Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Reichardt, Christian: Land- und Garten-Schatzes. Bd. 6. 2. Aufl. Erfurt, 1765.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweytes Cap. Von Erziehung
gen, keinen Heller gekostet haben, ohne meine ange-
wendete Mühe und Arbeit.

Mein Gemüthe ist so beschaffen, daß ich mei-
nem Neben-Menschen alles Gutes gönne, und der
Neid ist aus meinem Herzen verbannet. Da ich
nun ohnedieß, die mehreste Zeit in dieser Welt gele-
bet habe, so will ich um desto mehr meine Erfah-
rung den Liebhabern dieser Blumen aufrichtig
entdecken.

Zum voraus aber erinnere ich, daß man sich
auf guten und aufrichtigen Samen, welcher von
schönen gefüllten Blumen erzogen worden, beflei-
ßigen müsse.

Es ist aber auch bekant, daß die gefüllten Blu-
men nicht gerne, sondern sehr sparsam ihren Sa-
men bringen, und es ist genung, wenn man nur
ein bis zwey Finger Hüte voll haben kan. Denn
wo man solchen von andern Orten, und in größerer
Quantität erhält, so ist es gewiß ein Zeichen daß
nicht viel Gutes darunter seyn kan.

Mit allen Fleiß habe ich gemeldet, daß der
Same von vollen, und zum wenigsten zweyfarbi-
gen Blumen seyn soll.*)

Viele
*) Obgleich die einfachen Nelkenblumen alle zeit mehr
reifen und vollkommenen Samen hervorbringen,
als die Gefüllten, so ist doch gewiß, daß man von den
gefülten allezeit mehr gefülte Blumen bekommen
wird als von den Einfachen. Also bleibet es dabey,
wenn sonsten der Same von guten Sorten und
wohl ausgesuchten Stücken ist, wie solches im
drit-

Zweytes Cap. Von Erziehung
gen, keinen Heller gekoſtet haben, ohne meine ange-
wendete Muͤhe und Arbeit.

Mein Gemuͤthe iſt ſo beſchaffen, daß ich mei-
nem Neben-Menſchen alles Gutes goͤnne, und der
Neid iſt aus meinem Herzen verbannet. Da ich
nun ohnedieß, die mehreſte Zeit in dieſer Welt gele-
bet habe, ſo will ich um deſto mehr meine Erfah-
rung den Liebhabern dieſer Blumen aufrichtig
entdecken.

Zum voraus aber erinnere ich, daß man ſich
auf guten und aufrichtigen Samen, welcher von
ſchoͤnen gefuͤllten Blumen erzogen worden, beflei-
ßigen muͤſſe.

Es iſt aber auch bekant, daß die gefuͤllten Blu-
men nicht gerne, ſondern ſehr ſparſam ihren Sa-
men bringen, und es iſt genung, wenn man nur
ein bis zwey Finger Huͤte voll haben kan. Denn
wo man ſolchen von andern Orten, und in groͤßerer
Quantitaͤt erhaͤlt, ſo iſt es gewiß ein Zeichen daß
nicht viel Gutes darunter ſeyn kan.

Mit allen Fleiß habe ich gemeldet, daß der
Same von vollen, und zum wenigſten zweyfarbi-
gen Blumen ſeyn ſoll.*)

