lächerlichen Residenzschloß da unten! Das sind ihre Fenster -- seht ihr, und so sollen meine Spiegel¬ scheiben auch noch einmal leuchten, und noch viel heller! Deine Mutter braucht keine Kronleuchter über sich und keine türkischen Teppiche, und wäre sie meine Mutter und ich ihr Kind, so wollte ich auch nichts davon. Aber jetzt bin ich meines Vaters und meiner Mutter Kind und eine freie Republikanerin und Amerikanerin, und ich glaube an meinen Vater und werde auch meine Salons haben und Bediente, schwarze und weiße, Kammerfrauen und hohe Fenster, Kronleuchter und Teppiche und Reitpferde und Wagen und Pferde und meine Loge im Theater und alles Andere! Ja, und nun geh nur hin, Velten, und sage es Deiner Mutter, was ich gesagt habe und daß alle ihre Güte und Lehre an mich weggeworfen gewesen ist; aber sage ihr auch, daß ich so schreien muß, ich weiß nicht was, nur weil ihr Alle, Alle mich dazu getrieben habt, Jeder auf seine Art. Ach Gott, was bin ich für ein armes Mädchen und so unglücklich in der Welt!". . .
Vor einem Jahre noch würde Velten Andres, kreischend vor Vergnügen ob dieses "himmlischen Witzes", dieser "ausgezeichneten Komödie", sich auf den Kopf vor der Bank auf dem Osterberge gestellt haben. Jetzt war dem schon nicht mehr so. Er
lächerlichen Reſidenzſchloß da unten! Das ſind ihre Fenſter — ſeht ihr, und ſo ſollen meine Spiegel¬ ſcheiben auch noch einmal leuchten, und noch viel heller! Deine Mutter braucht keine Kronleuchter über ſich und keine türkiſchen Teppiche, und wäre ſie meine Mutter und ich ihr Kind, ſo wollte ich auch nichts davon. Aber jetzt bin ich meines Vaters und meiner Mutter Kind und eine freie Republikanerin und Amerikanerin, und ich glaube an meinen Vater und werde auch meine Salons haben und Bediente, ſchwarze und weiße, Kammerfrauen und hohe Fenſter, Kronleuchter und Teppiche und Reitpferde und Wagen und Pferde und meine Loge im Theater und alles Andere! Ja, und nun geh nur hin, Velten, und ſage es Deiner Mutter, was ich geſagt habe und daß alle ihre Güte und Lehre an mich weggeworfen geweſen iſt; aber ſage ihr auch, daß ich ſo ſchreien muß, ich weiß nicht was, nur weil ihr Alle, Alle mich dazu getrieben habt, Jeder auf ſeine Art. Ach Gott, was bin ich für ein armes Mädchen und ſo unglücklich in der Welt!“. . .
Vor einem Jahre noch würde Velten Andres, kreiſchend vor Vergnügen ob dieſes „himmliſchen Witzes“, dieſer „ausgezeichneten Komödie“, ſich auf den Kopf vor der Bank auf dem Oſterberge geſtellt haben. Jetzt war dem ſchon nicht mehr ſo. Er
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0082"n="72"/>
lächerlichen Reſidenzſchloß da unten! Das ſind ihre<lb/>
Fenſter —ſeht ihr, und ſo ſollen meine Spiegel¬<lb/>ſcheiben auch noch einmal leuchten, und noch viel<lb/>
heller! Deine Mutter braucht keine Kronleuchter über<lb/>ſich und keine türkiſchen Teppiche, und wäre ſie meine<lb/>
Mutter und ich ihr Kind, ſo wollte ich auch nichts<lb/>
davon. Aber jetzt bin ich meines Vaters und meiner<lb/>
Mutter Kind und eine freie Republikanerin und<lb/>
Amerikanerin, und ich glaube an meinen Vater und<lb/>
werde auch meine Salons haben und Bediente,<lb/>ſchwarze und weiße, Kammerfrauen und hohe Fenſter,<lb/>
Kronleuchter und Teppiche und Reitpferde und Wagen<lb/>
und Pferde und meine Loge im Theater und alles<lb/>
Andere! Ja, und nun geh nur hin, Velten, und<lb/>ſage es Deiner Mutter, was ich geſagt habe und<lb/>
daß alle ihre Güte und Lehre an mich weggeworfen<lb/>
geweſen iſt; aber ſage ihr auch, daß ich ſo ſchreien<lb/>
muß, ich weiß nicht was, nur weil ihr Alle, Alle<lb/>
mich dazu getrieben habt, Jeder auf ſeine Art. Ach<lb/>
Gott, was bin ich für ein armes Mädchen und ſo<lb/>
unglücklich in der Welt!“. . .</p><lb/><p>Vor einem Jahre noch würde Velten Andres,<lb/>
kreiſchend vor Vergnügen ob dieſes „himmliſchen<lb/>
Witzes“, dieſer „ausgezeichneten Komödie“, ſich auf<lb/>
den Kopf vor der Bank auf dem Oſterberge geſtellt<lb/>
haben. Jetzt war dem ſchon nicht mehr ſo. Er<lb/></p></body></text></TEI>
[72/0082]
lächerlichen Reſidenzſchloß da unten! Das ſind ihre
Fenſter — ſeht ihr, und ſo ſollen meine Spiegel¬
ſcheiben auch noch einmal leuchten, und noch viel
heller! Deine Mutter braucht keine Kronleuchter über
ſich und keine türkiſchen Teppiche, und wäre ſie meine
Mutter und ich ihr Kind, ſo wollte ich auch nichts
davon. Aber jetzt bin ich meines Vaters und meiner
Mutter Kind und eine freie Republikanerin und
Amerikanerin, und ich glaube an meinen Vater und
werde auch meine Salons haben und Bediente,
ſchwarze und weiße, Kammerfrauen und hohe Fenſter,
Kronleuchter und Teppiche und Reitpferde und Wagen
und Pferde und meine Loge im Theater und alles
Andere! Ja, und nun geh nur hin, Velten, und
ſage es Deiner Mutter, was ich geſagt habe und
daß alle ihre Güte und Lehre an mich weggeworfen
geweſen iſt; aber ſage ihr auch, daß ich ſo ſchreien
muß, ich weiß nicht was, nur weil ihr Alle, Alle
mich dazu getrieben habt, Jeder auf ſeine Art. Ach
Gott, was bin ich für ein armes Mädchen und ſo
unglücklich in der Welt!“. . .
Vor einem Jahre noch würde Velten Andres,
kreiſchend vor Vergnügen ob dieſes „himmliſchen
Witzes“, dieſer „ausgezeichneten Komödie“, ſich auf
den Kopf vor der Bank auf dem Oſterberge geſtellt
haben. Jetzt war dem ſchon nicht mehr ſo. Er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Raabe, Wilhelm: Die Akten des Vogelsangs. Berlin, 1896, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_akten_1896/82>, abgerufen am 10.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.