Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857.Nacht! Der Doctor Ehrhard, der eben oben ist, hat's Arme, arme Mutter! Ein hübscher, leichtsinniger Arme, arme Mutter! Mit geschminkten Wangen und Nacht! Der Doctor Ehrhard, der eben oben iſt, hat’s Arme, arme Mutter! Ein hübſcher, leichtſinniger Arme, arme Mutter! Mit geſchminkten Wangen und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0196" n="186"/> Nacht! Der Doctor Ehrhard, der eben oben iſt, hat’s<lb/> geſagt. — Iſt’s nicht ſchrecklich, daß die Mutter in die-<lb/> ſem Augenblick tanzen muß? — Sie haben ihr nicht<lb/> erlauben wollen, die ſchlechten Menſchen, wegzubleiben<lb/> dieſen Abend: es wäre heute der Geburtstag der Köni-<lb/> gin, ſie <hi rendition="#g">müſſe</hi> tanzen!“ —</p><lb/> <p>Arme, arme Mutter! Ein hübſcher, leichtſinniger<lb/> Schmetterling gaukelteſt Du, bis die Verführung kam<lb/> und — ſiegte. Verlaſſen, verſpottet, ſuchteſt Du Dein<lb/> Glück nur in den Augen, in dem Lächeln Deines Kin-<lb/> des und jetzt nimmt Dir der Tod auch das! —</p><lb/> <p>Arme, arme Mutter! Mit geſchminkten Wangen und<lb/> den Tod im Herzen zu tanzen! Du hörſt nicht die tau-<lb/> ſend jubelnden Stimmen der Menge, Du hörſt nicht die<lb/> rauſchende Muſik: das Aechzen des winzigen, ſterbenden<lb/> Weſens in der fernen Dachſtube übertönt Alles. — —<lb/> Ich ſteige die enge, dunkle Treppe hinauf, die zu der<lb/> Wohnung der Tänzerin führt. Frau Anna und der gute,<lb/> alte Doctor Ehrhard ſitzen an dem Bettchen des kranken<lb/> Kindes. Eine verdeckte Lampe wirft ein trübes Licht<lb/> über das kleine Zimmerchen; hier und da liegt auf den<lb/> Stühlen phantaſtiſcher Putz; eine ſchwarze Halb-Maske<lb/> unter den Arzneigläſern auf dem Tiſche. Der Doctor<lb/> legt das Ohr dem Knaben auf die Bruſt und lauſcht<lb/> den ſchweren ängſtlichen Athemzügen; ich ſtehe am Fen-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [186/0196]
Nacht! Der Doctor Ehrhard, der eben oben iſt, hat’s
geſagt. — Iſt’s nicht ſchrecklich, daß die Mutter in die-
ſem Augenblick tanzen muß? — Sie haben ihr nicht
erlauben wollen, die ſchlechten Menſchen, wegzubleiben
dieſen Abend: es wäre heute der Geburtstag der Köni-
gin, ſie müſſe tanzen!“ —
Arme, arme Mutter! Ein hübſcher, leichtſinniger
Schmetterling gaukelteſt Du, bis die Verführung kam
und — ſiegte. Verlaſſen, verſpottet, ſuchteſt Du Dein
Glück nur in den Augen, in dem Lächeln Deines Kin-
des und jetzt nimmt Dir der Tod auch das! —
Arme, arme Mutter! Mit geſchminkten Wangen und
den Tod im Herzen zu tanzen! Du hörſt nicht die tau-
ſend jubelnden Stimmen der Menge, Du hörſt nicht die
rauſchende Muſik: das Aechzen des winzigen, ſterbenden
Weſens in der fernen Dachſtube übertönt Alles. — —
Ich ſteige die enge, dunkle Treppe hinauf, die zu der
Wohnung der Tänzerin führt. Frau Anna und der gute,
alte Doctor Ehrhard ſitzen an dem Bettchen des kranken
Kindes. Eine verdeckte Lampe wirft ein trübes Licht
über das kleine Zimmerchen; hier und da liegt auf den
Stühlen phantaſtiſcher Putz; eine ſchwarze Halb-Maske
unter den Arzneigläſern auf dem Tiſche. Der Doctor
legt das Ohr dem Knaben auf die Bruſt und lauſcht
den ſchweren ängſtlichen Athemzügen; ich ſtehe am Fen-
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