Viele
*) Obgleich die einfachen Nelkenblumen alle zeit mehr
reifen und vollkommenen Samen hervorbringen,
als die Gefuͤllten, ſo iſt doch gewiß, daß man von den
gefuͤlten allezeit mehr gefuͤlte Blumen bekommen
wird als von den Einfachen. Alſo bleibet es dabey,
wenn ſonſten der Same von guten Sorten und
wohl ausgeſuchten Stuͤcken iſt, wie ſolches im
drit-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0090" n="76"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Zweytes Cap. Von Erziehung</hi></fw><lb/>
gen, keinen Heller geko&#x017F;tet haben, ohne meine ange-<lb/>
wendete Mu&#x0364;he und Arbeit.</p><lb/>
          <p>Mein Gemu&#x0364;the i&#x017F;t &#x017F;o be&#x017F;chaffen, daß ich mei-<lb/>
nem Neben-Men&#x017F;chen alles Gutes go&#x0364;nne, und der<lb/>
Neid i&#x017F;t aus meinem Herzen verbannet. Da ich<lb/>
nun ohnedieß, die mehre&#x017F;te Zeit in die&#x017F;er Welt gele-<lb/>
bet habe, &#x017F;o will ich um de&#x017F;to mehr meine Erfah-<lb/>
rung den Liebhabern die&#x017F;er Blumen aufrichtig<lb/>
entdecken.</p><lb/>
          <p>Zum voraus aber erinnere ich, daß man &#x017F;ich<lb/>
auf guten und aufrichtigen Samen, welcher von<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;nen gefu&#x0364;llten Blumen erzogen worden, beflei-<lb/>
ßigen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e.</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t aber auch bekant, daß die gefu&#x0364;llten Blu-<lb/>
men nicht gerne, &#x017F;ondern &#x017F;ehr &#x017F;par&#x017F;am ihren Sa-<lb/>
men bringen, und es i&#x017F;t genung, wenn man nur<lb/>
ein bis zwey Finger Hu&#x0364;te voll haben kan. Denn<lb/>
wo man &#x017F;olchen von andern Orten, und in gro&#x0364;ßerer<lb/>
Quantita&#x0364;t erha&#x0364;lt, &#x017F;o i&#x017F;t es gewiß ein Zeichen daß<lb/>
nicht viel Gutes darunter &#x017F;eyn kan.</p><lb/>
          <p>Mit allen Fleiß habe ich gemeldet, daß der<lb/>
Same von vollen, und zum wenig&#x017F;ten zweyfarbi-<lb/>
gen Blumen &#x017F;eyn &#x017F;oll.<note xml:id="a01" n="*)" place="foot" next="#a02">Obgleich die einfachen Nelkenblumen alle zeit mehr<lb/>
reifen und vollkommenen Samen hervorbringen,<lb/>
als die Gefu&#x0364;llten, &#x017F;o i&#x017F;t doch gewiß, daß man von den<lb/>
gefu&#x0364;lten allezeit mehr gefu&#x0364;lte Blumen bekommen<lb/>
wird als von den Einfachen. Al&#x017F;o bleibet es dabey,<lb/>
wenn &#x017F;on&#x017F;ten der Same von guten Sorten und<lb/>
wohl ausge&#x017F;uchten Stu&#x0364;cken i&#x017F;t, wie &#x017F;olches im<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">drit-</fw></note></p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Viele</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0090] Zweytes Cap. Von Erziehung gen, keinen Heller gekoſtet haben, ohne meine ange- wendete Muͤhe und Arbeit. Mein Gemuͤthe iſt ſo beſchaffen, daß ich mei- nem Neben-Menſchen alles Gutes goͤnne, und der Neid iſt aus meinem Herzen verbannet. Da ich nun ohnedieß, die mehreſte Zeit in dieſer Welt gele- bet habe, ſo will ich um deſto mehr meine Erfah- rung den Liebhabern dieſer Blumen aufrichtig entdecken. Zum voraus aber erinnere ich, daß man ſich auf guten und aufrichtigen Samen, welcher von ſchoͤnen gefuͤllten Blumen erzogen worden, beflei- ßigen muͤſſe. Es iſt aber auch bekant, daß die gefuͤllten Blu- men nicht gerne, ſondern ſehr ſparſam ihren Sa- men bringen, und es iſt genung, wenn man nur ein bis zwey Finger Huͤte voll haben kan. Denn wo man ſolchen von andern Orten, und in groͤßerer Quantitaͤt erhaͤlt, ſo iſt es gewiß ein Zeichen daß nicht viel Gutes darunter ſeyn kan. Mit allen Fleiß habe ich gemeldet, daß der Same von vollen, und zum wenigſten zweyfarbi- gen Blumen ſeyn ſoll. *) Viele *) Obgleich die einfachen Nelkenblumen alle zeit mehr reifen und vollkommenen Samen hervorbringen, als die Gefuͤllten, ſo iſt doch gewiß, daß man von den gefuͤlten allezeit mehr gefuͤlte Blumen bekommen wird als von den Einfachen. Alſo bleibet es dabey, wenn ſonſten der Same von guten Sorten und wohl ausgeſuchten Stuͤcken iſt, wie ſolches im drit-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die erste Ausgabe dieses Werkes erschien 1755. Zu… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz06_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz06_1755/90
Zitationshilfe: Reichardt, Christian: Land- und Garten-Schatzes. Bd. 6. 2. Aufl. Erfurt, 1765, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reichart_landschatz06_1755/90>, abgerufen am 31.10.2024.