Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.und seiner Person einen Herrn geben. Wie oft läuft es dann Gefahr, einen bösen zu bekommen! Es wird der Gattin immer verdacht, wenn sie sich von dem Manne scheiden läßt. Und doch müßte sie eine Prophetin seyn, um ihn, dessen Sitten und Willen sie forthin unterworfen wird, zum Voraus zu kennen. Wohl ihr, wenn sie durch Güte, durch gute Aufführung nur kein zu schweres Schicksal verdient, sonst ist es besser für sie, zu sterben. Wenn der Mann Leiden zu Hause hat, so geht er aus, und tröstet sich mit Freunden und Bekannten. Wir sitzen daheim, und erwarten unser Schicksal von Einer Seele. Man wirft uns vor, wir lebten zu Hause ohne Gefahr; aber lieber will ich mich dreymahl ins Feld stellen, als Ein Mahl die Wehen des Kindbettes erdulden. Und glücklich noch, wer in seinem Vaterlande unter Freunden und Verwandten wohnt! Ich aber leide und bin fremd und verlassen, und habe Niemanden, der mich rette. Darum will ich mich rächen! Das furchtsame Weib, ungeschickt zum Kriege und zum Anblick des Schwerts, fühlt sich zur grausamsten Rache fähig, wenn seine ehelichen Rechte gekränkt werden!" So Medea! Das Chor antwortet: "Mit Recht rächst du dich an dem Gatten: mit Recht beklagst du dein Schicksal!" Noch aber hält der Dichter den Zorn seiner Medea nicht hinreichend durch die Untreue Jasons motiviert. Creon, der Vater ihrer Nebenbuhlerin, muß sie aus dem Lande mit ihren Kindern treiben wollen. "O Liebe!" ruft Medea aus, "welch Unglück bringst du über die Menschen!" "Das ist darnach", antwortet Creon, "wie es das Schicksal lenkt!" und seiner Person einen Herrn geben. Wie oft läuft es dann Gefahr, einen bösen zu bekommen! Es wird der Gattin immer verdacht, wenn sie sich von dem Manne scheiden läßt. Und doch müßte sie eine Prophetin seyn, um ihn, dessen Sitten und Willen sie forthin unterworfen wird, zum Voraus zu kennen. Wohl ihr, wenn sie durch Güte, durch gute Aufführung nur kein zu schweres Schicksal verdient, sonst ist es besser für sie, zu sterben. Wenn der Mann Leiden zu Hause hat, so geht er aus, und tröstet sich mit Freunden und Bekannten. Wir sitzen daheim, und erwarten unser Schicksal von Einer Seele. Man wirft uns vor, wir lebten zu Hause ohne Gefahr; aber lieber will ich mich dreymahl ins Feld stellen, als Ein Mahl die Wehen des Kindbettes erdulden. Und glücklich noch, wer in seinem Vaterlande unter Freunden und Verwandten wohnt! Ich aber leide und bin fremd und verlassen, und habe Niemanden, der mich rette. Darum will ich mich rächen! Das furchtsame Weib, ungeschickt zum Kriege und zum Anblick des Schwerts, fühlt sich zur grausamsten Rache fähig, wenn seine ehelichen Rechte gekränkt werden!“ So Medea! Das Chor antwortet: „Mit Recht rächst du dich an dem Gatten: mit Recht beklagst du dein Schicksal!“ Noch aber hält der Dichter den Zorn seiner Medea nicht hinreichend durch die Untreue Jasons motiviert. Creon, der Vater ihrer Nebenbuhlerin, muß sie aus dem Lande mit ihren Kindern treiben wollen. „O Liebe!“ ruft Medea aus, „welch Unglück bringst du über die Menschen!“ „Das ist darnach“, antwortet Creon, „wie es das Schicksal lenkt!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0086" n="86"/> und seiner Person einen Herrn geben. Wie oft läuft es dann Gefahr, einen bösen zu bekommen! Es wird der Gattin immer verdacht, wenn sie sich von dem Manne scheiden läßt. Und doch müßte sie eine Prophetin seyn, um ihn, dessen Sitten und Willen sie forthin unterworfen wird, zum Voraus zu kennen. Wohl ihr, wenn sie durch Güte, durch gute Aufführung nur kein zu schweres Schicksal verdient, sonst ist es besser für sie, zu sterben. Wenn der Mann Leiden zu Hause hat, so geht er aus, und tröstet sich mit Freunden und Bekannten. Wir sitzen daheim, und erwarten unser Schicksal von Einer Seele. Man wirft uns vor, wir lebten zu Hause ohne Gefahr; aber lieber will ich mich dreymahl ins Feld stellen, als Ein Mahl die Wehen des Kindbettes erdulden. Und glücklich noch, wer in seinem Vaterlande unter Freunden und Verwandten wohnt! Ich aber leide und bin fremd und verlassen, und habe Niemanden, der mich rette. Darum will ich mich rächen! Das furchtsame Weib, ungeschickt zum Kriege und zum Anblick des Schwerts, fühlt sich zur grausamsten Rache fähig, wenn seine ehelichen Rechte gekränkt werden!“</p> <p>So Medea! Das Chor antwortet: „Mit Recht rächst du dich an dem Gatten: mit Recht beklagst du dein Schicksal!“</p> <p>Noch aber hält der Dichter den Zorn seiner Medea nicht hinreichend durch die Untreue Jasons motiviert. Creon, der Vater ihrer Nebenbuhlerin, muß sie aus dem Lande mit ihren Kindern treiben wollen.</p> <p>„O Liebe!“ ruft Medea aus, „welch Unglück bringst du über die Menschen!“ „Das ist darnach“, antwortet Creon, „wie es das Schicksal lenkt!“</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [86/0086]
und seiner Person einen Herrn geben. Wie oft läuft es dann Gefahr, einen bösen zu bekommen! Es wird der Gattin immer verdacht, wenn sie sich von dem Manne scheiden läßt. Und doch müßte sie eine Prophetin seyn, um ihn, dessen Sitten und Willen sie forthin unterworfen wird, zum Voraus zu kennen. Wohl ihr, wenn sie durch Güte, durch gute Aufführung nur kein zu schweres Schicksal verdient, sonst ist es besser für sie, zu sterben. Wenn der Mann Leiden zu Hause hat, so geht er aus, und tröstet sich mit Freunden und Bekannten. Wir sitzen daheim, und erwarten unser Schicksal von Einer Seele. Man wirft uns vor, wir lebten zu Hause ohne Gefahr; aber lieber will ich mich dreymahl ins Feld stellen, als Ein Mahl die Wehen des Kindbettes erdulden. Und glücklich noch, wer in seinem Vaterlande unter Freunden und Verwandten wohnt! Ich aber leide und bin fremd und verlassen, und habe Niemanden, der mich rette. Darum will ich mich rächen! Das furchtsame Weib, ungeschickt zum Kriege und zum Anblick des Schwerts, fühlt sich zur grausamsten Rache fähig, wenn seine ehelichen Rechte gekränkt werden!“
So Medea! Das Chor antwortet: „Mit Recht rächst du dich an dem Gatten: mit Recht beklagst du dein Schicksal!“
Noch aber hält der Dichter den Zorn seiner Medea nicht hinreichend durch die Untreue Jasons motiviert. Creon, der Vater ihrer Nebenbuhlerin, muß sie aus dem Lande mit ihren Kindern treiben wollen.
„O Liebe!“ ruft Medea aus, „welch Unglück bringst du über die Menschen!“ „Das ist darnach“, antwortet Creon, „wie es das Schicksal lenkt!“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |