Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Stande anbetete. 27) Neben diesem Liebhaber bestand derjenige, der durch keine anderen Hindernisse von einer gänzlichen Vereinigung mit seiner Geliebten abgehalten wurde, als diejenigen, welche ihm die Sprödigkeit seiner Geliebten und die Sorge für ihren Ruf entgegen setzte. In den Gedichten, welche diese letzte Art von Situationen wirklich eingab, oder einzugeben schien, findet man nun diejenige Denkungsart über die edlere Liebe wieder, die ich oben die anständig sinnliche Galanterie genannt habe, und welche auf einer verfeinerten Sinnlichkeit beruht. Allgemein war die Idee, daß ein zu leichter Sieg der Liebe schade, und ihren höchsten Reitz abstumpfe. "Eine Dame, die sich zu leicht entflammt," sagte Savary de Mauleon, "weiß nicht zu lieben, und fehlt eben so sehr gegen die Klugheit als gegen die Pflicht der Liebe." - "Eine Dame, die durch lange Prüfungen ihres Liebhabers sich von der Aufrichtigkeit seiner Leidenschaft überzeugen will, ist bey gleichen Vorzügen einer andern vorzuziehen, die Alles gewährt, ohne sich lange bitten zu lassen," sagt Guillaume de la Tour. - Nach eben diesen Grundsätzen sagt Hugo Brunet: "der allzubald befriedigte Liebhaber verliert die Reitzungen seiner Begierden. Warum? Weil ein Geschenk, das die anständige Liebe lange zurückhalt, tausendmahl mehr werth ist, als dasjenige, welches die andere Liebe verschwendet." 28) 27) So konnte sogar der König Alphonsus von Aragonien sagen: qu'il avoit mis son coeur en trop haut lieu. 28) Aehnliche Grundsätze habe ich aus dem Aristänet im achtzehnten Buche angeführt. Sie liegen auch bey den mehrsten griechischen Romanen zum Grunde.
Stande anbetete. 27) Neben diesem Liebhaber bestand derjenige, der durch keine anderen Hindernisse von einer gänzlichen Vereinigung mit seiner Geliebten abgehalten wurde, als diejenigen, welche ihm die Sprödigkeit seiner Geliebten und die Sorge für ihren Ruf entgegen setzte. In den Gedichten, welche diese letzte Art von Situationen wirklich eingab, oder einzugeben schien, findet man nun diejenige Denkungsart über die edlere Liebe wieder, die ich oben die anständig sinnliche Galanterie genannt habe, und welche auf einer verfeinerten Sinnlichkeit beruht. Allgemein war die Idee, daß ein zu leichter Sieg der Liebe schade, und ihren höchsten Reitz abstumpfe. „Eine Dame, die sich zu leicht entflammt,“ sagte Savary de Mauleon, „weiß nicht zu lieben, und fehlt eben so sehr gegen die Klugheit als gegen die Pflicht der Liebe.“ – „Eine Dame, die durch lange Prüfungen ihres Liebhabers sich von der Aufrichtigkeit seiner Leidenschaft überzeugen will, ist bey gleichen Vorzügen einer andern vorzuziehen, die Alles gewährt, ohne sich lange bitten zu lassen,“ sagt Guillaume de la Tour. – Nach eben diesen Grundsätzen sagt Hugo Brunet: „der allzubald befriedigte Liebhaber verliert die Reitzungen seiner Begierden. Warum? Weil ein Geschenk, das die anständige Liebe lange zurückhalt, tausendmahl mehr werth ist, als dasjenige, welches die andere Liebe verschwendet.“ 28) 27) So konnte sogar der König Alphonsus von Aragonien sagen: qu’il avoit mis son coeur en trop haut lieu. 28) Aehnliche Grundsätze habe ich aus dem Aristänet im achtzehnten Buche angeführt. Sie liegen auch bey den mehrsten griechischen Romanen zum Grunde.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0097" n="97"/> Stande anbetete. <note place="foot" n="27)">So konnte sogar der König Alphonsus von Aragonien sagen: <hi rendition="#aq">qu’il avoit mis son coeur en trop haut lieu.