Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871].sagte, als er zurückkam, zu meinem Vater: im Finstern habe er eben wieder seine Phantasmen gesehn; als er die Thür öffnete und ein Lichtstrahl in das Kabinet fiel, seien sie verschwunden. Dieser Aeußerung erinnerte ich mich sehr genau, als ich viele Jahre später seine Abhandlung las. Beinahe noch merkwürdiger als diese Phantasmen selbst ist mir immer die Anwendung erschienen, die Nicolai davon auf das Fichtesche Nichtich machte, welches die Publikation jener Nachrichten veranlaßte. Nicolai besuchte in seinen letzten Jahren noch sehr regelmäßig den Montagsclub, eine geschlossene Gesellschaft, die i. J. 1749 von J. G. Schultheß gestiftet, noch jetzt (1870), so viel ich weiß, sich einer großen Anzahl von Mitgliedern erfreut. Außerdem hatte er ein Donnerstagskränzchen, das bei den Theilnehmern herumging, und dem mehrere Notabilitäten der damaligen Zeit angehörten. Nur zwei davon kann ich anführen, weil sie durch Fritzens Nachahmungstalent immer in frischem Andenken erhalten wurden. Der Groskanzler v. Goldbeck, früherer Justizminister, war ein wohlgebauter, feiner Mann von gemessenem Wesen und langsamer Sprache. Er hatte sich die diätetische Regel gemacht, alle Abende eine schwarze Biersuppe mit Kümmel zu essen, und diese durfte natürlich beim Donnerstagskränzchen nicht fehlen. Wenn Fritz sich die blonden Haare aus der Stirn nach hinten strich, die Augen etwas zukniff und die Mundwinkel in die Höhe zog, so ließ sich ein kleines Ebenbild des Groskanzlers gar nicht verkennen. sagte, als er zurückkam, zu meinem Vater: im Finstern habe er eben wieder seine Phantasmen gesehn; als er die Thür öffnete und ein Lichtstrahl in das Kabinet fiel, seien sie verschwunden. Dieser Aeußerung erinnerte ich mich sehr genau, als ich viele Jahre später seine Abhandlung las. Beinahe noch merkwürdiger als diese Phantasmen selbst ist mir immer die Anwendung erschienen, die Nicolai davon auf das Fichtesche Nichtich machte, welches die Publikation jener Nachrichten veranlaßte. Nicolai besuchte in seinen letzten Jahren noch sehr regelmäßig den Montagsclub, eine geschlossene Gesellschaft, die i. J. 1749 von J. G. Schultheß gestiftet, noch jetzt (1870), so viel ich weiß, sich einer großen Anzahl von Mitgliedern erfreut. Außerdem hatte er ein Donnerstagskränzchen, das bei den Theilnehmern herumging, und dem mehrere Notabilitäten der damaligen Zeit angehörten. Nur zwei davon kann ich anführen, weil sie durch Fritzens Nachahmungstalent immer in frischem Andenken erhalten wurden. Der Groskanzler v. Goldbeck, früherer Justizminister, war ein wohlgebauter, feiner Mann von gemessenem Wesen und langsamer Sprache. Er hatte sich die diätetische Regel gemacht, alle Abende eine schwarze Biersuppe mit Kümmel zu essen, und diese durfte natürlich beim Donnerstagskränzchen nicht fehlen. Wenn Fritz sich die blonden Haare aus der Stirn nach hinten strich, die Augen etwas zukniff und die Mundwinkel in die Höhe zog, so ließ sich ein kleines Ebenbild des Groskanzlers gar nicht verkennen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0055" n="43"/> sagte, als er zurückkam, zu meinem Vater: im Finstern habe er eben wieder seine Phantasmen gesehn; als er die Thür öffnete und ein Lichtstrahl in das Kabinet fiel, seien sie verschwunden. Dieser Aeußerung erinnerte ich mich sehr genau, als ich viele Jahre später seine Abhandlung las. Beinahe noch merkwürdiger als diese Phantasmen selbst ist mir immer die Anwendung erschienen, die Nicolai davon auf das Fichtesche Nichtich machte, welches die Publikation jener Nachrichten veranlaßte. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Nicolai besuchte in seinen letzten Jahren noch sehr regelmäßig den Montagsclub, eine geschlossene Gesellschaft, die i. J. 1749 von J. G. Schultheß gestiftet, noch jetzt (1870), so viel ich weiß, sich einer großen Anzahl von Mitgliedern erfreut. Außerdem hatte er ein Donnerstagskränzchen, das bei den Theilnehmern herumging, und dem mehrere Notabilitäten der damaligen Zeit angehörten. Nur zwei davon kann ich anführen, weil sie durch Fritzens Nachahmungstalent immer in frischem Andenken erhalten wurden. </p><lb/> <p>Der Groskanzler v. Goldbeck, früherer Justizminister, war ein wohlgebauter, feiner Mann von gemessenem Wesen und langsamer Sprache. Er hatte sich die diätetische Regel gemacht, alle Abende eine schwarze Biersuppe mit Kümmel zu essen, und diese durfte natürlich beim Donnerstagskränzchen nicht fehlen. Wenn Fritz sich die blonden Haare aus der Stirn nach hinten strich, die Augen etwas zukniff und die Mundwinkel in die Höhe zog, so ließ sich ein kleines Ebenbild des Groskanzlers gar nicht verkennen. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [43/0055]
sagte, als er zurückkam, zu meinem Vater: im Finstern habe er eben wieder seine Phantasmen gesehn; als er die Thür öffnete und ein Lichtstrahl in das Kabinet fiel, seien sie verschwunden. Dieser Aeußerung erinnerte ich mich sehr genau, als ich viele Jahre später seine Abhandlung las. Beinahe noch merkwürdiger als diese Phantasmen selbst ist mir immer die Anwendung erschienen, die Nicolai davon auf das Fichtesche Nichtich machte, welches die Publikation jener Nachrichten veranlaßte.
Nicolai besuchte in seinen letzten Jahren noch sehr regelmäßig den Montagsclub, eine geschlossene Gesellschaft, die i. J. 1749 von J. G. Schultheß gestiftet, noch jetzt (1870), so viel ich weiß, sich einer großen Anzahl von Mitgliedern erfreut. Außerdem hatte er ein Donnerstagskränzchen, das bei den Theilnehmern herumging, und dem mehrere Notabilitäten der damaligen Zeit angehörten. Nur zwei davon kann ich anführen, weil sie durch Fritzens Nachahmungstalent immer in frischem Andenken erhalten wurden.
Der Groskanzler v. Goldbeck, früherer Justizminister, war ein wohlgebauter, feiner Mann von gemessenem Wesen und langsamer Sprache. Er hatte sich die diätetische Regel gemacht, alle Abende eine schwarze Biersuppe mit Kümmel zu essen, und diese durfte natürlich beim Donnerstagskränzchen nicht fehlen. Wenn Fritz sich die blonden Haare aus der Stirn nach hinten strich, die Augen etwas zukniff und die Mundwinkel in die Höhe zog, so ließ sich ein kleines Ebenbild des Groskanzlers gar nicht verkennen.
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Zitationshilfe: | Parthey, Gustav: Jugenderinnerungen. Bd. 1. Berlin, [1871], S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/parthey_jugenderinnerungen01_1871/55>, abgerufen am 15.06.2024. |