Stück gegangen, als ihr Franz begegnete.
Sie wußte nicht, was sie that, sie stürzte wie außer sich auf ihn zu und rief: „Franz! Ich sehe Unheil über Sie kommen, über uns Alle — aber Sie sind am Meisten bedroht. — Wie können Sie Sich retten?“
Er verstand sie nicht — aber er hielt ihre Hand in der seinen; er sah ihr mit glühenden Blicken, wie er es noch nie gewagt hatte, in das bleiche, geängstete Angesicht.
So schnell als möglich erzählte sie ihm die Unterredung des Geheimrathes mit ihrem Vater, dann die ihrige. — Er hörte gespannt zu. — Wie sie ihm auch ihre Worte zu ihrem Vater wiederholt hatte, sagte er mit innigstem Ton, aber schmerzlich bewegt:
„Sie sind eine Schwester aller Unglücklichen, ich zähle Sie mit unter diesen.“
Sie verstand ihn — „Franz!“ rief sie mit leisem Vorwurf und lehnte das goldne Lockenhaupt an seine Schulter.
Selige Schauer durchzogen ihn — er wagte nicht, sie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Repository TextGrid: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-08-23T11:52:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Christoph Leijser, Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-23T11:52:15Z)
HATHI TRUST Digital Library: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-08-23T11:52:15Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |