Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].viele davon in meinen Aufzeichnungen antreffen, da sie mir bei allen Gelegenheiten unwillkührlich ins Gedächtniß kommen. Das ganze Wesen des Grosvaters Eichmann hatte etwas befehlendes; der Kopf glich dem eines Bullenbeißers, oder edler ausgedrückt dem eines Löwen. Auf der tiefgefurchten Stirn bäumte sich ein Wald von weißen Haaren empor, die durchdringenden blauen Augen, von buschigen weißen Brauen beschattet, konnten den freundlichsten und den drohendsten Ausdruck hervorbringen, an die mäßig gebogene Nase schloß sich eine sehr lange Oberlippe, der behagliche Mund stand zwischen zwei wohlgefüllten Wangen, welche meine Schwester, die alles mit ihm anfangen konnte, oft mit wahrem Wohlgefallen streichelte. Die Kraft der Zähne blieb ihm bis in's höchste Alter, so daß er noch im 80. Jahre, zur Verwunderung der ganzen Tischgesellschaft, Aprikosenkerne aufknackte. Meine Schwester nannte ihn wegen seines starken Bauches den dicken Grosvater, oder schlechtweg den Dicken, worüber er sich vor Lachen ausschütten wollte. Dafür nannte er sie, wegen ihrer dunkeln Hautfarbe, die Prinzessin von Marokko, was denn von ihrer Seite nicht mit Lachen, sondern oft mit Thränen erwiedert ward. Seine Jugend fiel in die Zeiten des siebenjährigen Krieges. Von der Schlacht bei seiner Vaterstadt Minden (1. Aug. 1759), die er als zwölfjähriger Knabe erlebte, wußte er manches zu erzählen, was von den Kindern mit großer Begierde aufgefaßt ward: wie vor der Schlacht die zusammengeraffte westphälische Landmiliz die Wälle der Stadt besetzt, und wie ein Milizsoldat, als die Kanonade losging, den Feinden zugerufen habe: Schießt nicht hieher, viele davon in meinen Aufzeichnungen antreffen, da sie mir bei allen Gelegenheiten unwillkührlich ins Gedächtniß kommen. Das ganze Wesen des Grosvaters Eichmann hatte etwas befehlendes; der Kopf glich dem eines Bullenbeißers, oder edler ausgedrückt dem eines Löwen. Auf der tiefgefurchten Stirn bäumte sich ein Wald von weißen Haaren empor, die durchdringenden blauen Augen, von buschigen weißen Brauen beschattet, konnten den freundlichsten und den drohendsten Ausdruck hervorbringen, an die mäßig gebogene Nase schloß sich eine sehr lange Oberlippe, der behagliche Mund stand zwischen zwei wohlgefüllten Wangen, welche meine Schwester, die alles mit ihm anfangen konnte, oft mit wahrem Wohlgefallen streichelte. Die Kraft der Zähne blieb ihm bis in’s höchste Alter, so daß er noch im 80. Jahre, zur Verwunderung der ganzen Tischgesellschaft, Aprikosenkerne aufknackte. Meine Schwester nannte ihn wegen seines starken Bauches den dicken Grosvater, oder schlechtweg den Dicken, worüber er sich vor Lachen ausschütten wollte. Dafür nannte er sie, wegen ihrer dunkeln Hautfarbe, die Prinzessin von Marokko, was denn von ihrer Seite nicht mit Lachen, sondern oft mit Thränen erwiedert ward. Seine Jugend fiel in die Zeiten des siebenjährigen Krieges. Von der Schlacht bei seiner Vaterstadt Minden (1. Aug. 1759), die er als zwölfjähriger Knabe erlebte, wußte er manches zu erzählen, was von den Kindern mit großer Begierde aufgefaßt ward: wie vor der Schlacht die zusammengeraffte westphälische Landmiliz die Wälle der Stadt besetzt, und wie ein Milizsoldat, als die Kanonade losging, den Feinden zugerufen habe: Schießt nicht hieher, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div> <p><pb facs="#f0225" n="213"/> viele davon in meinen Aufzeichnungen antreffen, da