Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

weniger darauf vorbereitet war als ich -- ent¬
glitschte vom erschrocknen erkälteten Ringfinger
unser großer Ring der Ewigkeit, und sie sagte im
Schrecken ohne Bewußtseyn verflucht grob: Herr
von Lumpenhund!

Wer in Berlin war, wundert sich gar nicht,
sondern weiß, wie man da zuweilen angeredet
wird, wenn man zwar von Stand und folglich
nicht zu bezahlen ist, aber auch nicht zu bezahlen
hat. Ich muthmasse, ich wäre damals gestor¬
ben in der Friedrichs-Straße, wär' ich nicht zu
meinem Glücke erkrankt an einem hitzigen Fieber.
Die Krankheit -- weniger der Arzt -- rettete mich.
Sie, H. Flitte, wurden, hör' ich, von der Ihrigen
auf dem Thurm durch die Kunst gerettet; wahr¬
scheinlich also eine ganz andere als die meinige.
Mein Fieber organisirte mich so sonderbar, daß
mir nicht nur die alten Haare ausfielen -- blos
zu einem Titus behielt ich schwachen kurzen Pelz
-- sondern auch die alten Ideen, vorzüglich ver¬
drüßliche.

Platner bemerkt recht gut, -- so wie den te¬
leologischen Vortheil davon -- daß das Gedächt¬

weniger darauf vorbereitet war als ich — ent¬
glitſchte vom erſchrocknen erkaͤlteten Ringfinger
unſer großer Ring der Ewigkeit, und ſie ſagte im
Schrecken ohne Bewußtſeyn verflucht grob: Herr
von Lumpenhund!

Wer in Berlin war, wundert ſich gar nicht,
ſondern weiß, wie man da zuweilen angeredet
wird, wenn man zwar von Stand und folglich
nicht zu bezahlen iſt, aber auch nicht zu bezahlen
hat. Ich muthmaſſe, ich waͤre damals geſtor¬
ben in der Friedrichs-Straße, waͤr' ich nicht zu
meinem Gluͤcke erkrankt an einem hitzigen Fieber.
Die Krankheit — weniger der Arzt — rettete mich.
Sie, H. Flitte, wurden, hoͤr' ich, von der Ihrigen
auf dem Thurm durch die Kunſt gerettet; wahr¬
ſcheinlich alſo eine ganz andere als die meinige.
Mein Fieber organiſirte mich ſo ſonderbar, daß
mir nicht nur die alten Haare ausfielen — blos
zu einem Titus behielt ich ſchwachen kurzen Pelz
— ſondern auch die alten Ideen, vorzuͤglich ver¬
druͤßliche.

Platner bemerkt recht gut, — ſo wie den te¬
leologiſchen Vortheil davon — daß das Gedaͤcht¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0100" n="94"/>
weniger darauf vorbereitet war als ich &#x2014; ent¬<lb/>
glit&#x017F;chte vom er&#x017F;chrocknen erka&#x0364;lteten Ringfinger<lb/>
un&#x017F;er großer Ring der Ewigkeit, und &#x017F;ie &#x017F;agte im<lb/>
Schrecken ohne Bewußt&#x017F;eyn verflucht grob: Herr<lb/>
von Lumpenhund!</p><lb/>
        <p>Wer in Berlin war, wundert &#x017F;ich gar nicht,<lb/>
&#x017F;ondern weiß, wie man da zuweilen angeredet<lb/>
wird, wenn man zwar von Stand und folglich<lb/>
nicht zu bezahlen i&#x017F;t, aber auch nicht zu bezahlen<lb/>
hat. Ich muthma&#x017F;&#x017F;e, ich wa&#x0364;re damals ge&#x017F;tor¬<lb/>
ben in der Friedrichs-Straße, wa&#x0364;r' ich nicht zu<lb/>
meinem Glu&#x0364;cke erkrankt an einem hitzigen Fieber.<lb/>
Die Krankheit &#x2014; weniger der Arzt &#x2014; rettete mich.<lb/>
Sie, H. Flitte, wurden, ho&#x0364;r' ich, von der Ihrigen<lb/>
auf dem Thurm durch die Kun&#x017F;t gerettet; wahr¬<lb/>
&#x017F;cheinlich al&#x017F;o eine ganz andere als die meinige.<lb/>
Mein Fieber organi&#x017F;irte mich &#x017F;o &#x017F;onderbar, daß<lb/>
mir nicht nur die alten Haare ausfielen &#x2014; blos<lb/>
zu einem Titus behielt ich &#x017F;chwachen kurzen Pelz<lb/>
&#x2014; &#x017F;ondern auch die alten Ideen, vorzu&#x0364;glich ver¬<lb/>
dru&#x0364;ßliche.</p><lb/>
        <p>Platner bemerkt recht gut, &#x2014; &#x017F;o wie den te¬<lb/>
leologi&#x017F;chen Vortheil davon &#x2014; daß das Geda&#x0364;cht¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[94/0100] weniger darauf vorbereitet war als ich — ent¬ glitſchte vom erſchrocknen erkaͤlteten Ringfinger unſer großer Ring der Ewigkeit, und ſie ſagte im Schrecken ohne Bewußtſeyn verflucht grob: Herr von Lumpenhund! Wer in Berlin war, wundert ſich gar nicht, ſondern weiß, wie man da zuweilen angeredet wird, wenn man zwar von Stand und folglich nicht zu bezahlen iſt, aber auch nicht zu bezahlen hat. Ich muthmaſſe, ich waͤre damals geſtor¬ ben in der Friedrichs-Straße, waͤr' ich nicht zu meinem Gluͤcke erkrankt an einem hitzigen Fieber. Die Krankheit — weniger der Arzt — rettete mich. Sie, H. Flitte, wurden, hoͤr' ich, von der Ihrigen auf dem Thurm durch die Kunſt gerettet; wahr¬ ſcheinlich alſo eine ganz andere als die meinige. Mein Fieber organiſirte mich ſo ſonderbar, daß mir nicht nur die alten Haare ausfielen — blos zu einem Titus behielt ich ſchwachen kurzen Pelz — ſondern auch die alten Ideen, vorzuͤglich ver¬ druͤßliche. Platner bemerkt recht gut, — ſo wie den te¬ leologiſchen Vortheil davon — daß das Gedaͤcht¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/100
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/100>, abgerufen am 14.06.2024.