Sie haben gehört, daß ich krank gewesen sey, schreiben Sie. Es ist wahr, ich habe einen An- stoß vom kalten Fieber gehabt: allein es war so wenig, daß es mich kaum eine Stunde im Bette zu seyn genöthiget hat. Aber ich zweifle nicht, daß Sie wunderliche Dinge gehört, und sich ha- ben erzählen lassen müssen, damit Sie beredet werden könnten, den Schritt zu thun, den Sie gethan haben. So lange, bis Sie diesen Schritt gethan hatten; ich meyne, bis Sie mit dem nie- derträchtigen Kerl wieder zurück gegangen waren; habe ich keine Begebenheit gewußt, die mehr Mit- leiden verdiente, als Jhr Zufall. - - Denn vor- her mußte Sie ein jeder entschuldiget haben, der nur gewußt, wie man zu Hause mit Jhnen um- gegangen, und Jhre Klugheit und Wachsamkeit gekannt hätte. Aber nun leider! meine Werthe, sehen wir, daß man sich auch auf die weisesten Leute nicht verlassen kann, wenn die Liebe, wie ein Jrrwisch, ihr verführerisches Feuer den Augen vorhält.
Meine Mutter sagt mir, sie habe Jhnen ge- antwortet, und Sie gebeten, nicht an mich zu schreiben, weil es mich nur kränken würde. Ge- wiß ich bin gekränket, über alle Maßen gekrän- ket, und noch dazu in meiner Hoffnung betro- gen; das müssen Sie mir erlauben zu sagen: denn ich hatte allezeit gedacht, daß niemals ein solches Frauenzimmer, als Sie, bey Jhren Jah- ren, in der Welt gewesen wäre.
Jedoch
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Sie haben gehoͤrt, daß ich krank geweſen ſey, ſchreiben Sie. Es iſt wahr, ich habe einen An- ſtoß vom kalten Fieber gehabt: allein es war ſo wenig, daß es mich kaum eine Stunde im Bette zu ſeyn genoͤthiget hat. Aber ich zweifle nicht, daß Sie wunderliche Dinge gehoͤrt, und ſich ha- ben erzaͤhlen laſſen muͤſſen, damit Sie beredet werden koͤnnten, den Schritt zu thun, den Sie gethan haben. So lange, bis Sie dieſen Schritt gethan hatten; ich meyne, bis Sie mit dem nie- dertraͤchtigen Kerl wieder zuruͤck gegangen waren; habe ich keine Begebenheit gewußt, die mehr Mit- leiden verdiente, als Jhr Zufall. ‒ ‒ Denn vor- her mußte Sie ein jeder entſchuldiget haben, der nur gewußt, wie man zu Hauſe mit Jhnen um- gegangen, und Jhre Klugheit und Wachſamkeit gekannt haͤtte. Aber nun leider! meine Werthe, ſehen wir, daß man ſich auch auf die weiſeſten Leute nicht verlaſſen kann, wenn die Liebe, wie ein Jrrwiſch, ihr verfuͤhreriſches Feuer den Augen vorhaͤlt.
Meine Mutter ſagt mir, ſie habe Jhnen ge- antwortet, und Sie gebeten, nicht an mich zu ſchreiben, weil es mich nur kraͤnken wuͤrde. Ge- wiß ich bin gekraͤnket, uͤber alle Maßen gekraͤn- ket, und noch dazu in meiner Hoffnung betro- gen; das muͤſſen Sie mir erlauben zu ſagen: denn ich hatte allezeit gedacht, daß niemals ein ſolches Frauenzimmer, als Sie, bey Jhren Jah- ren, in der Welt geweſen waͤre.
Jedoch
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Sie haben gehoͤrt, daß ich krank geweſen ſey,
ſchreiben Sie. Es iſt wahr, ich habe einen An-
ſtoß vom kalten Fieber gehabt: allein es war ſo
wenig, daß es mich kaum eine Stunde im Bette
zu ſeyn genoͤthiget hat. Aber ich zweifle nicht,
daß Sie wunderliche Dinge gehoͤrt, und ſich ha-
ben erzaͤhlen laſſen muͤſſen, damit Sie beredet
werden koͤnnten, den Schritt zu thun, den Sie
gethan haben. So lange, bis Sie dieſen Schritt
gethan hatten; ich meyne, bis Sie mit dem nie-
dertraͤchtigen Kerl wieder zuruͤck gegangen waren;
habe ich keine Begebenheit gewußt, die mehr Mit-
leiden verdiente, als Jhr Zufall. ‒ ‒ Denn vor-
her mußte Sie ein jeder entſchuldiget haben, der
nur gewußt, wie man zu Hauſe mit Jhnen um-
gegangen, und Jhre Klugheit und Wachſamkeit
gekannt haͤtte. Aber nun leider! meine Werthe,
ſehen wir, daß man ſich auch auf die weiſeſten
Leute nicht verlaſſen kann, wenn die Liebe,
wie ein Jrrwiſch, ihr verfuͤhreriſches Feuer den
Augen vorhaͤlt.
Meine Mutter ſagt mir, ſie habe Jhnen ge-
antwortet, und Sie gebeten, nicht an mich zu
ſchreiben, weil es mich nur kraͤnken wuͤrde. Ge-
wiß ich bin gekraͤnket, uͤber alle Maßen gekraͤn-
ket, und noch dazu in meiner Hoffnung betro-
gen; das muͤſſen Sie mir erlauben zu ſagen:
denn ich hatte allezeit gedacht, daß niemals ein
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ren, in der Welt geweſen waͤre.
Jedoch
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/89>, abgerufen am 31.10.2024.
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