und Germanismus in der weiblichen Grammatik ist. Er hatt' es längst gelernt, die flüchtigen Salze des weiblichen Witzes mit den fixen des männlichen zu binden, so wie das, in großen Zirkeln jede Seele, jede Raupe auf das rechte Nahrungsblatt zu setzen.
Für ihn, der einmal gesagt: "ich wollte, ich "hätte wenigstens viermal des Jahrs mit Damen zu "konversiren, bei denen man so viel Tournure an¬ "bringen müßte, daß man gar nicht wüßte, was man "wollte und die fein bis zum Unsinn wären" -- für ihn war eine hohe Dame wie die Aebtissin, die man seit dem Niederlegen ihres Oberhofmeister¬ thums ein klein, klein wenig mit einer Preziösen verwechseln konnte, ein wahres Labsal: denn er konnte ihr doch die physiognomischen Fragmente vom Hofe mit tausend Wendungen, d. h. ein Voll¬ gesicht durch fünf Punkte vorzeichnen. Aber er hatte dabei die noch edlere Absicht, seine anbetende Aufmerksamkeit, sein in Gestalt einer Thräne ins Auge tretende Herz von seiner geliebten Klotilde wegzurufen, um ihr eine ganz andere Aufmerksamkeit zu ersparen als die seinige. Auf eine sonderbare Weise zog immer gerade sein satirisches Gefühl sei¬ nen ernsten Gefühlen, seiner erweichten Seele die Mosis Decke ab -- er schämte sich nämlich keiner Thräne, blos weil er wußte, daß ihn seine Laune
und Germanismus in der weiblichen Grammatik iſt. Er hatt' es laͤngſt gelernt, die fluͤchtigen Salze des weiblichen Witzes mit den fixen des maͤnnlichen zu binden, ſo wie das, in großen Zirkeln jede Seele, jede Raupe auf das rechte Nahrungsblatt zu ſetzen.
Fuͤr ihn, der einmal geſagt: »ich wollte, ich »haͤtte wenigſtens viermal des Jahrs mit Damen zu »konverſiren, bei denen man ſo viel Tournure an¬ »bringen muͤßte, daß man gar nicht wuͤßte, was man »wollte und die fein bis zum Unſinn waͤren» — fuͤr ihn war eine hohe Dame wie die Aebtiſſin, die man ſeit dem Niederlegen ihres Oberhofmeiſter¬ thums ein klein, klein wenig mit einer Prezioͤſen verwechſeln konnte, ein wahres Labſal: denn er konnte ihr doch die phyſiognomiſchen Fragmente vom Hofe mit tauſend Wendungen, d. h. ein Voll¬ geſicht durch fuͤnf Punkte vorzeichnen. Aber er hatte dabei die noch edlere Abſicht, ſeine anbetende Aufmerkſamkeit, ſein in Geſtalt einer Thraͤne ins Auge tretende Herz von ſeiner geliebten Klotilde wegzurufen, um ihr eine ganz andere Aufmerkſamkeit zu erſparen als die ſeinige. Auf eine ſonderbare Weiſe zog immer gerade ſein ſatiriſches Gefuͤhl ſei¬ nen ernſten Gefuͤhlen, ſeiner erweichten Seele die Moſis Decke ab — er ſchaͤmte ſich naͤmlich keiner Thraͤne, blos weil er wußte, daß ihn ſeine Laune
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und Germanismus in der weiblichen Grammatik iſt.
Er hatt' es laͤngſt gelernt, die fluͤchtigen Salze
des weiblichen Witzes mit den fixen des maͤnnlichen
zu binden, ſo wie das, in großen Zirkeln jede Seele,
jede Raupe auf das rechte Nahrungsblatt zu
ſetzen.
Fuͤr ihn, der einmal geſagt: »ich wollte, ich
»haͤtte wenigſtens viermal des Jahrs mit Damen zu
»konverſiren, bei denen man ſo viel Tournure an¬
»bringen muͤßte, daß man gar nicht wuͤßte, was man
»wollte und die fein bis zum Unſinn waͤren» —
fuͤr ihn war eine hohe Dame wie die Aebtiſſin, die
man ſeit dem Niederlegen ihres Oberhofmeiſter¬
thums ein klein, klein wenig mit einer Prezioͤſen
verwechſeln konnte, ein wahres Labſal: denn er
konnte ihr doch die phyſiognomiſchen Fragmente
vom Hofe mit tauſend Wendungen, d. h. ein Voll¬
geſicht durch fuͤnf Punkte vorzeichnen. Aber er
hatte dabei die noch edlere Abſicht, ſeine anbetende
Aufmerkſamkeit, ſein in Geſtalt einer Thraͤne ins
Auge tretende Herz von ſeiner geliebten Klotilde
wegzurufen, um ihr eine ganz andere Aufmerkſamkeit
zu erſparen als die ſeinige. Auf eine ſonderbare
Weiſe zog immer gerade ſein ſatiriſches Gefuͤhl ſei¬
nen ernſten Gefuͤhlen, ſeiner erweichten Seele die
Moſis Decke ab — er ſchaͤmte ſich naͤmlich keiner
Thraͤne, blos weil er wußte, daß ihn ſeine Laune
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/165>, abgerufen am 10.11.2024.
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