Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



herausreden, aber Sie müssen es gegenwärtig
noch nicht wieder erzählen - - zu berauschenden
und betäubenden Tränken, und zu der grausam-
sten und schimpflichsten Gewaltthätigkeit seine
Zuflucht zu nehmen: wenn ich meine Pflicht
nicht sorgfältig beobachtet hätte?

Nur noch wenige Worte von dieser betrübten
Sache - -

Wenn ich alles überlege, was mir begegnet
ist: so sehe ich offenbar, daß dieser Verführer,
den man gemeiniglich für gedankenlos gehal-
ten, gegen mich nach einem regelmäßigen und vor-
her verabredeten Entwurf zu seiner niederträchti-
gen Schandthat gehandelt hat.

Damit er alle seine schändliche Ränke in den
Gang brächte, war anfangs nichts weiter nöthig,
als daß er mich entweder mit Gewalt oder mit
List bewegte, mich in seine Gewalt zu begeben:
und nachdem dieß ins Werk gerichtet war, hätte
mich nichts, als der Einspruch von dem väterli-
chen Ansehen, dessen Gebrauch zu meinem Be-
sten, ich aber nicht verdienet hatte, von den
Wirkungen seiner unergründlichen Anschläge ret-
ten können. Ein Widerstand von irgend einem
andern Theile würde nur nach allzu vieler Wahr-
scheinlichkeit, seine unmenschliche und undankba-
re Gewaltthätigkeit beschleuniget haben. Ja,
wären Sie selbst bey mir gewesen: so würden
Sie auf eine oder die andere Art, wie ich nun-
mehr Grund zu denken habe, für Jhre Bemü-
hung mich zu retten gelitten haben. Denn nie-

mals



herausreden, aber Sie muͤſſen es gegenwaͤrtig
noch nicht wieder erzaͤhlen ‒ ‒ zu berauſchenden
und betaͤubenden Traͤnken, und zu der grauſam-
ſten und ſchimpflichſten Gewaltthaͤtigkeit ſeine
Zuflucht zu nehmen: wenn ich meine Pflicht
nicht ſorgfaͤltig beobachtet haͤtte?

Nur noch wenige Worte von dieſer betruͤbten
Sache ‒ ‒

Wenn ich alles uͤberlege, was mir begegnet
iſt: ſo ſehe ich offenbar, daß dieſer Verfuͤhrer,
den man gemeiniglich fuͤr gedankenlos gehal-
ten, gegen mich nach einem regelmaͤßigen und vor-
her verabredeten Entwurf zu ſeiner niedertraͤchti-
gen Schandthat gehandelt hat.

Damit er alle ſeine ſchaͤndliche Raͤnke in den
Gang braͤchte, war anfangs nichts weiter noͤthig,
als daß er mich entweder mit Gewalt oder mit
Liſt bewegte, mich in ſeine Gewalt zu begeben:
und nachdem dieß ins Werk gerichtet war, haͤtte
mich nichts, als der Einſpruch von dem vaͤterli-
chen Anſehen, deſſen Gebrauch zu meinem Be-
ſten, ich aber nicht verdienet hatte, von den
Wirkungen ſeiner unergruͤndlichen Anſchlaͤge ret-
ten koͤnnen. Ein Widerſtand von irgend einem
andern Theile wuͤrde nur nach allzu vieler Wahr-
ſcheinlichkeit, ſeine unmenſchliche und undankba-
re Gewaltthaͤtigkeit beſchleuniget haben. Ja,
waͤren Sie ſelbſt bey mir geweſen: ſo wuͤrden
Sie auf eine oder die andere Art, wie ich nun-
mehr Grund zu denken habe, fuͤr Jhre Bemuͤ-
hung mich zu retten gelitten haben. Denn nie-

