Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

geliebt habe." Nichts kann sie abhalten, diesen Entschluß auszuführen; selbst das Flehen ihres Vaters nicht. Sie wirft sich von einer Anhöhe auf den Scheiterhaufen des Gemahls herab und stirbt.

Rhesus ist das einzige Trauerspiel unsers Dichters, in dem die Damen keine Hauptrolle spielen. Dagegen kommen in den Trojanerinnen wieder mehrere Züge der Achtung vor, die Euripides für weibliche Tugend, Zärtlichkeit, und für das eheliche Glück hegte, das auf beyden beruht. Freylich sind seine Forderungen streng, aber er schrieb in Athen, in einer Republik.

Ich strebte, sagt Andromache, dem Ruhm einer weisen Matrone in Hektors Hause nach. Ich blieb daheim, aber ohne mich dem Geträtsche besuchender Weiber zu überlassen. Ich beschäftigte mich mit nützlichen Arbeiten, und unterhielt meinen Gatten mit liebevollen Blicken und sparsamen Reden. Ich wußte wo ich zu befehlen, und wo ich zu gehorchen hatte. - Meine Seele verabscheuet diejenigen, die in einer neuen Ehe den ersten Gatten vergessen, und einen zweyten lieben. - O mein geliebter Hektor! Ich war glücklich mit dir! Du warst der Gegenstand aller meiner Wünsche: groß an Geist, an Geburt und Macht, u. s. w.

In den Bacchantinnen sagt Tiresias: "Bescheidenheit und Keuschheit sind eigenthümliche Tugenden der Weiber." In den Heracliden biethet sich Macaria, Tochter des Herkules, zum Opfer an, um den Atheniensern einen Sieg zu verschaffen, der ihre Geschwister rettet. Im wüthenden Herkules

geliebt habe.“ Nichts kann sie abhalten, diesen Entschluß auszuführen; selbst das Flehen ihres Vaters nicht. Sie wirft sich von einer Anhöhe auf den Scheiterhaufen des Gemahls herab und stirbt.

Rhesus ist das einzige Trauerspiel unsers Dichters, in dem die Damen keine Hauptrolle spielen. Dagegen kommen in den Trojanerinnen wieder mehrere Züge der Achtung vor, die Euripides für weibliche Tugend, Zärtlichkeit, und für das eheliche Glück hegte, das auf beyden beruht. Freylich sind seine Forderungen streng, aber er schrieb in Athen, in einer Republik.

Ich strebte, sagt Andromache, dem Ruhm einer weisen Matrone in Hektors Hause nach. Ich blieb daheim, aber ohne mich dem Geträtsche besuchender Weiber zu überlassen. Ich beschäftigte mich mit nützlichen Arbeiten, und unterhielt meinen Gatten mit liebevollen Blicken und sparsamen Reden. Ich wußte wo ich zu befehlen, und wo ich zu gehorchen hatte. – Meine Seele verabscheuet diejenigen, die in einer neuen Ehe den ersten Gatten vergessen, und einen zweyten lieben. – O mein geliebter Hektor! Ich war glücklich mit dir! Du warst der Gegenstand aller meiner Wünsche: groß an Geist, an Geburt und Macht, u. s. w.

In den Bacchantinnen sagt Tiresias: „Bescheidenheit und Keuschheit sind eigenthümliche Tugenden der Weiber.“ In den Heracliden biethet sich Macaria, Tochter des Herkules, zum Opfer an, um den Atheniensern einen Sieg zu verschaffen, der ihre Geschwister rettet. Im wüthenden Herkules

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0096" n="96"/>
geliebt habe.&#x201C; Nichts kann sie abhalten, diesen Entschluß auszuführen; selbst das Flehen ihres Vaters nicht. Sie wirft sich von einer Anhöhe auf den Scheiterhaufen des Gemahls herab und stirbt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Rhesus</hi> ist das einzige Trauerspiel unsers Dichters, in dem die Damen keine Hauptrolle spielen. Dagegen kommen in den <hi rendition="#g">Trojanerinnen</hi> wieder mehrere Züge der Achtung vor, die Euripides für weibliche Tugend, Zärtlichkeit, und für das eheliche Glück hegte, das auf beyden beruht. Freylich sind seine Forderungen streng, aber er schrieb in Athen, in einer Republik.</p>
          <p>Ich strebte, sagt Andromache, dem Ruhm einer weisen Matrone in Hektors Hause nach. Ich blieb daheim, aber ohne mich dem Geträtsche besuchender Weiber zu überlassen. Ich beschäftigte mich mit nützlichen Arbeiten, und unterhielt meinen Gatten mit liebevollen Blicken und sparsamen Reden. Ich wußte wo ich zu befehlen, und wo ich zu gehorchen hatte. &#x2013; Meine Seele verabscheuet diejenigen, die in einer neuen Ehe den ersten Gatten vergessen, und einen zweyten lieben. &#x2013; O mein geliebter Hektor! Ich war glücklich mit dir! Du warst der Gegenstand aller meiner Wünsche: groß an Geist, an Geburt und Macht, u. s. w.</p>
          <p>In den <hi rendition="#g">Bacchantinnen</hi> sagt Tiresias: &#x201E;Bescheidenheit und Keuschheit sind eigenthümliche Tugenden der Weiber.&#x201C; In den <hi rendition="#g">Heracliden</hi> biethet sich Macaria, Tochter des Herkules, zum Opfer an, um den Atheniensern einen Sieg zu verschaffen, der ihre Geschwister rettet. Im <hi rendition="#g">wüthenden Herkules</hi> </p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0096] geliebt habe.“ Nichts kann sie abhalten, diesen Entschluß auszuführen; selbst das Flehen ihres Vaters nicht. Sie wirft sich von einer Anhöhe auf den Scheiterhaufen des Gemahls herab und stirbt. Rhesus ist das einzige Trauerspiel unsers Dichters, in dem die Damen keine Hauptrolle spielen. Dagegen kommen in den Trojanerinnen wieder mehrere Züge der Achtung vor, die Euripides für weibliche Tugend, Zärtlichkeit, und für das eheliche Glück hegte, das auf beyden beruht. Freylich sind seine Forderungen streng, aber er schrieb in Athen, in einer Republik. Ich strebte, sagt Andromache, dem Ruhm einer weisen Matrone in Hektors Hause nach. Ich blieb daheim, aber ohne mich dem Geträtsche besuchender Weiber zu überlassen. Ich beschäftigte mich mit nützlichen Arbeiten, und unterhielt meinen Gatten mit liebevollen Blicken und sparsamen Reden. Ich wußte wo ich zu befehlen, und wo ich zu gehorchen hatte. – Meine Seele verabscheuet diejenigen, die in einer neuen Ehe den ersten Gatten vergessen, und einen zweyten lieben. – O mein geliebter Hektor! Ich war glücklich mit dir! Du warst der Gegenstand aller meiner Wünsche: groß an Geist, an Geburt und Macht, u. s. w. In den Bacchantinnen sagt Tiresias: „Bescheidenheit und Keuschheit sind eigenthümliche Tugenden der Weiber.“ In den Heracliden biethet sich Macaria, Tochter des Herkules, zum Opfer an, um den Atheniensern einen Sieg zu verschaffen, der ihre Geschwister rettet. Im wüthenden Herkules

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/96
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/96>, abgerufen am 31.10.2024.