Mus. 829) aufs Genaueste überein, nur dass der Mann auf der Londoner Schale einen Petasos trägt. Die Darstellung würde demnach, wenn meine oben gegebene Darlegung richtig ist, auf Paris und Helena zu deuten sein. Anders urteilt Kekule a. a. O. p. 156.
Zu S. 128. Auf die Frage, welche Gesetze über die Aus- wahl der einzelnen Scenen walteten, hat, soweit sie die archaische Kunst betrifft, unterdessen Löschcke in der Arch. Zeit. 1880 S. 50 eine Antwort gegeben, mit der ich mich vollständig ein- verstanden erklären kann. Sie lautet: "Diejenigen Scenen er- hielten unter dekorativ sonst gleich verwendbaren den Vorzug, die sich mit schon vorhandenen und den Handwerkern geläufigen Figuren ausdrücken liessen oder wenigstens eine nur geringe Modifikation derselben heischten". Gegenüber dem letzten Satze des Artikels aber muss ich behaupten, dass es für die Frage nach der Popularität des Epos völlig gleichgültig ist, ob ein fertiger Typus auf eine Scene der Ilias übertragen oder die bildliche Darstellung derselben durch Kombinierung fertiger Figuren oder endlich durch Neuschöpfungen erzielt wird. Die Bekanntschaft mit dem Sagengehalt der homerischen Gedichte bildet in gleicher Weise die unumgängliche Voraussetzung für alle drei Fälle, so verschieden sie auch sein mögen. Vermittelt kann aber diese Bekanntschaft nur sein durch eine, wenn auch noch so flüchtige Kenntnis der homerischen Gedichte, welche die Vasenmaler jener Zeit zwar gewiss nicht gelesen, aber ebenso gewiss häufig gehört hatten. Denn wenn Löschcke an einer andern Stelle (Archäologische Miscellen. Dorpater Programm 1880) bezweifelt, dass ein schwarzfiguriger oder gar ein korin- thischer Maler Ilias und Odyssee gekannt habe, so möchte ich auf den Kebriones der S. 23 Anm. 21 erwähnten korinthischen Vase und das dort Bemerkte verweisen. Wollte man selbst zu- geben, was ich indessen durchaus in Abrede stellen muss, dass eine Anzahl besonders drastischer und volkstümlicher Geschichten dem Stoffe nach (also unabhängig von ihrer poetischen Behandlung) überall bekannt waren, wollte man mit anderen Worten zu- geben, dass die von den Griechen aus dem griechischen Mutter-
Mus. 829) aufs Genaueste überein, nur daſs der Mann auf der Londoner Schale einen Petasos trägt. Die Darstellung würde demnach, wenn meine oben gegebene Darlegung richtig ist, auf Paris und Helena zu deuten sein. Anders urteilt Kekulé a. a. O. p. 156.
