Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reichardt, Christian: Land- und Garten-Schatzes. Bd. 6. 2. Aufl. Erfurt, 1765.

Bild:
<< vorherige Seite

Das sechste Cap. Von einigen
weit vom Fußsteige befindlichen Graben etwas
ganz ängstlich schreyen hören. Anfänglich habe
er gemeinet es werde eine junge Katze seyn, welche
sich daher verlaufen, oder von den Leuten mit Fleiß
heraus aufs Feld getragen und hingeworfen wor-
den. Weil er aber gleichwohl seiner Sache nicht
recht gewiß gewesen, und sich nicht völlig in diese
Stimme und Geschrey habe schicken können, so sey
er hinzu gegangen, um zu sehen, was es doch ei-
gentlich seyn müsse. Als er herbey gekommen, so
habe er den Graben, welcher ohngefehr drey Schuh
tief, und unten höchstens einen Schuh breit gewe-
sen, ohne Wasser, aber mit etwas Gras bewach-
sen, gefunden. Unten in dem Grase habe er einen
alten und sehr grosen Maulwurf erblicket, welcher
sich mit einem fast halbwächsigen Gras-Frosche
herum getummelt, solchen unter sich gebracht, und,
wenn derselbe gezappelt, ihn mit den Forder-Ta-
tzen gehalten, und recht geängstiget, daher derselbe
an einem hin so kläglich geschrien. Er bedaurete
aber nur, daß er sich hierbey übereilet, und den
Maulwurf zu bald tod geschlagen, da er billig hät-
te das Ende dieses Kampfes abwarten, und sehen
sollen, ob der Maulwurf den Frosch tödten, und
davon fressen würde.

So viel sagte er mir noch, daß der Frosch zwar,
nachdem er Luft bekommen, wieder fortgehüpfet,
aber er sey doch in der Seite etwas blutritzig ge-
wesen.

Aus diesem letztern Umstande, wie auch aus
dem ängstlichen Geschrey des Frosches, scheinet as

aller-

Das ſechſte Cap. Von einigen
weit vom Fußſteige befindlichen Graben etwas
ganz aͤngſtlich ſchreyen hoͤren. Anfaͤnglich habe
er gemeinet es werde eine junge Katze ſeyn, welche
ſich daher verlaufen, oder von den Leuten mit Fleiß
heraus aufs Feld getragen und hingeworfen wor-
den. Weil er aber gleichwohl ſeiner Sache nicht
recht gewiß geweſen, und ſich nicht voͤllig in dieſe
Stimme und Geſchrey habe ſchicken koͤnnen, ſo ſey
er hinzu gegangen, um zu ſehen, was es doch ei-
gentlich ſeyn muͤſſe. Als er herbey gekommen, ſo
habe er den Graben, welcher ohngefehr drey Schuh
tief, und unten hoͤchſtens einen Schuh breit gewe-
ſen, ohne Waſſer, aber mit etwas Gras bewach-
ſen, gefunden. Unten in dem Graſe habe er einen
alten und ſehr groſen Maulwurf erblicket, welcher
ſich mit einem faſt halbwaͤchſigen Gras-Froſche
herum getummelt, ſolchen unter ſich gebracht, und,
wenn derſelbe gezappelt, ihn mit den Forder-Ta-
tzen gehalten, und recht geaͤngſtiget, daher derſelbe
an einem hin ſo klaͤglich geſchrien. Er bedaurete
aber nur, daß er ſich hierbey uͤbereilet, und den
Maulwurf zu bald tod geſchlagen, da er billig haͤt-
te das Ende dieſes Kampfes abwarten, und ſehen
ſollen, ob der Maulwurf den Froſch toͤdten, und
davon freſſen wuͤrde.

So viel ſagte er mir noch, daß der Froſch zwar,
nachdem er Luft bekommen, wieder fortgehuͤpfet,
aber er ſey doch in der Seite etwas blutritzig ge-
weſen.

Aus dieſem letztern Umſtande, wie auch aus
dem aͤngſtlichen Geſchrey des Froſches, ſcheinet as

