Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828.XI. Wer hätte nie von deiner Macht erfahren? Wer hätte je dich anzuschau'n bereuet? Wie viele Reize liegen hingestreuet Auf diesen Wangen, diesen schönen Haaren! Du bist so zart, du bist so jung an Jahren, Durch jede Huldigung des Glücks erfreuet; Doch wer die List in deinem Busen scheuet, Der mag vor dir sich Tag und Nacht bewahren! Noch prahlt ein Baum mit manchem frischen Aste, Die Blätter bilden noch geräum'ge Lauben, Da schon Zerstörung wüthet unter'm Baste. Doch soll mir frostige Betrachtung rauben Den süßen Schatten, unter dem ich raste? Nein, deine Schönheit fordert blinden Glauben! XI. Wer haͤtte nie von deiner Macht erfahren? Wer haͤtte je dich anzuſchau'n bereuet? Wie viele Reize liegen hingeſtreuet Auf dieſen Wangen, dieſen ſchoͤnen Haaren! Du biſt ſo zart, du biſt ſo jung an Jahren, Durch jede Huldigung des Gluͤcks erfreuet; Doch wer die Liſt in deinem Buſen ſcheuet, Der mag vor dir ſich Tag und Nacht bewahren! Noch prahlt ein Baum mit manchem friſchen Aſte, Die Blaͤtter bilden noch geraͤum'ge Lauben, Da ſchon Zerſtoͤrung wuͤthet unter'm Baſte. Doch ſoll mir froſtige Betrachtung rauben Den ſuͤßen Schatten, unter dem ich raſte? Nein, deine Schoͤnheit fordert blinden Glauben! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0189" n="179"/> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#aq">XI.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">W</hi>er haͤtte nie von deiner Macht erfahren?</l><lb/> <l>Wer haͤtte je dich anzuſchau'n bereuet?</l><lb/> <l>Wie viele Reize liegen hingeſtreuet</l><lb/> <l>Auf dieſen Wangen, dieſen ſchoͤnen Haaren!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Du biſt ſo zart, du biſt ſo jung an Jahren,</l><lb/> <l>Durch jede Huldigung des Gluͤcks erfreuet;</l><lb/> <l>Doch wer die Liſt in deinem Buſen ſcheuet,</l><lb/> <l>Der mag vor dir ſich Tag und Nacht bewahren!</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Noch prahlt ein Baum mit manchem friſchen Aſte,</l><lb/> <l>Die Blaͤtter bilden noch geraͤum'ge Lauben,</l><lb/> <l>Da ſchon Zerſtoͤrung wuͤthet unter'm Baſte.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Doch ſoll mir froſtige Betrachtung rauben</l><lb/> <l>Den ſuͤßen Schatten, unter dem ich raſte?</l><lb/> <l>Nein, deine Schoͤnheit fordert blinden Glauben!</l><lb/> </lg> </lg> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [179/0189]
XI.
Wer haͤtte nie von deiner Macht erfahren?
Wer haͤtte je dich anzuſchau'n bereuet?
Wie viele Reize liegen hingeſtreuet
Auf dieſen Wangen, dieſen ſchoͤnen Haaren!
Du biſt ſo zart, du biſt ſo jung an Jahren,
Durch jede Huldigung des Gluͤcks erfreuet;
Doch wer die Liſt in deinem Buſen ſcheuet,
Der mag vor dir ſich Tag und Nacht bewahren!
Noch prahlt ein Baum mit manchem friſchen Aſte,
Die Blaͤtter bilden noch geraͤum'ge Lauben,
Da ſchon Zerſtoͤrung wuͤthet unter'm Baſte.
Doch ſoll mir froſtige Betrachtung rauben
Den ſuͤßen Schatten, unter dem ich raſte?
Nein, deine Schoͤnheit fordert blinden Glauben!
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Zitationshilfe: | Platen, August von: Gedichte. Stuttgart, 1828, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/platen_gedichte_1828/189>, abgerufen am 18.06.2024. |