Zu S. 128. Auf die Frage, welche Gesetze über die Aus- wahl der einzelnen Scenen walteten, hat, soweit sie die archaische Kunst betrifft, unterdessen Löschcke in der Arch. Zeit. 1880 S. 50 eine Antwort gegeben, mit der ich mich vollständig ein- verstanden erklären kann. Sie lautet: „Diejenigen Scenen er- hielten unter dekorativ sonst gleich verwendbaren den Vorzug, die sich mit schon vorhandenen und den Handwerkern geläufigen Figuren ausdrücken lieſsen oder wenigstens eine nur geringe Modifikation derselben heischten“. Gegenüber dem letzten Satze des Artikels aber muſs ich behaupten, daſs es für die Frage nach der Popularität des Epos völlig gleichgültig ist, ob ein fertiger Typus auf eine Scene der Ilias übertragen oder die bildliche Darstellung derselben durch Kombinierung fertiger Figuren oder endlich durch Neuschöpfungen erzielt wird. Die Bekanntschaft mit dem Sagengehalt der homerischen Gedichte bildet in gleicher Weise die unumgängliche Voraussetzung für alle drei Fälle, so verschieden sie auch sein mögen. Vermittelt kann aber diese Bekanntschaft nur sein durch eine, wenn auch noch so flüchtige Kenntnis der homerischen Gedichte, welche die Vasenmaler jener Zeit zwar gewiſs nicht gelesen, aber ebenso gewiſs häufig gehört hatten. Denn wenn Löschcke an einer andern Stelle (Archäologische Miscellen. Dorpater Programm 1880) bezweifelt, daſs ein schwarzfiguriger oder gar ein korin- thischer Maler Ilias und Odyssee gekannt habe, so möchte ich auf den Kebriones der S. 23 Anm. 21 erwähnten korinthischen Vase und das dort Bemerkte verweisen. Wollte man selbst zu- geben, was ich indessen durchaus in Abrede stellen muſs, daſs eine Anzahl besonders drastischer und volkstümlicher Geschichten dem Stoffe nach (also unabhängig von ihrer poetischen Behandlung) überall bekannt waren, wollte man mit anderen Worten zu- geben, daſs die von den Griechen aus dem griechischen Mutter-
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Mus. 829) aufs Genaueste überein, nur daſs der Mann auf der
Londoner Schale einen Petasos trägt. Die Darstellung würde
demnach, wenn meine oben gegebene Darlegung richtig ist, auf
Paris und Helena zu deuten sein. Anders urteilt Kekulé a. a. O.
p. 156.
Zu S. 128. Auf die Frage, welche Gesetze über die Aus-
wahl der einzelnen Scenen walteten, hat, soweit sie die archaische
Kunst betrifft, unterdessen Löschcke in der Arch. Zeit. 1880
S. 50 eine Antwort gegeben, mit der ich mich vollständig ein-
verstanden erklären kann. Sie lautet: „Diejenigen Scenen er-
hielten unter dekorativ sonst gleich verwendbaren den Vorzug,
die sich mit schon vorhandenen und den Handwerkern geläufigen
Figuren ausdrücken lieſsen oder wenigstens eine nur geringe
Modifikation derselben heischten“. Gegenüber dem letzten Satze
des Artikels aber muſs ich behaupten, daſs es für die Frage
nach der Popularität des Epos völlig gleichgültig ist, ob ein
fertiger Typus auf eine Scene der Ilias übertragen oder die
bildliche Darstellung derselben durch Kombinierung fertiger
Figuren oder endlich durch Neuschöpfungen erzielt wird. Die
Bekanntschaft mit dem Sagengehalt der homerischen Gedichte
bildet in gleicher Weise die unumgängliche Voraussetzung für
alle drei Fälle, so verschieden sie auch sein mögen. Vermittelt
kann aber diese Bekanntschaft nur sein durch eine, wenn auch
noch so flüchtige Kenntnis der homerischen Gedichte, welche die
Vasenmaler jener Zeit zwar gewiſs nicht gelesen, aber ebenso
gewiſs häufig gehört hatten. Denn wenn Löschcke an einer
andern Stelle (Archäologische Miscellen. Dorpater Programm
1880) bezweifelt, daſs ein schwarzfiguriger oder gar ein korin-
thischer Maler Ilias und Odyssee gekannt habe, so möchte ich
auf den Kebriones der S. 23 Anm. 21 erwähnten korinthischen
Vase und das dort Bemerkte verweisen. Wollte man selbst zu-
geben, was ich indessen durchaus in Abrede stellen muſs, daſs
eine Anzahl besonders drastischer und volkstümlicher Geschichten
dem Stoffe nach (also unabhängig von ihrer poetischen Behandlung)
überall bekannt waren, wollte man mit anderen Worten zu-
geben, daſs die von den Griechen aus dem griechischen Mutter-
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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 250. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/264>, abgerufen am 17.06.2024.
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