Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.lebhaft vor meiner Seele, verzeihend und zugleich mächtig genug, um jeden fremden Eindruck wieder zu verwischen. Ich durfte Marien nicht täuschen. Hatte sie wirklich eine Neigung zu mir gefaßt, so mußte ich diese bekämpfen und mich ihr entziehen, damit meine Gegenwart die hereinbrechende Verwirrung nicht noch vergrößere. 9. Das Fest in Burg. Am andern Morgen erhob ich mich bei Zeiten, um mit Franz, dessen Schulstunden schon um sieben Uhr begannen, zu sprechen. Er empfing mich gut und freundlich, wie immer. Sobald das Frühstück beendet war, nahm ich ihn unter den Arm und führte ihn in den Garten. Es muß klar zwischen uns werden, lieber Freund! sagte ich. Dieses Mißverhältniß, dieses scheue Umgehen der Dinge, die uns innerlich lebhaft genug beschäftigen, soll aufhören. Du liebst Marien -- unterbrich mich nicht! -- und erst in der vergangenen Nacht ist es mir aufgegangen, warum du dich vor mir versteckst. Ich bin's, der deinen Hoffnungen auf sie gefährlich zu werden droht, -- so wähnst du. Allein ich gebe dir mein Ehrenwort, daß ich Marien nicht liebe, noch auch jemals etwas gethan habe, ihre Neigung zu gewinnen. lebhaft vor meiner Seele, verzeihend und zugleich mächtig genug, um jeden fremden Eindruck wieder zu verwischen. Ich durfte Marien nicht täuschen. Hatte sie wirklich eine Neigung zu mir gefaßt, so mußte ich diese bekämpfen und mich ihr entziehen, damit meine Gegenwart die hereinbrechende Verwirrung nicht noch vergrößere. 9. Das Fest in Burg. Am andern Morgen erhob ich mich bei Zeiten, um mit Franz, dessen Schulstunden schon um sieben Uhr begannen, zu sprechen. Er empfing mich gut und freundlich, wie immer. Sobald das Frühstück beendet war, nahm ich ihn unter den Arm und führte ihn in den Garten. Es muß klar zwischen uns werden, lieber Freund! sagte ich. Dieses Mißverhältniß, dieses scheue Umgehen der Dinge, die uns innerlich lebhaft genug beschäftigen, soll aufhören. Du liebst Marien — unterbrich mich nicht! — und erst in der vergangenen Nacht ist es mir aufgegangen, warum du dich vor mir versteckst. Ich bin's, der deinen Hoffnungen auf sie gefährlich zu werden droht, — so wähnst du. Allein ich gebe dir mein Ehrenwort, daß ich Marien nicht liebe, noch auch jemals etwas gethan habe, ihre Neigung zu gewinnen. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="8"> <p><pb facs="#f0091"/> lebhaft vor meiner Seele, verzeihend und zugleich mächtig genug, um jeden fremden Eindruck wieder zu verwischen. Ich durfte Marien nicht täuschen. Hatte sie wirklich eine Neigung zu mir gefaßt, so mußte ich diese bekämpfen und mich ihr entziehen, damit meine Gegenwart die hereinbrechende Verwirrung nicht noch vergrößere.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="9"> <head>9. Das Fest in Burg.</head> <p>Am andern Morgen erhob ich mich bei Zeiten, um mit Franz, dessen Schulstunden schon um sieben Uhr begannen, zu sprechen. Er empfing mich gut und freundlich, wie immer. Sobald das Frühstück beendet war, nahm ich ihn unter den Arm und führte ihn in den Garten.</p><lb/> <p>Es muß klar zwischen uns werden, lieber Freund! sagte ich. Dieses Mißverhältniß, dieses scheue Umgehen der Dinge, die uns innerlich lebhaft genug beschäftigen, soll aufhören. Du liebst Marien — unterbrich mich nicht! — und erst in der vergangenen Nacht ist es mir aufgegangen, warum du dich vor mir versteckst. Ich bin's, der deinen Hoffnungen auf sie gefährlich zu werden droht, — so wähnst du. Allein ich gebe dir mein Ehrenwort, daß ich Marien nicht liebe, noch auch jemals etwas gethan habe, ihre Neigung zu gewinnen.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0091]
lebhaft vor meiner Seele, verzeihend und zugleich mächtig genug, um jeden fremden Eindruck wieder zu verwischen. Ich durfte Marien nicht täuschen. Hatte sie wirklich eine Neigung zu mir gefaßt, so mußte ich diese bekämpfen und mich ihr entziehen, damit meine Gegenwart die hereinbrechende Verwirrung nicht noch vergrößere.
9. Das Fest in Burg. Am andern Morgen erhob ich mich bei Zeiten, um mit Franz, dessen Schulstunden schon um sieben Uhr begannen, zu sprechen. Er empfing mich gut und freundlich, wie immer. Sobald das Frühstück beendet war, nahm ich ihn unter den Arm und führte ihn in den Garten.
Es muß klar zwischen uns werden, lieber Freund! sagte ich. Dieses Mißverhältniß, dieses scheue Umgehen der Dinge, die uns innerlich lebhaft genug beschäftigen, soll aufhören. Du liebst Marien — unterbrich mich nicht! — und erst in der vergangenen Nacht ist es mir aufgegangen, warum du dich vor mir versteckst. Ich bin's, der deinen Hoffnungen auf sie gefährlich zu werden droht, — so wähnst du. Allein ich gebe dir mein Ehrenwort, daß ich Marien nicht liebe, noch auch jemals etwas gethan habe, ihre Neigung zu gewinnen.
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Zitationshilfe: | Roquette, Otto: Die Schlangenkönigin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 221–335. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roquette_schlangenkoenigin_1910/91>, abgerufen am 15.06.2024. |