aller-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0190" n="176"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das &#x017F;ech&#x017F;te Cap. Von einigen</hi></fw><lb/>
weit vom Fuß&#x017F;teige befindlichen Graben etwas<lb/>
ganz a&#x0364;ng&#x017F;tlich &#x017F;chreyen ho&#x0364;ren. Anfa&#x0364;nglich habe<lb/>
er gemeinet es werde eine junge Katze &#x017F;eyn, welche<lb/>
&#x017F;ich daher verlaufen, oder von den Leuten mit Fleiß<lb/>
heraus aufs Feld getragen und hingeworfen wor-<lb/>
den. Weil er aber gleichwohl &#x017F;einer Sache nicht<lb/>
recht gewiß gewe&#x017F;en, und &#x017F;ich nicht vo&#x0364;llig in die&#x017F;e<lb/>
Stimme und Ge&#x017F;chrey habe &#x017F;chicken ko&#x0364;nnen, &#x017F;o &#x017F;ey<lb/>
er hinzu gegangen, um zu &#x017F;ehen, was es doch ei-<lb/>
gentlich &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Als er herbey gekommen, &#x017F;o<lb/>
habe er den Graben, welcher ohngefehr drey Schuh<lb/>
tief, und unten ho&#x0364;ch&#x017F;tens einen Schuh breit gewe-<lb/>
&#x017F;en, ohne Wa&#x017F;&#x017F;er, aber mit etwas Gras bewach-<lb/>
&#x017F;en, gefunden. Unten in dem Gra&#x017F;e habe er einen<lb/>
alten und &#x017F;ehr gro&#x017F;en Maulwurf erblicket, welcher<lb/>
&#x017F;ich mit einem fa&#x017F;t halbwa&#x0364;ch&#x017F;igen Gras-Fro&#x017F;che<lb/>
herum getummelt, &#x017F;olchen unter &#x017F;ich gebracht, und,<lb/>
wenn der&#x017F;elbe gezappelt, ihn mit den Forder-Ta-<lb/>
tzen gehalten, und recht gea&#x0364;ng&#x017F;tiget, daher der&#x017F;elbe<lb/>
an einem hin &#x017F;o kla&#x0364;glich ge&#x017F;chrien. Er bedaurete<lb/>
aber nur, daß er &#x017F;ich hierbey u&#x0364;bereilet, und den<lb/>
Maulwurf zu bald tod ge&#x017F;chlagen, da er billig ha&#x0364;t-<lb/>
te das Ende die&#x017F;es Kampfes abwarten, und &#x017F;ehen<lb/>
&#x017F;ollen, ob der Maulwurf den Fro&#x017F;ch to&#x0364;dten, und<lb/>
davon fre&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>So viel &#x017F;agte er mir noch, daß der Fro&#x017F;ch zwar,<lb/>
nachdem er Luft bekommen, wieder fortgehu&#x0364;pfet,<lb/>
aber er &#x017F;ey doch in der Seite etwas blutritzig ge-<lb/>
we&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Aus die&#x017F;em letztern Um&#x017F;tande, wie auch aus<lb/>
dem a&#x0364;ng&#x017F;tlichen Ge&#x017F;chrey des Fro&#x017F;ches, &#x017F;cheinet as<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">aller-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0190] Das ſechſte Cap. Von einigen weit vom Fußſteige befindlichen Graben etwas ganz aͤngſtlich ſchreyen hoͤren. Anfaͤnglich habe er gemeinet es werde eine junge Katze ſeyn, welche ſich daher verlaufen, oder von den Leuten mit Fleiß heraus aufs Feld getragen und hingeworfen wor- den. Weil er aber gleichwohl ſeiner Sache nicht recht gewiß geweſen, und ſich nicht voͤllig in dieſe Stimme und Geſchrey habe ſchicken koͤnnen, ſo ſey er hinzu gegangen, um zu ſehen, was es doch ei- gentlich ſeyn muͤſſe. Als er herbey gekommen, ſo habe er den Graben, welcher ohngefehr drey Schuh tief, und unten hoͤchſtens einen Schuh breit gewe- ſen, ohne Waſſer, aber mit etwas Gras bewach- ſen, gefunden. Unten in dem Graſe habe er einen alten und ſehr groſen Maulwurf erblicket, welcher ſich mit einem faſt halbwaͤchſigen Gras-Froſche herum getummelt, ſolchen unter ſich gebracht, und, wenn derſelbe gezappelt, ihn mit den Forder-Ta- tzen gehalten, und recht geaͤngſtiget, daher derſelbe an einem hin ſo klaͤglich geſchrien. Er bedaurete aber nur, daß er ſich hierbey uͤbereilet, und den Maulwurf zu bald tod geſchlagen, da er billig haͤt- te das Ende dieſes Kampfes abwarten, und ſehen ſollen, ob der Maulwurf den Froſch toͤdten, und davon freſſen wuͤrde. So viel ſagte er mir noch, daß der Froſch zwar, nachdem er Luft bekommen, wieder fortgehuͤpfet, aber er ſey doch in der Seite etwas blutritzig ge- weſen. Aus dieſem letztern Umſtande, wie auch aus dem aͤngſtlichen Geſchrey des Froſches, ſcheinet as aller-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die erste Ausgabe dieses Werkes erschien 1755. Zu… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz06_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz06_1755/190
Zitationshilfe: Reichardt, Christian: Land- und Garten-Schatzes. Bd. 6. 2. Aufl. Erfurt, 1765, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz06_1755/190>, abgerufen am 31.10.2024.