Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite
ein Schooßhündchen.

Amourette weis, daß sie schön ist. Dieses hat
sie mit unserm Frauenzimmer gemein. Allein, ihre
Schönheit macht sie weder hochmüthig, noch lächer-
lich; und hierinnen ist sie von vielen unterschieden.
Sie bringt nicht ganze Stunden vor dem Spiegel
zu; sie schmückt sich nicht, und nahm es für den
größten Schimpf an, als ich ihr nur im Scherze ein
Schminkpflästerchen unter das rechte Auge kleben
wollte. Sie hat schon sechs neue Frauerzimmer-
trachten erlebt, ist aber nicht zu bewegen gewesen,
die ihrige zu ändern, von welcher sie glaubt, es sey
die natürlichste.

Sie liebt Gesellschaft, sie stattet Besuch ab, und
nimmt welchen an. Niemals aber hört man sie
von ihren Nächsten übel sprechen, oder mit einer
boshaften Neugierigkeit nach andrer Hunde Um-
stände fragen. Sie redet auch nicht vom schönen
Wetter, und ob sie gleich nicht spielt, so wird ihr
doch die Zeit nicht lang.

Mit allen macht sie sich zwar nicht gemein; sie
verachtet aber auch niemand. Der Rangstreit ist
ihre kleinste Sorge, und ich habe es mit meinen Au-
gen gesehen, daß sie einem Budel die Oberstelle ließ,
von dem stadtkündig war, daß sein Vater nur ein
Fleischerhund gewesen.

Aus dem Schmucke, oder andern Kostbarkeiten,
macht sie sich wenig. Einige Halsbänder und
zwey Betten sind ihre ganze Gerade. Ob der Korb,
in dem sie liegt, auch dazu gehöre, das mögen die
Rechtsgelehrten unter sich ausmachen.

Die
D 4
ein Schooßhuͤndchen.

Amourette weis, daß ſie ſchoͤn iſt. Dieſes hat
ſie mit unſerm Frauenzimmer gemein. Allein, ihre
Schoͤnheit macht ſie weder hochmuͤthig, noch laͤcher-
lich; und hierinnen iſt ſie von vielen unterſchieden.
Sie bringt nicht ganze Stunden vor dem Spiegel
zu; ſie ſchmuͤckt ſich nicht, und nahm es fuͤr den
groͤßten Schimpf an, als ich ihr nur im Scherze ein
Schminkpflaͤſterchen unter das rechte Auge kleben
wollte. Sie hat ſchon ſechs neue Frauerzimmer-
trachten erlebt, iſt aber nicht zu bewegen geweſen,
die ihrige zu aͤndern, von welcher ſie glaubt, es ſey
die natuͤrlichſte.

Sie liebt Geſellſchaft, ſie ſtattet Beſuch ab, und
nimmt welchen an. Niemals aber hoͤrt man ſie
von ihren Naͤchſten uͤbel ſprechen, oder mit einer
boshaften Neugierigkeit nach andrer Hunde Um-
ſtaͤnde fragen. Sie redet auch nicht vom ſchoͤnen
Wetter, und ob ſie gleich nicht ſpielt, ſo wird ihr
doch die Zeit nicht lang.

Mit allen macht ſie ſich zwar nicht gemein; ſie
verachtet aber auch niemand. Der Rangſtreit iſt
ihre kleinſte Sorge, und ich habe es mit meinen Au-
gen geſehen, daß ſie einem Budel die Oberſtelle ließ,
von dem ſtadtkuͤndig war, daß ſein Vater nur ein
Fleiſcherhund geweſen.

Aus dem Schmucke, oder andern Koſtbarkeiten,
macht ſie ſich wenig. Einige Halsbaͤnder und
zwey Betten ſind ihre ganze Gerade. Ob der Korb,
in dem ſie liegt, auch dazu gehoͤre, das moͤgen die
Rechtsgelehrten unter ſich ausmachen.

