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Gustav Rose: Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere. Band 2. Berlin, 1842.

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reich, weil sie ein sehr mässiges Leben führen. Sie N002
sind ebenfalls unverheirathet, ergänzen sich daher durch N003
junge Leute von ihren Verwandten und Freunden, N004
welche sie von Zeit zu Zeit als Gehülfen und Theil- N005
nehmer ihres Handels nachkommen lassen. Sie wer- N006
den sonst als sehr gutmüthig und ehrlich gerühmt, N007
wie sie auch ein solches Aeussere haben, und zeich- N008
nen sich dadurch vortheilhaft vor den Armeniern aus, N009
deren Charakterlosigkeit schon Gmelin mit lebhaften N010
Farben schildert. Sie wohnen ebenfalls in ihrem Kauf- N011
hofe, und halten dort auch ihre gottesdienstlichen N012
Uebungen. Wir wünschten einen solchen Gottesdienst N013
kennen zu lernen, und wurden deshalb von dem Gou- N014
verneur eines Nachmittags um 5 Uhr zu den Hindus N015
geführt, denn sie beginnen ihre Uebungen jedesmal mit N016
Sonnenuntergang.

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Der Ort, an welchem die Indier den Gottesdienst N002
hielten, war ein niedriges mässig grosses Zimmer mit N003
2 Fenstern, denen gegenüber man eintrat. Es hatte, N004
einen kleinen Raum an dem Eingange ausgenommen, N005
einen erhöhten Fussboden, der mit Teppichen belegt N006
war, und zu welchem ein Paar Stufen führten. In N007
der Ecke rechts am Fenster stand ein mit Seidenzeu- N008
gen behängter Tisch, und auf demselben die Pagode, N009
ein etwa 11/2 Fuss langer und breiter Untersatz, mit N010
einem terrassenförmigen Thron und einem von vier N011
kleinen hölzernen roth angestrichenen Säulen getrage- N012
nen Baldachin. Auf und neben dem Throne standen N013
ihre Götter aufgestellt, unförmliche menschliche Figu- N014
ren, welche von 6 bis 12 Zollen Höhe und aus Kup- N015
fer gegossen und vergoldet, zum Theil mit blauen und N016
rothen seidenen Mäntelchen behängt waren, und wie N017
Kinderpuppen aussahen 1). Vor diesem hatte der Se-

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1) Pallas hat in seiner Reise in die südlichen Statthalterschaf- N002
ten des russischen Reichs Th. I S. 225 alle diese Götter namentlich N003
aufgeführt und beschrieben.

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reich, weil sie ein sehr mässiges Leben führen. Sie N002
sind ebenfalls unverheirathet, ergänzen sich daher durch N003
junge Leute von ihren Verwandten und Freunden, N004
welche sie von Zeit zu Zeit als Gehülfen und Theil- N005
nehmer ihres Handels nachkommen lassen. Sie wer- N006
den sonst als sehr gutmüthig und ehrlich gerühmt, N007
wie sie auch ein solches Aeussere haben, und zeich- N008
nen sich dadurch vortheilhaft vor den Armeniern aus, N009
deren Charakterlosigkeit schon Gmelin mit lebhaften N010
Farben schildert. Sie wohnen ebenfalls in ihrem Kauf- N011
hofe, und halten dort auch ihre gottesdienstlichen N012
Uebungen. Wir wünschten einen solchen Gottesdienst N013
kennen zu lernen, und wurden deshalb von dem Gou- N014
verneur eines Nachmittags um 5 Uhr zu den Hindus N015
geführt, denn sie beginnen ihre Uebungen jedesmal mit N016
Sonnenuntergang.

