III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
schliessung schon ziemlich starker Arterien vollkommen com- pensirt werden kann, wodurch die mechanische collaterale Hyperämie in ihrer Wirkung für Arterien mehr oder weniger aufgehoben werden kann.
Es müssten nach der gemachten Voraussetzung bei den verschiedenen Organen, welche ihre Anregung zur Thätig- keit, gleich der Niere, durch chemische Bestandtheile des Blutes erhalten, also wohl die Leber, die Hoden (?), die Milz und die Lymphdrüsen, immer auch die Muskelzellen ihrer Blutge- fässe auf diese chemischen Reize in entsprechender Stärke reagiren, während bei denjenigen Drüsen, welche durch Ner- venvermittlung zur Thätigkeit angeregt werden, z. B. den Speicheldrüsen, ein Theil dieses Reizes sich abzweigen und auf die Gefässe übergehen müsste. Dasselbe müsste bei den Mus- keln und selbst auch bei den Ganglienzellen des Hirns und des Rückenmarks stattfinden. Alles dies erscheint ausserordentlich complicirt, überall müssten die in allen Organen physiologisch gleichen glatten Muskelfasern auf besondere Reize mit bestimmter zweckmässiger Stärke reagiren; und wie eine Re- gulation in neuen Verhältnissen entstehen könnte, dafür würde uns jegliches Verständniss fehlen. Auch ist es undenkbar, wie eine derartige Regulation für die Knochen thätig sein könnte; denn wie soll hier der Reiz, welcher den Knochen trifft, auch proportional die Blutgefässe treffen? Oder wie soll der Vor- gang in dem Centralnervensystem sein? Wenn bestimmte Ner- venbahnen oder Ganglienzellen mehr in Anspruch genommen werden, also vermehrter Nahrung bedürfen, so müsste für jede Faser, für jede Ganglienzelle eine besondere nervöse Blut- gefässregulation da und zugleich dafür gesorgt sein, dass die Reize nicht irradiiren (sich weiter ausbreiten), denn sonst würden immer alle benachbarten Theile auch hypertrophisch. Ich erinnere nur an das vorn citirte Beispiel rasch verlaufender
III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
schliessung schon ziemlich starker Arterien vollkommen com- pensirt werden kann, wodurch die mechanische collaterale Hyperämie in ihrer Wirkung für Arterien mehr oder weniger aufgehoben werden kann.
Es müssten nach der gemachten Voraussetzung bei den verschiedenen Organen, welche ihre Anregung zur Thätig- keit, gleich der Niere, durch chemische Bestandtheile des Blutes erhalten, also wohl die Leber, die Hoden (?), die Milz und die Lymphdrüsen, immer auch die Muskelzellen ihrer Blutge- fässe auf diese chemischen Reize in entsprechender Stärke reagiren, während bei denjenigen Drüsen, welche durch Ner- venvermittlung zur Thätigkeit angeregt werden, z. B. den Speicheldrüsen, ein Theil dieses Reizes sich abzweigen und auf die Gefässe übergehen müsste. Dasselbe müsste bei den Mus- keln und selbst auch bei den Ganglienzellen des Hirns und des Rückenmarks stattfinden. Alles dies erscheint ausserordentlich complicirt, überall müssten die in allen Organen physiologisch gleichen glatten Muskelfasern auf besondere Reize mit bestimmter zweckmässiger Stärke reagiren; und wie eine Re- gulation in neuen Verhältnissen entstehen könnte, dafür würde uns jegliches Verständniss fehlen. Auch ist es undenkbar, wie eine derartige Regulation für die Knochen thätig sein könnte; denn wie soll hier der Reiz, welcher den Knochen trifft, auch proportional die Blutgefässe treffen? Oder wie soll der Vor- gang in dem Centralnervensystem sein? Wenn bestimmte Ner- venbahnen oder Ganglienzellen mehr in Anspruch genommen werden, also vermehrter Nahrung bedürfen, so müsste für jede Faser, für jede Ganglienzelle eine besondere nervöse Blut- gefässregulation da und zugleich dafür gesorgt sein, dass die Reize nicht irradiiren (sich weiter ausbreiten), denn sonst würden immer alle benachbarten Theile auch hypertrophisch. Ich erinnere nur an das vorn citirte Beispiel rasch verlaufender
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III. Nachweis der trophischen Wirkung der functionellen Reize.
schliessung schon ziemlich starker Arterien vollkommen com-
pensirt werden kann, wodurch die mechanische collaterale
Hyperämie in ihrer Wirkung für Arterien mehr oder weniger
aufgehoben werden kann.
Es müssten nach der gemachten Voraussetzung bei den
verschiedenen Organen, welche ihre Anregung zur Thätig-
keit, gleich der Niere, durch chemische Bestandtheile des Blutes
erhalten, also wohl die Leber, die Hoden (?), die Milz und
die Lymphdrüsen, immer auch die Muskelzellen ihrer Blutge-
fässe auf diese chemischen Reize in entsprechender Stärke
reagiren, während bei denjenigen Drüsen, welche durch Ner-
venvermittlung zur Thätigkeit angeregt werden, z. B. den
Speicheldrüsen, ein Theil dieses Reizes sich abzweigen und auf
die Gefässe übergehen müsste. Dasselbe müsste bei den Mus-
keln und selbst auch bei den Ganglienzellen des Hirns und des
Rückenmarks stattfinden. Alles dies erscheint ausserordentlich
complicirt, überall müssten die in allen Organen physiologisch
gleichen glatten Muskelfasern auf besondere Reize mit
bestimmter zweckmässiger Stärke reagiren; und wie eine Re-
gulation in neuen Verhältnissen entstehen könnte, dafür würde
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eine derartige Regulation für die Knochen thätig sein könnte;
denn wie soll hier der Reiz, welcher den Knochen trifft, auch
proportional die Blutgefässe treffen? Oder wie soll der Vor-
gang in dem Centralnervensystem sein? Wenn bestimmte Ner-
venbahnen oder Ganglienzellen mehr in Anspruch genommen
werden, also vermehrter Nahrung bedürfen, so müsste für jede
Faser, für jede Ganglienzelle eine besondere nervöse Blut-
gefässregulation da und zugleich dafür gesorgt sein, dass
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würden immer alle benachbarten Theile auch hypertrophisch.
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Roux, Wilhelm: Der Kampf der Teile des Organismus. Leipzig, 1881, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/roux_kampf_1881/170>, abgerufen am 18.06.2024.
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