Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857."Laß uns erst ankommen, Vetter!" sagt Lischen, die Da sind wir! Heda, da sitzt schon der alte Meister „Laß uns erſt ankommen, Vetter!“ ſagt Lischen, die Da ſind wir! Heda, da ſitzt ſchon der alte Meiſter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0211" n="201"/> <p>„Laß uns erſt ankommen, Vetter!“ ſagt Lischen, die<lb/> auf dem ganzen Wege ſtets die Vorderſte wäre, wenn<lb/> nicht Guſtav gleichen Schritt mit ihr hielte. — —</p><lb/> <p>Da ſind wir! Heda, da ſitzt ſchon der alte Meiſter<lb/> Frey mit der langen Pfeife hinter einer Flaſche Wein,<lb/> behaglich dem luſtigen Treiben zuſchauend und lächelnd<lb/> das ſchwarze Käppchen auf den langen, weißen Haaren<lb/> hin und her ſchiebend. Schon aus der Ferne winkt er<lb/> uns, als wir uns durch die Menge drängen und ruft<lb/> uns ſein „Willkommen“ entgegen. Hurrah, da iſt das<lb/> „Atelier mit ſeinen Schweſtern,“ wie Guſtav ſagt, und<lb/> die ſechs Nichten des Profeſſors. Eine luſtige Gruppe:<lb/> lange Haare, ſchwarze Sammetröcke, Calabreſer mit ge-<lb/> waltigen Troddeln; dann wieder weiße Kleider, bunte<lb/> Bänder, Strohhüte; und Guſtav und Eliſe natürlich ſo-<lb/> gleich mitten dazwiſchen. Beim heiligen Vocabulus,<lb/> iſt das nicht der lange Oberlehrer Beſenmeier, der da,<lb/><hi rendition="#aq">aptus adliciendis feminarum animis</hi>, der dicken Frau<lb/> Rectorin Dippelmann einen Stuhl erobert? Wahrlich,<lb/> er iſt’s, und da iſt der Rector ſelbſt, der Ruthen und<lb/> Beile ſo vollſtändig abgelegt hat, daß ihn in dieſem<lb/> Augenblick jeder Secundaner, ohne böſe Folgen, um —<lb/> Feuer für ſeine Cigarre bitten könnte. Wen haben wir<lb/> hier? Darf ich meinen Augen trauen! Der Königliche<lb/> Profeſſor der Gottesgelahrtheit, Hof- und Domprediger<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [201/0211]
„Laß uns erſt ankommen, Vetter!“ ſagt Lischen, die
auf dem ganzen Wege ſtets die Vorderſte wäre, wenn
nicht Guſtav gleichen Schritt mit ihr hielte. — —
Da ſind wir! Heda, da ſitzt ſchon der alte Meiſter
Frey mit der langen Pfeife hinter einer Flaſche Wein,
behaglich dem luſtigen Treiben zuſchauend und lächelnd
das ſchwarze Käppchen auf den langen, weißen Haaren
hin und her ſchiebend. Schon aus der Ferne winkt er
uns, als wir uns durch die Menge drängen und ruft
uns ſein „Willkommen“ entgegen. Hurrah, da iſt das
„Atelier mit ſeinen Schweſtern,“ wie Guſtav ſagt, und
die ſechs Nichten des Profeſſors. Eine luſtige Gruppe:
lange Haare, ſchwarze Sammetröcke, Calabreſer mit ge-
waltigen Troddeln; dann wieder weiße Kleider, bunte
Bänder, Strohhüte; und Guſtav und Eliſe natürlich ſo-
gleich mitten dazwiſchen. Beim heiligen Vocabulus,
iſt das nicht der lange Oberlehrer Beſenmeier, der da,
aptus adliciendis feminarum animis, der dicken Frau
Rectorin Dippelmann einen Stuhl erobert? Wahrlich,
er iſt’s, und da iſt der Rector ſelbſt, der Ruthen und
Beile ſo vollſtändig abgelegt hat, daß ihn in dieſem
Augenblick jeder Secundaner, ohne böſe Folgen, um —
Feuer für ſeine Cigarre bitten könnte. Wen haben wir
hier? Darf ich meinen Augen trauen! Der Königliche
Profeſſor der Gottesgelahrtheit, Hof- und Domprediger
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