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Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787.

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Villa Ludovisi.
des mit dem der Kaiser Claudius ihren Gemahl be-
drohete, stieß sich Arria den Dolch in die Brust,
und überreichte ihn ihrem Gemahl mit den auffor-
dernden Worten: Es schmerzet nicht.

Welcher sichtbare Zeitpunkt aus dieser Begeben-
heit ist wohl für die bildenden Künste der geschickteste?
Unstreitig der, wo sich Arria bereits entleibt hat,
und, -- nicht wo sie ihm den Dolch mit den Wor-
ten darreicht: es schmerzet nicht; sondern wo sie mit
dem letzten Ausdruck zärtlicher Empfindung auf den
Pätus blickt, der sich nun auch ersticht. Hier ist
der Augenblick, der den unzweideutigsten und reich-
haltigsten Ausdruck liefert: Auch den wahrscheinlich-
sten. Denn die Seelengröße, die das Sprechen
der Worte begleiten muß, wird in den bildenden
Künsten zur Unempfindlichkeit, und der erschrockene
Mann zu ihrer Seite bei jeder Auslegung ein Feig-
herziger.

Für die Mahlerei würde der Augenblick, wo
Arria in den Armen des Pätus liegend den Dolch in
ihre Brust stößt, gleichfalls einen interessanten Aus-
druck liefern.

West hat beiden den Augenblick der Ueberrei-
chung des Dolchs vorgezogen. Ich kenne sein Bild
nur aus dem Kupfer. Nach diesem zu urtheilen,
ist die Mine der Arria unbedeutend, des Pätus,
Carricatur erschrockener Schwäche.

+ Proserpinens Raub von Bernini.
Wahrheit darf man in den Werken dieses Meisters
nicht suchen. Die Figuren scheinen von Wachs, der

Aus-

Villa Ludoviſi.
des mit dem der Kaiſer Claudius ihren Gemahl be-
drohete, ſtieß ſich Arria den Dolch in die Bruſt,
und uͤberreichte ihn ihrem Gemahl mit den auffor-
dernden Worten: Es ſchmerzet nicht.

Welcher ſichtbare Zeitpunkt aus dieſer Begeben-
heit iſt wohl fuͤr die bildenden Kuͤnſte der geſchickteſte?
Unſtreitig der, wo ſich Arria bereits entleibt hat,
und, — nicht wo ſie ihm den Dolch mit den Wor-
ten darreicht: es ſchmerzet nicht; ſondern wo ſie mit
dem letzten Ausdruck zaͤrtlicher Empfindung auf den
Paͤtus blickt, der ſich nun auch erſticht. Hier iſt
der Augenblick, der den unzweideutigſten und reich-
haltigſten Ausdruck liefert: Auch den wahrſcheinlich-
ſten. Denn die Seelengroͤße, die das Sprechen
der Worte begleiten muß, wird in den bildenden
Kuͤnſten zur Unempfindlichkeit, und der erſchrockene
Mann zu ihrer Seite bei jeder Auslegung ein Feig-
herziger.

Fuͤr die Mahlerei wuͤrde der Augenblick, wo
Arria in den Armen des Paͤtus liegend den Dolch in
ihre Bruſt ſtoͤßt, gleichfalls einen intereſſanten Aus-
druck liefern.

Weſt hat beiden den Augenblick der Ueberrei-
chung des Dolchs vorgezogen. Ich kenne ſein Bild
nur aus dem Kupfer. Nach dieſem zu urtheilen,
iſt die Mine der Arria unbedeutend, des Paͤtus,
Carricatur erſchrockener Schwaͤche.

Proſerpinens Raub von Bernini.
Wahrheit darf man in den Werken dieſes Meiſters
nicht ſuchen. Die Figuren ſcheinen von Wachs, der

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[210/0224] Villa Ludoviſi. des mit dem der Kaiſer Claudius ihren Gemahl be- drohete, ſtieß ſich Arria den Dolch in die Bruſt, und uͤberreichte ihn ihrem Gemahl mit den auffor- dernden Worten: Es ſchmerzet nicht. Welcher ſichtbare Zeitpunkt aus dieſer Begeben- heit iſt wohl fuͤr die bildenden Kuͤnſte der geſchickteſte? Unſtreitig der, wo ſich Arria bereits entleibt hat, und, — nicht wo ſie ihm den Dolch mit den Wor- ten darreicht: es ſchmerzet nicht; ſondern wo ſie mit dem letzten Ausdruck zaͤrtlicher Empfindung auf den Paͤtus blickt, der ſich nun auch erſticht. Hier iſt der Augenblick, der den unzweideutigſten und reich- haltigſten Ausdruck liefert: Auch den wahrſcheinlich- ſten. Denn die Seelengroͤße, die das Sprechen der Worte begleiten muß, wird in den bildenden Kuͤnſten zur Unempfindlichkeit, und der erſchrockene Mann zu ihrer Seite bei jeder Auslegung ein Feig- herziger. Fuͤr die Mahlerei wuͤrde der Augenblick, wo Arria in den Armen des Paͤtus liegend den Dolch in ihre Bruſt ſtoͤßt, gleichfalls einen intereſſanten Aus- druck liefern. Weſt hat beiden den Augenblick der Ueberrei- chung des Dolchs vorgezogen. Ich kenne ſein Bild nur aus dem Kupfer. Nach dieſem zu urtheilen, iſt die Mine der Arria unbedeutend, des Paͤtus, Carricatur erſchrockener Schwaͤche. † Proſerpinens Raub von Bernini. Wahrheit darf man in den Werken dieſes Meiſters nicht ſuchen. Die Figuren ſcheinen von Wachs, der Aus-

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Zitationshilfe: Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 2. Leipzig, 1787, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei02_1787/224>, abgerufen am 10.11.2024.