Die
D 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0129" n="55"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">ein Schooßhu&#x0364;ndchen.</hi> </fw><lb/>
        <p>Amourette weis, daß &#x017F;ie &#x017F;cho&#x0364;n i&#x017F;t. Die&#x017F;es hat<lb/>
&#x017F;ie mit un&#x017F;erm Frauenzimmer gemein. Allein, ihre<lb/>
Scho&#x0364;nheit macht &#x017F;ie weder hochmu&#x0364;thig, noch la&#x0364;cher-<lb/>
lich; und hierinnen i&#x017F;t &#x017F;ie von vielen unter&#x017F;chieden.<lb/>
Sie bringt nicht ganze Stunden vor dem Spiegel<lb/>
zu; &#x017F;ie &#x017F;chmu&#x0364;ckt &#x017F;ich nicht, und nahm es fu&#x0364;r den<lb/>
gro&#x0364;ßten Schimpf an, als ich ihr nur im Scherze ein<lb/>
Schminkpfla&#x0364;&#x017F;terchen unter das rechte Auge kleben<lb/>
wollte. Sie hat &#x017F;chon &#x017F;echs neue Frauerzimmer-<lb/>
trachten erlebt, i&#x017F;t aber nicht zu bewegen gewe&#x017F;en,<lb/>
die ihrige zu a&#x0364;ndern, von welcher &#x017F;ie glaubt, es &#x017F;ey<lb/>
die natu&#x0364;rlich&#x017F;te.</p><lb/>
        <p>Sie liebt Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, &#x017F;ie &#x017F;tattet Be&#x017F;uch ab, und<lb/>
nimmt welchen an. Niemals aber ho&#x0364;rt man &#x017F;ie<lb/>
von ihren Na&#x0364;ch&#x017F;ten u&#x0364;bel &#x017F;prechen, oder mit einer<lb/>
boshaften Neugierigkeit nach andrer Hunde Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde fragen. Sie redet auch nicht vom &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Wetter, und ob &#x017F;ie gleich nicht &#x017F;pielt, &#x017F;o wird ihr<lb/>
doch die Zeit nicht lang.</p><lb/>
        <p>Mit allen macht &#x017F;ie &#x017F;ich zwar nicht gemein; &#x017F;ie<lb/>
verachtet aber auch niemand. Der Rang&#x017F;treit i&#x017F;t<lb/>
ihre klein&#x017F;te Sorge, und ich habe es mit meinen Au-<lb/>
gen ge&#x017F;ehen, daß &#x017F;ie einem Budel die Ober&#x017F;telle ließ,<lb/>
von dem &#x017F;tadtku&#x0364;ndig war, daß &#x017F;ein Vater nur ein<lb/>
Flei&#x017F;cherhund gewe&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Aus dem Schmucke, oder andern Ko&#x017F;tbarkeiten,<lb/>
macht &#x017F;ie &#x017F;ich wenig. Einige Halsba&#x0364;nder und<lb/>
zwey Betten &#x017F;ind ihre ganze Gerade. Ob der Korb,<lb/>
in dem &#x017F;ie liegt, auch dazu geho&#x0364;re, das mo&#x0364;gen die<lb/>
Rechtsgelehrten unter &#x017F;ich ausmachen.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">D 4</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0129] ein Schooßhuͤndchen. Amourette weis, daß ſie ſchoͤn iſt. Dieſes hat ſie mit unſerm Frauenzimmer gemein. Allein, ihre Schoͤnheit macht ſie weder hochmuͤthig, noch laͤcher- lich; und hierinnen iſt ſie von vielen unterſchieden. Sie bringt nicht ganze Stunden vor dem Spiegel zu; ſie ſchmuͤckt ſich nicht, und nahm es fuͤr den groͤßten Schimpf an, als ich ihr nur im Scherze ein Schminkpflaͤſterchen unter das rechte Auge kleben wollte. Sie hat ſchon ſechs neue Frauerzimmer- trachten erlebt, iſt aber nicht zu bewegen geweſen, die ihrige zu aͤndern, von welcher ſie glaubt, es ſey die natuͤrlichſte. Sie liebt Geſellſchaft, ſie ſtattet Beſuch ab, und nimmt welchen an. Niemals aber hoͤrt man ſie von ihren Naͤchſten uͤbel ſprechen, oder mit einer boshaften Neugierigkeit nach andrer Hunde Um- ſtaͤnde fragen. Sie redet auch nicht vom ſchoͤnen Wetter, und ob ſie gleich nicht ſpielt, ſo wird ihr doch die Zeit nicht lang. Mit allen macht ſie ſich zwar nicht gemein; ſie verachtet aber auch niemand. Der Rangſtreit iſt ihre kleinſte Sorge, und ich habe es mit meinen Au- gen geſehen, daß ſie einem Budel die Oberſtelle ließ, von dem ſtadtkuͤndig war, daß ſein Vater nur ein Fleiſcherhund geweſen. Aus dem Schmucke, oder andern Koſtbarkeiten, macht ſie ſich wenig. Einige Halsbaͤnder und zwey Betten ſind ihre ganze Gerade. Ob der Korb, in dem ſie liegt, auch dazu gehoͤre, das moͤgen die Rechtsgelehrten unter ſich ausmachen. Die D 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/129
Zitationshilfe: [Rabener, Gottlieb Wilhelm]: Sammlung satyrischer Schriften. Bd. 1. Leipzig, 1751, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rabener_sammlung01_1751/129>, abgerufen am 20.05.2024.