</hi></note> Neben diesem Liebhaber bestand derjenige, der durch keine anderen Hindernisse von einer gänzlichen Vereinigung mit seiner Geliebten abgehalten wurde, als diejenigen, welche ihm die Sprödigkeit seiner Geliebten und die Sorge für ihren Ruf entgegen setzte.</p> <p>In den Gedichten, welche diese letzte Art von Situationen wirklich eingab, oder einzugeben schien, findet man nun diejenige Denkungsart über die edlere Liebe wieder, die ich oben die <hi rendition="#g">anständig sinnliche Galanterie</hi> genannt habe, und welche auf einer verfeinerten Sinnlichkeit beruht.</p> <p>Allgemein war die Idee, daß ein zu leichter Sieg der Liebe schade, und ihren höchsten Reitz abstumpfe. „Eine Dame, die sich zu leicht entflammt,“ sagte <hi rendition="#aq">Savary de Mauleon,</hi> „weiß nicht zu lieben, und fehlt eben so sehr gegen die Klugheit als gegen die Pflicht der Liebe.“ – „Eine Dame, die durch lange Prüfungen ihres Liebhabers sich von der Aufrichtigkeit seiner Leidenschaft überzeugen will, ist bey gleichen Vorzügen einer andern vorzuziehen, die Alles gewährt, ohne sich lange bitten zu lassen,“ sagt <hi rendition="#aq">Guillaume de la Tour.</hi> – Nach eben diesen Grundsätzen sagt <hi rendition="#aq">Hugo Brunet:</hi> „der allzubald befriedigte Liebhaber verliert die Reitzungen seiner Begierden. Warum? Weil ein Geschenk, das die anständige Liebe lange zurückhalt, tausendmahl mehr werth ist, als dasjenige, welches die andere Liebe verschwendet.“ <note place="foot" n="28)">Aehnliche Grundsätze habe ich aus dem Aristänet im achtzehnten Buche angeführt. Sie liegen auch bey den mehrsten griechischen Romanen zum Grunde.</note></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [97/0097]
Stande anbetete. 27) Neben diesem Liebhaber bestand derjenige, der durch keine anderen Hindernisse von einer gänzlichen Vereinigung mit seiner Geliebten abgehalten wurde, als diejenigen, welche ihm die Sprödigkeit seiner Geliebten und die Sorge für ihren Ruf entgegen setzte.
In den Gedichten, welche diese letzte Art von Situationen wirklich eingab, oder einzugeben schien, findet man nun diejenige Denkungsart über die edlere Liebe wieder, die ich oben die anständig sinnliche Galanterie genannt habe, und welche auf einer verfeinerten Sinnlichkeit beruht.
Allgemein war die Idee, daß ein zu leichter Sieg der Liebe schade, und ihren höchsten Reitz abstumpfe. „Eine Dame, die sich zu leicht entflammt,“ sagte Savary de Mauleon, „weiß nicht zu lieben, und fehlt eben so sehr gegen die Klugheit als gegen die Pflicht der Liebe.“ – „Eine Dame, die durch lange Prüfungen ihres Liebhabers sich von der Aufrichtigkeit seiner Leidenschaft überzeugen will, ist bey gleichen Vorzügen einer andern vorzuziehen, die Alles gewährt, ohne sich lange bitten zu lassen,“ sagt Guillaume de la Tour. – Nach eben diesen Grundsätzen sagt Hugo Brunet: „der allzubald befriedigte Liebhaber verliert die Reitzungen seiner Begierden. Warum? Weil ein Geschenk, das die anständige Liebe lange zurückhalt, tausendmahl mehr werth ist, als dasjenige, welches die andere Liebe verschwendet.“ 28)
27) So konnte sogar der König Alphonsus von Aragonien sagen: qu’il avoit mis son coeur en trop haut lieu.
28) Aehnliche Grundsätze habe ich aus dem Aristänet im achtzehnten Buche angeführt. Sie liegen auch bey den mehrsten griechischen Romanen zum Grunde.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/97 |
Zitationshilfe: | Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/97>, abgerufen am 18.06.2024. |