sie mir bei allen Gelegenheiten unwillkührlich ins Gedächtniß kommen. </p><lb/> <p>Das ganze Wesen des Grosvaters Eichmann hatte etwas befehlendes; der Kopf glich dem eines Bullenbeißers, oder edler ausgedrückt dem eines Löwen. Auf der tiefgefurchten Stirn bäumte sich ein Wald von weißen Haaren empor, die durchdringenden blauen Augen, von buschigen weißen Brauen beschattet, konnten den freundlichsten und den drohendsten Ausdruck hervorbringen, an die mäßig gebogene Nase schloß sich eine sehr lange Oberlippe, der behagliche Mund stand zwischen zwei wohlgefüllten Wangen, welche meine Schwester, die alles mit ihm anfangen konnte, oft mit wahrem Wohlgefallen streichelte. Die Kraft der Zähne blieb ihm bis in’s höchste Alter, so daß er noch im 80. Jahre, zur Verwunderung der ganzen Tischgesellschaft, Aprikosenkerne aufknackte. Meine Schwester nannte ihn wegen seines starken Bauches den dicken Grosvater, oder schlechtweg den Dicken, worüber er sich vor Lachen ausschütten wollte. Dafür nannte er sie, wegen ihrer dunkeln Hautfarbe, die Prinzessin von Marokko, was denn von ihrer Seite nicht mit Lachen, sondern oft mit Thränen erwiedert ward. </p><lb/> <p>Seine Jugend fiel in die Zeiten des siebenjährigen Krieges. Von der Schlacht bei seiner Vaterstadt Minden (1. Aug. 1759), die er als zwölfjähriger Knabe erlebte, wußte er manches zu erzählen, was von den Kindern mit großer Begierde aufgefaßt ward: wie vor der Schlacht die zusammengeraffte westphälische Landmiliz die Wälle der Stadt besetzt, und wie ein Milizsoldat, als die Kanonade losging, den Feinden zugerufen habe: Schießt nicht hieher, </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [213/0225]
viele davon in meinen Aufzeichnungen antreffen, da sie mir bei allen Gelegenheiten unwillkührlich ins Gedächtniß kommen.
Das ganze Wesen des Grosvaters Eichmann hatte etwas befehlendes; der Kopf glich dem eines Bullenbeißers, oder edler ausgedrückt dem eines Löwen. Auf der tiefgefurchten Stirn bäumte sich ein Wald von weißen Haaren empor, die durchdringenden blauen Augen, von buschigen weißen Brauen beschattet, konnten den freundlichsten und den drohendsten Ausdruck hervorbringen, an die mäßig gebogene Nase schloß sich eine sehr lange Oberlippe, der behagliche Mund stand zwischen zwei wohlgefüllten Wangen, welche meine Schwester, die alles mit ihm anfangen konnte, oft mit wahrem Wohlgefallen streichelte. Die Kraft der Zähne blieb ihm bis in’s höchste Alter, so daß er noch im 80. Jahre, zur Verwunderung der ganzen Tischgesellschaft, Aprikosenkerne aufknackte. Meine Schwester nannte ihn wegen seines starken Bauches den dicken Grosvater, oder schlechtweg den Dicken, worüber er sich vor Lachen ausschütten wollte. Dafür nannte er sie, wegen ihrer dunkeln Hautfarbe, die Prinzessin von Marokko, was denn von ihrer Seite nicht mit Lachen, sondern oft mit Thränen erwiedert ward.
Seine Jugend fiel in die Zeiten des siebenjährigen Krieges. Von der Schlacht bei seiner Vaterstadt Minden (1. Aug. 1759), die er als zwölfjähriger Knabe erlebte, wußte er manches zu erzählen, was von den Kindern mit großer Begierde aufgefaßt ward: wie vor der Schlacht die zusammengeraffte westphälische Landmiliz die Wälle der Stadt besetzt, und wie ein Milizsoldat, als die Kanonade losging, den Feinden zugerufen habe: Schießt nicht hieher,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/225 |
Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/225>, abgerufen am 17.06.2024. |