chen werde ich mehr oder weniger dencken müssen, nachdem wie die Antwort von meinem Onckle aus- fällt.
Es thut mir leyd, daß sich Hannichen noch übel befindet. Jch bitte Sie, erkundigen Sie sich an meiner statt, ob sie an etwas Mangel leydet.
Jch will diesen Brief nicht schliessen, bis der morgende Tag vorbey ist, denn ich bin entschlossen in die Kirche zu gehen, so wohl um meine Andacht zu haben, als zu sehen, ob ich ausgehen darf ohne be- gleitet und bewachet zu werden.
Sonntogs den 14ten May.
Jch habe einen kurtzen Wortwechsel mit Herrn Lovelacen nicht vermeiden können. Jch hatte eine Kutsche bestellet, und so bald ich hörete, daß sie vor der Thür wäre, ging ich aus meiner Stube, um wegzufahren. Allein ich traf ihn schon gantz angezogen obgleich ohne Hut und Degen oben auf der Treppe an, da er ein Buch in der Hand hatte.
Er fragte mich ungemein ernsthaft und dennoch ehrerbietig ob ich ausfahren wollte. Als ich hiezu Ja sagte, bat er sich aus, daß er mich begleiten dürfte, wenn ich in die Kirche führe. Jch schlug ihm dieses ab. Hierauf beschwerte er sich heftig über meine Aufführung gegen ihn, und sagte er möchte nicht noch eine solche Woche überleben, als die vori- ge gewesen wäre, wenn er auch die gantze Welt da- mit verdienen könnte.
Jch gestand ihm offenhertzig, daß ich mich an die Meinigen gewandt hätte, und so lange vor mich blei- ben wollte, bis ich den Erfolg meiner Bitte sähe.
Er
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chen werde ich mehr oder weniger dencken muͤſſen, nachdem wie die Antwort von meinem Onckle aus- faͤllt.
Es thut mir leyd, daß ſich Hannichen noch uͤbel befindet. Jch bitte Sie, erkundigen Sie ſich an meiner ſtatt, ob ſie an etwas Mangel leydet.
Jch will dieſen Brief nicht ſchlieſſen, bis der morgende Tag vorbey iſt, denn ich bin entſchloſſen in die Kirche zu gehen, ſo wohl um meine Andacht zu haben, als zu ſehen, ob ich ausgehen darf ohne be- gleitet und bewachet zu werden.
Sonntogs den 14ten May.
Jch habe einen kurtzen Wortwechſel mit Herrn Lovelacen nicht vermeiden koͤnnen. Jch hatte eine Kutſche beſtellet, und ſo bald ich hoͤrete, daß ſie vor der Thuͤr waͤre, ging ich aus meiner Stube, um wegzufahren. Allein ich traf ihn ſchon gantz angezogen obgleich ohne Hut und Degen oben auf der Treppe an, da er ein Buch in der Hand hatte.
Er fragte mich ungemein ernſthaft und dennoch ehrerbietig ob ich ausfahren wollte. Als ich hiezu Ja ſagte, bat er ſich aus, daß er mich begleiten duͤrfte, wenn ich in die Kirche fuͤhre. Jch ſchlug ihm dieſes ab. Hierauf beſchwerte er ſich heftig uͤber meine Auffuͤhrung gegen ihn, und ſagte er moͤchte nicht noch eine ſolche Woche uͤberleben, als die vori- ge geweſen waͤre, wenn er auch die gantze Welt da- mit verdienen koͤnnte.
Jch geſtand ihm offenhertzig, daß ich mich an die Meinigen gewandt haͤtte, und ſo lange vor mich blei- ben wollte, bis ich den Erfolg meiner Bitte ſaͤhe.
Er
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chen werde ich mehr oder weniger dencken muͤſſen,
nachdem wie die Antwort von meinem Onckle aus-
faͤllt.
Es thut mir leyd, daß ſich Hannichen noch
uͤbel befindet. Jch bitte Sie, erkundigen Sie ſich
an meiner ſtatt, ob ſie an etwas Mangel leydet.
Jch will dieſen Brief nicht ſchlieſſen, bis der
morgende Tag vorbey iſt, denn ich bin entſchloſſen
in die Kirche zu gehen, ſo wohl um meine Andacht
zu haben, als zu ſehen, ob ich ausgehen darf ohne be-
gleitet und bewachet zu werden.
Sonntogs den 14ten May.
Jch habe einen kurtzen Wortwechſel mit Herrn
Lovelacen nicht vermeiden koͤnnen. Jch hatte
eine Kutſche beſtellet, und ſo bald ich hoͤrete, daß ſie
vor der Thuͤr waͤre, ging ich aus meiner Stube,
um wegzufahren. Allein ich traf ihn ſchon gantz
angezogen obgleich ohne Hut und Degen oben auf
der Treppe an, da er ein Buch in der Hand hatte.
Er fragte mich ungemein ernſthaft und dennoch
ehrerbietig ob ich ausfahren wollte. Als ich hiezu
Ja ſagte, bat er ſich aus, daß er mich begleiten
duͤrfte, wenn ich in die Kirche fuͤhre. Jch ſchlug
ihm dieſes ab. Hierauf beſchwerte er ſich heftig uͤber
meine Auffuͤhrung gegen ihn, und ſagte er moͤchte
nicht noch eine ſolche Woche uͤberleben, als die vori-
ge geweſen waͤre, wenn er auch die gantze Welt da-
mit verdienen koͤnnte.
Jch geſtand ihm offenhertzig, daß ich mich an die
Meinigen gewandt haͤtte, und ſo lange vor mich blei-
ben wollte, bis ich den Erfolg meiner Bitte ſaͤhe.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/45>, abgerufen am 11.05.2024.
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