rückte, als -- auf einmal -- Ihr glaubt's gewiß nicht, -- der ganze Strahl von unzähligen, klei- nen, zierlichen, durchsichtigen Flügelgestalten lebte, die darin auf und abschwebten und durch ihren Glanz selbst die Bahn bildeten. Halb erschrocken und halb erfreut, schaute ich diesem wundersamen Weben zu; als plötzlich das Blumenglas im Fenster einen schrillen, langanhal- tenden Ton, wie er entsteht, wenn man mit dem Finger um den Rand eines Glases streift, von sich gab. Das Wasser darin hob und senkte sich, blitzte, funkelte und bewegte die Waldrosen hin und her; die Blüthen der Nachtviolen öffneten sich und aus jeder schwebte eben- falls ein zierlich geflügeltes Wesen, fast noch feiner als die Lichtgeisterchen. Nach allen Seiten flatterten sie, den köstlichsten Duft verbreitend. Während dessen tönte der schrille Ton des Glases fort, bis er mit einem Male aufhörte, gleich einem Faden durchschnitten, worauf eine tiefe Stille eintrat. -- Jetzt hatte der Mondstrahl Deinen Schreibtisch erreicht, Onkelchen; das kleine Gei- stervolk tanzte lustig über Deinen Büchern und Papieren und soweit hatte ich mich schon von meiner Verwunde- rung erholt, daß ich herzlich über die sonderbaren Ka- priolen einiger der winzigen Dingerchen lachen konnte, die auf alle Weise sich bemühten, in unser großes Din- tenfaß zu gucken, ohne den Muth zu haben, sich in die
rückte, als — auf einmal — Ihr glaubt’s gewiß nicht, — der ganze Strahl von unzähligen, klei- nen, zierlichen, durchſichtigen Flügelgeſtalten lebte, die darin auf und abſchwebten und durch ihren Glanz ſelbſt die Bahn bildeten. Halb erſchrocken und halb erfreut, ſchaute ich dieſem wunderſamen Weben zu; als plötzlich das Blumenglas im Fenſter einen ſchrillen, langanhal- tenden Ton, wie er entſteht, wenn man mit dem Finger um den Rand eines Glaſes ſtreift, von ſich gab. Das Waſſer darin hob und ſenkte ſich, blitzte, funkelte und bewegte die Waldroſen hin und her; die Blüthen der Nachtviolen öffneten ſich und aus jeder ſchwebte eben- falls ein zierlich geflügeltes Weſen, faſt noch feiner als die Lichtgeiſterchen. Nach allen Seiten flatterten ſie, den köſtlichſten Duft verbreitend. Während deſſen tönte der ſchrille Ton des Glaſes fort, bis er mit einem Male aufhörte, gleich einem Faden durchſchnitten, worauf eine tiefe Stille eintrat. — Jetzt hatte der Mondſtrahl Deinen Schreibtiſch erreicht, Onkelchen; das kleine Gei- ſtervolk tanzte luſtig über Deinen Büchern und Papieren und ſoweit hatte ich mich ſchon von meiner Verwunde- rung erholt, daß ich herzlich über die ſonderbaren Ka- priolen einiger der winzigen Dingerchen lachen konnte, die auf alle Weiſe ſich bemühten, in unſer großes Din- tenfaß zu gucken, ohne den Muth zu haben, ſich in die
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rückte, als — auf einmal — Ihr glaubt’s gewiß
nicht, — der ganze Strahl von unzähligen, klei-
nen, zierlichen, durchſichtigen Flügelgeſtalten lebte, die
darin auf und abſchwebten und durch ihren Glanz ſelbſt
die Bahn bildeten. Halb erſchrocken und halb erfreut,
ſchaute ich dieſem wunderſamen Weben zu; als plötzlich
das Blumenglas im Fenſter einen ſchrillen, langanhal-
tenden Ton, wie er entſteht, wenn man mit dem Finger
um den Rand eines Glaſes ſtreift, von ſich gab. Das
Waſſer darin hob und ſenkte ſich, blitzte, funkelte und
bewegte die Waldroſen hin und her; die Blüthen der
Nachtviolen öffneten ſich und aus jeder ſchwebte eben-
falls ein zierlich geflügeltes Weſen, faſt noch feiner als
die Lichtgeiſterchen. Nach allen Seiten flatterten ſie,
den köſtlichſten Duft verbreitend. Während deſſen tönte
der ſchrille Ton des Glaſes fort, bis er mit einem Male
aufhörte, gleich einem Faden durchſchnitten, worauf
eine tiefe Stille eintrat. — Jetzt hatte der Mondſtrahl
Deinen Schreibtiſch erreicht, Onkelchen; das kleine Gei-
ſtervolk tanzte luſtig über Deinen Büchern und Papieren
und ſoweit hatte ich mich ſchon von meiner Verwunde-
rung erholt, daß ich herzlich über die ſonderbaren Ka-
priolen einiger der winzigen Dingerchen lachen konnte,
die auf alle Weiſe ſich bemühten, in unſer großes Din-
tenfaß zu gucken, ohne den Muth zu haben, ſich in die
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Raabe, Wilhelm: Die Chronik der Sperlingsgasse. Berlin, 1857, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/raabe_sperlingsgasse_1857/247>, abgerufen am 01.11.2024.
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