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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750.

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nen zu halten, und sich an der andern Lachen nicht
zu kehren. Mir wäre es lieb zu sehen, daß sie
bey ihr so los säßen. Vielleicht könnte man
sich dergleichen Fremdlinge wohl zu Nutze ma-
chen. Kurz, ich wollte, daß sie ihnen oft den
freyen Lauf ließe, und versuchen möchte, ob es
nicht möglich wäre, sich bey ihrer Fräulein durch
das Antheil an ihren Zufällen ein Vertrauen zu
erwerben.

Sie sagte, ihre Fräulein hätte derselben
freundlich gegen sie Erwähnung gethan, und
sich gefreuet, solche Zeichen der Menschlichkeit an
ihr wahrzunehmen.

Wohlan denn, versetzte ich, es ist eure Rol-
le
bey diesem Spiel, weichherzig zu seyn: es
mag nun etwas daraus entstehen oder nicht. Es
kann keinen Schaden thun: wo es keinen Vor-
theil bringet. Nur nehmet euch in Acht, daß
ihr nicht allzu plötzlich und zu gefällig mitlei-
dig seyd.

Auf die Weise, glaube ich, wird Dorcas gar
geschwinde bey ihrer Fräulein ein ehrliches Mensch
von gutem Gemüthe seyn. Da dieß Weibsleu-
ten anständig ist; und meine Geliebte sich gern
von ihrem Geschlechte hohe Gedanken macht: so
wird es desto eher bey ihr hingehen.

Jch dachte, ich hätte eine Probe gemacht,
weil ich so weit gegangen bin, ob sie mir nicht den
vertraulichsten Umgang ohne die Ehe verstat-
ten würde. Allein was kann ich für Hoffnung
haben, zu meinem Zweck zu kommen? - - Sie

ist



nen zu halten, und ſich an der andern Lachen nicht
zu kehren. Mir waͤre es lieb zu ſehen, daß ſie
bey ihr ſo los ſaͤßen. Vielleicht koͤnnte man
ſich dergleichen Fremdlinge wohl zu Nutze ma-
chen. Kurz, ich wollte, daß ſie ihnen oft den
freyen Lauf ließe, und verſuchen moͤchte, ob es
nicht moͤglich waͤre, ſich bey ihrer Fraͤulein durch
das Antheil an ihren Zufaͤllen ein Vertrauen zu
erwerben.

Sie ſagte, ihre Fraͤulein haͤtte derſelben
freundlich gegen ſie Erwaͤhnung gethan, und
ſich gefreuet, ſolche Zeichen der Menſchlichkeit an
ihr wahrzunehmen.

Wohlan denn, verſetzte ich, es iſt eure Rol-
le
bey dieſem Spiel, weichherzig zu ſeyn: es
mag nun etwas daraus entſtehen oder nicht. Es
kann keinen Schaden thun: wo es keinen Vor-
theil bringet. Nur nehmet euch in Acht, daß
ihr nicht allzu ploͤtzlich und zu gefaͤllig mitlei-
dig ſeyd.

Auf die Weiſe, glaube ich, wird Dorcas gar
geſchwinde bey ihrer Fraͤulein ein ehrliches Menſch
von gutem Gemuͤthe ſeyn. Da dieß Weibsleu-
ten anſtaͤndig iſt; und meine Geliebte ſich gern
von ihrem Geſchlechte hohe Gedanken macht: ſo
wird es deſto eher bey ihr hingehen.

Jch dachte, ich haͤtte eine Probe gemacht,
weil ich ſo weit gegangen bin, ob ſie mir nicht den
vertraulichſten Umgang ohne die Ehe verſtat-
ten wuͤrde. Allein was kann ich fuͤr Hoffnung
haben, zu meinem Zweck zu kommen? ‒ ‒ Sie

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[670/0676] nen zu halten, und ſich an der andern Lachen nicht zu kehren. Mir waͤre es lieb zu ſehen, daß ſie bey ihr ſo los ſaͤßen. Vielleicht koͤnnte man ſich dergleichen Fremdlinge wohl zu Nutze ma- chen. Kurz, ich wollte, daß ſie ihnen oft den freyen Lauf ließe, und verſuchen moͤchte, ob es nicht moͤglich waͤre, ſich bey ihrer Fraͤulein durch das Antheil an ihren Zufaͤllen ein Vertrauen zu erwerben. Sie ſagte, ihre Fraͤulein haͤtte derſelben freundlich gegen ſie Erwaͤhnung gethan, und ſich gefreuet, ſolche Zeichen der Menſchlichkeit an ihr wahrzunehmen. Wohlan denn, verſetzte ich, es iſt eure Rol- le bey dieſem Spiel, weichherzig zu ſeyn: es mag nun etwas daraus entſtehen oder nicht. Es kann keinen Schaden thun: wo es keinen Vor- theil bringet. Nur nehmet euch in Acht, daß ihr nicht allzu ploͤtzlich und zu gefaͤllig mitlei- dig ſeyd. Auf die Weiſe, glaube ich, wird Dorcas gar geſchwinde bey ihrer Fraͤulein ein ehrliches Menſch von gutem Gemuͤthe ſeyn. Da dieß Weibsleu- ten anſtaͤndig iſt; und meine Geliebte ſich gern von ihrem Geſchlechte hohe Gedanken macht: ſo wird es deſto eher bey ihr hingehen. Jch dachte, ich haͤtte eine Probe gemacht, weil ich ſo weit gegangen bin, ob ſie mir nicht den vertraulichſten Umgang ohne die Ehe verſtat- ten wuͤrde. Allein was kann ich fuͤr Hoffnung haben, zu meinem Zweck zu kommen? ‒ ‒ Sie iſt

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 5. Göttingen, 1750, S. 670. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa05_1750/676>, abgerufen am 03.06.2024.