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Der Ort, an welchem die Indier den Gottesdienst N002
hielten, war ein niedriges mässig grosses Zimmer mit N003
2 Fenstern, denen gegenüber man eintrat. Es hatte, N004
einen kleinen Raum an dem Eingange ausgenommen, N005
einen erhöhten Fussboden, der mit Teppichen belegt N006
war, und zu welchem ein Paar Stufen führten. In N007
der Ecke rechts am Fenster stand ein mit Seidenzeu- N008
gen behängter Tisch, und auf demselben die Pagode, N009
ein etwa 1½ Fuss langer und breiter Untersatz, mit N010
einem terrassenförmigen Thron und einem von vier N011
kleinen hölzernen roth angestrichenen Säulen getrage- N012
nen Baldachin. Auf und neben dem Throne standen N013
ihre Götter aufgestellt, unförmliche menschliche Figu- N014
ren, welche von 6 bis 12 Zollen Höhe und aus Kup- N015
fer gegossen und vergoldet, zum Theil mit blauen und N016
rothen seidenen Mäntelchen behängt waren, und wie N017
Kinderpuppen aussahen 1). Vor diesem hatte der Se-

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1) Pallas hat in seiner Reise in die südlichen Statthalterschaf- N002
ten des russischen Reichs Th. I S. 225 alle diese Götter namentlich N003
aufgeführt und beschrieben.
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[301/0319] N001 reich, weil sie ein sehr mässiges Leben führen. Sie N002 sind ebenfalls unverheirathet, ergänzen sich daher durch N003 junge Leute von ihren Verwandten und Freunden, N004 welche sie von Zeit zu Zeit als Gehülfen und Theil- N005 nehmer ihres Handels nachkommen lassen. Sie wer- N006 den sonst als sehr gutmüthig und ehrlich gerühmt, N007 wie sie auch ein solches Aeussere haben, und zeich- N008 nen sich dadurch vortheilhaft vor den Armeniern aus, N009 deren Charakterlosigkeit schon Gmelin mit lebhaften N010 Farben schildert. Sie wohnen ebenfalls in ihrem Kauf- N011 hofe, und halten dort auch ihre gottesdienstlichen N012 Uebungen. Wir wünschten einen solchen Gottesdienst N013 kennen zu lernen, und wurden deshalb von dem Gou- N014 verneur eines Nachmittags um 5 Uhr zu den Hindus N015 geführt, denn sie beginnen ihre Uebungen jedesmal mit N016 Sonnenuntergang. N001 Der Ort, an welchem die Indier den Gottesdienst N002 hielten, war ein niedriges mässig grosses Zimmer mit N003 2 Fenstern, denen gegenüber man eintrat. Es hatte, N004 einen kleinen Raum an dem Eingange ausgenommen, N005 einen erhöhten Fussboden, der mit Teppichen belegt N006 war, und zu welchem ein Paar Stufen führten. In N007 der Ecke rechts am Fenster stand ein mit Seidenzeu- N008 gen behängter Tisch, und auf demselben die Pagode, N009 ein etwa 1½ Fuss langer und breiter Untersatz, mit N010 einem terrassenförmigen Thron und einem von vier N011 kleinen hölzernen roth angestrichenen Säulen getrage- N012 nen Baldachin. Auf und neben dem Throne standen N013 ihre Götter aufgestellt, unförmliche menschliche Figu- N014 ren, welche von 6 bis 12 Zollen Höhe und aus Kup- N015 fer gegossen und vergoldet, zum Theil mit blauen und N016 rothen seidenen Mäntelchen behängt waren, und wie N017 Kinderpuppen aussahen 1). Vor diesem hatte der Se- [footnote reference] [footnote reference] N001 1) Pallas hat in seiner Reise in die südlichen Statthalterschaf- N002 ten des russischen Reichs Th. I S. 225 alle diese Götter namentlich N003 aufgeführt und beschrieben.

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Zitationshilfe: Gustav Rose: Reise nach dem Ural, dem Altai und dem Kaspischen Meere. Band 2. Berlin, 1842, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rose_ural02_1842/319>, abgerufen am 20.05.2024.