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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.

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"Dieses weniger!" erschallt unten die Schülerredens-
art und mich wundert wirklich, daß der Bengel diesmal
nicht die noch dazu gehörende weise Benachrichtigung
damit verbindet: Aber mein Bruder bläst die Flöte. --

"Hast Du Dein Exer?" (scilicet citium) ruft Elise. --

"Versteht sich; fix und fertig, komm herunter, Du
kannst es ihm herauf bringen."

Elise sieht mich fragend an und ich nicke. Herunter
ist sie wie der Blitz und ich gehe ans offene Fenster,
hüte mich aber wohl, etwas von meiner werthen Persön-
lichkeit sehen zu lassen.

"Du bist aber schnell damit fertig geworden, Gustav!"
sagt Elise und ich stelle mir oben lebhaft vor, wie der
Schlingel grinst, als er ihr sein Machwerk einhändigt.

"Mit Geduld und Spucke
Fängt man jede Mucke!"

lautet die Antwort: "Hier, nimm Dich in Acht, es
ist noch naß; und höre Lischen -- komm schnell wieder
herunter, eh er hereingekuckt hat; er könnte mich noch
zurückrufen!" --

"Taugenichts! -- das mag was Schönes sein!"
moralisirt Elise, die ich nun die Treppe heraufkommen
höre. --

"Da ist's Onkel!" ruft sie in die kaum handbreit
geöffnete Thür, wirft das edle Manuscript auf den

„Dieſes weniger!“ erſchallt unten die Schülerredens-
art und mich wundert wirklich, daß der Bengel diesmal
nicht die noch dazu gehörende weiſe Benachrichtigung
damit verbindet: Aber mein Bruder bläſt die Flöte. —

„Haſt Du Dein Exer?“ (scilicet citium) ruft Eliſe. —

„Verſteht ſich; fix und fertig, komm herunter, Du
kannſt es ihm herauf bringen.“

Eliſe ſieht mich fragend an und ich nicke. Herunter
iſt ſie wie der Blitz und ich gehe ans offene Fenſter,
hüte mich aber wohl, etwas von meiner werthen Perſön-
lichkeit ſehen zu laſſen.

„Du biſt aber ſchnell damit fertig geworden, Guſtav!“
ſagt Eliſe und ich ſtelle mir oben lebhaft vor, wie der
Schlingel grinſt, als er ihr ſein Machwerk einhändigt.

„Mit Geduld und Spucke
Fängt man jede Mucke!“

lautet die Antwort: „Hier, nimm Dich in Acht, es
iſt noch naß; und höre Lischen — komm ſchnell wieder
herunter, eh er hereingekuckt hat; er könnte mich noch
zurückrufen!“ —

„Taugenichts! — das mag was Schönes ſein!“
moraliſirt Eliſe, die ich nun die Treppe heraufkommen
höre. —

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geöffnete Thür, wirft das edle Manuſcript auf den

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[164/0174] „Dieſes weniger!“ erſchallt unten die Schülerredens- art und mich wundert wirklich, daß der Bengel diesmal nicht die noch dazu gehörende weiſe Benachrichtigung damit verbindet: Aber mein Bruder bläſt die Flöte. — „Haſt Du Dein Exer?“ (scilicet citium) ruft Eliſe. — „Verſteht ſich; fix und fertig, komm herunter, Du kannſt es ihm herauf bringen.“ Eliſe ſieht mich fragend an und ich nicke. Herunter iſt ſie wie der Blitz und ich gehe ans offene Fenſter, hüte mich aber wohl, etwas von meiner werthen Perſön- lichkeit ſehen zu laſſen. „Du biſt aber ſchnell damit fertig geworden, Guſtav!“ ſagt Eliſe und ich ſtelle mir oben lebhaft vor, wie der Schlingel grinſt, als er ihr ſein Machwerk einhändigt. „Mit Geduld und Spucke Fängt man jede Mucke!“ lautet die Antwort: „Hier, nimm Dich in Acht, es iſt noch naß; und höre Lischen — komm ſchnell wieder herunter, eh er hereingekuckt hat; er könnte mich noch zurückrufen!“ — „Taugenichts! — das mag was Schönes ſein!“ moraliſirt Eliſe, die ich nun die Treppe heraufkommen höre. — „Da iſt’s Onkel!“ ruft ſie in die kaum handbreit geöffnete Thür, wirft das edle Manuſcript auf den

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Zitationshilfe: Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/174>, abgerufen am 01.11.2024.