mals
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <floatingText>
            <body>
              <p><pb facs="#f0070" n="64"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
herausreden, aber Sie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en es gegenwa&#x0364;rtig<lb/>
noch nicht wieder erza&#x0364;hlen &#x2012; &#x2012; zu berau&#x017F;chenden<lb/>
und beta&#x0364;ubenden Tra&#x0364;nken, und zu der grau&#x017F;am-<lb/>
&#x017F;ten und &#x017F;chimpflich&#x017F;ten Gewalttha&#x0364;tigkeit &#x017F;eine<lb/>
Zuflucht zu nehmen: wenn ich meine Pflicht<lb/>
nicht &#x017F;orgfa&#x0364;ltig beobachtet ha&#x0364;tte?</p><lb/>
              <p>Nur noch wenige Worte von die&#x017F;er betru&#x0364;bten<lb/>
Sache &#x2012; &#x2012;</p><lb/>
              <p>Wenn ich alles u&#x0364;berlege, was mir begegnet<lb/>
i&#x017F;t: &#x017F;o &#x017F;ehe ich offenbar, daß die&#x017F;er Verfu&#x0364;hrer,<lb/>
den man gemeiniglich fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">gedankenlos</hi> gehal-<lb/>
ten, gegen mich nach einem regelma&#x0364;ßigen und vor-<lb/>
her verabredeten Entwurf zu &#x017F;einer niedertra&#x0364;chti-<lb/>
gen Schandthat gehandelt hat.</p><lb/>
              <p>Damit er alle &#x017F;eine &#x017F;cha&#x0364;ndliche Ra&#x0364;nke in den<lb/>
Gang bra&#x0364;chte, war anfangs nichts weiter no&#x0364;thig,<lb/>
als daß er mich entweder mit Gewalt oder mit<lb/>
Li&#x017F;t bewegte, mich in &#x017F;eine Gewalt zu begeben:<lb/>
und nachdem dieß ins Werk gerichtet war, ha&#x0364;tte<lb/>
mich nichts, als der Ein&#x017F;pruch von dem va&#x0364;terli-<lb/>
chen An&#x017F;ehen, de&#x017F;&#x017F;en Gebrauch zu meinem Be-<lb/>
&#x017F;ten, ich aber nicht verdienet hatte, von den<lb/>
Wirkungen &#x017F;einer unergru&#x0364;ndlichen An&#x017F;chla&#x0364;ge ret-<lb/>
ten ko&#x0364;nnen. Ein Wider&#x017F;tand von irgend einem<lb/>
andern Theile wu&#x0364;rde nur nach allzu vieler Wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlichkeit, &#x017F;eine unmen&#x017F;chliche und undankba-<lb/>
re Gewalttha&#x0364;tigkeit be&#x017F;chleuniget haben. Ja,<lb/>
wa&#x0364;ren <hi rendition="#fr">Sie &#x017F;elb&#x017F;t</hi> bey mir gewe&#x017F;en: &#x017F;o wu&#x0364;rden<lb/>
Sie auf eine oder die andere Art, wie ich nun-<lb/>
mehr Grund zu denken habe, fu&#x0364;r Jhre Bemu&#x0364;-<lb/>
hung mich zu retten gelitten haben. Denn nie-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mals</fw><lb/></p>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[64/0070] herausreden, aber Sie muͤſſen es gegenwaͤrtig noch nicht wieder erzaͤhlen ‒ ‒ zu berauſchenden und betaͤubenden Traͤnken, und zu der grauſam- ſten und ſchimpflichſten Gewaltthaͤtigkeit ſeine Zuflucht zu nehmen: wenn ich meine Pflicht nicht ſorgfaͤltig beobachtet haͤtte? Nur noch wenige Worte von dieſer betruͤbten Sache ‒ ‒ Wenn ich alles uͤberlege, was mir begegnet iſt: ſo ſehe ich offenbar, daß dieſer Verfuͤhrer, den man gemeiniglich fuͤr gedankenlos gehal- ten, gegen mich nach einem regelmaͤßigen und vor- her verabredeten Entwurf zu ſeiner niedertraͤchti- gen Schandthat gehandelt hat. Damit er alle ſeine ſchaͤndliche Raͤnke in den Gang braͤchte, war anfangs nichts weiter noͤthig, als daß er mich entweder mit Gewalt oder mit Liſt bewegte, mich in ſeine Gewalt zu begeben: und nachdem dieß ins Werk gerichtet war, haͤtte mich nichts, als der Einſpruch von dem vaͤterli- chen Anſehen, deſſen Gebrauch zu meinem Be- ſten, ich aber nicht verdienet hatte, von den Wirkungen ſeiner unergruͤndlichen Anſchlaͤge ret- ten koͤnnen. Ein Widerſtand von irgend einem andern Theile wuͤrde nur nach allzu vieler Wahr- ſcheinlichkeit, ſeine unmenſchliche und undankba- re Gewaltthaͤtigkeit beſchleuniget haben. Ja, waͤren Sie ſelbſt bey mir geweſen: ſo wuͤrden Sie auf eine oder die andere Art, wie ich nun- mehr Grund zu denken habe, fuͤr Jhre Bemuͤ- hung mich zu retten gelitten haben. Denn nie- mals

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/70
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/70>, abgerufen am 01.11.2024.