Rückert, Friedrich: Die Weisheit des Brahmanen. Bd. 3. Leipzig, 1837.124. In seiner Klause saß der Klausner und vergaß Das Irdische, dieweil er Himmlisches ermaß. Da gieng ein schönes Weib vorm offnen Eingang hin, Aus ihrem Auge schlug ein Blitz in seinen Sinn. Er fühlte von dem Schlag des Funken sich durchzuckt, Und schon hat er den Fuß zur Schwell' hinaus geruckt. Doch auf dem halben Weg zur Welt ist er zum Glück Vom Geist zurückgemahnt, und zieht den Fuß zurück. Er will ihn ziehn, und kann ihn nicht zurückziehn wieder, Und auf der Schwelle selbst läßt sich der Klausner nieder. Es sitzt der Oberleib zur Klaus' hinein gelehnt, Doch auf der Schwelle bleibt der Fuß heraus gedehnt. Seit Jahren muß der Fuß heraus zur Schwelle hangen, Und alle sahn ihn so, die dort vorbeigegangen. -- Halt deinen Fuß zurück von Weltlust, laß nicht ihn Voreilen, weil's so schwer ist ihn zurückzuziehn. 124. In ſeiner Klauſe ſaß der Klauſner und vergaß Das Irdiſche, dieweil er Himmliſches ermaß. Da gieng ein ſchoͤnes Weib vorm offnen Eingang hin, Aus ihrem Auge ſchlug ein Blitz in ſeinen Sinn. Er fuͤhlte von dem Schlag des Funken ſich durchzuckt, Und ſchon hat er den Fuß zur Schwell' hinaus geruckt. Doch auf dem halben Weg zur Welt iſt er zum Gluͤck Vom Geiſt zuruͤckgemahnt, und zieht den Fuß zuruͤck. Er will ihn ziehn, und kann ihn nicht zuruͤckziehn wieder, Und auf der Schwelle ſelbſt laͤßt ſich der Klauſner nieder. Es ſitzt der Oberleib zur Klauſ' hinein gelehnt, Doch auf der Schwelle bleibt der Fuß heraus gedehnt. Seit Jahren muß der Fuß heraus zur Schwelle hangen, Und alle ſahn ihn ſo, die dort vorbeigegangen. — Halt deinen Fuß zuruͤck von Weltluſt, laß nicht ihn Voreilen, weil's ſo ſchwer iſt ihn zuruͤckzuziehn. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0228" n="218"/> <div n="2"> <head>124.</head><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>In ſeiner Klauſe ſaß der Klauſner und vergaß</l><lb/> <l>Das Irdiſche, dieweil er Himmliſches ermaß.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Da gieng ein ſchoͤnes Weib vorm offnen Eingang hin,</l><lb/> <l>Aus ihrem Auge ſchlug ein Blitz in ſeinen Sinn.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Er fuͤhlte von dem Schlag des Funken ſich durchzuckt,</l><lb/> <l>Und ſchon hat er den Fuß zur Schwell' hinaus geruckt.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Doch auf dem halben Weg zur Welt iſt er zum Gluͤck</l><lb/> <l>Vom Geiſt zuruͤckgemahnt, und zieht den Fuß zuruͤck.</l> </lg><lb/> <lg n="5"> <l>Er will ihn ziehn, und kann ihn nicht zuruͤckziehn wieder,</l><lb/> <l>Und auf der Schwelle ſelbſt laͤßt ſich der Klauſner nieder.</l> </lg><lb/> <lg n="6"> <l>Es ſitzt der Oberleib zur Klauſ' hinein gelehnt,</l><lb/> <l>Doch auf der Schwelle bleibt der Fuß heraus gedehnt.</l> </lg><lb/> <lg n="7"> <l>Seit Jahren muß der Fuß heraus zur Schwelle hangen,</l><lb/> <l>Und alle ſahn ihn ſo, die dort vorbeigegangen. —</l> </lg><lb/> <lg n="8"> <l>Halt deinen Fuß zuruͤck von Weltluſt, laß nicht ihn</l><lb/> <l>Voreilen, weil's ſo ſchwer iſt ihn zuruͤckzuziehn.</l> </lg><lb/> </lg> </div> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [218/0228]
124.
In ſeiner Klauſe ſaß der Klauſner und vergaß
Das Irdiſche, dieweil er Himmliſches ermaß.
Da gieng ein ſchoͤnes Weib vorm offnen Eingang hin,
Aus ihrem Auge ſchlug ein Blitz in ſeinen Sinn.
Er fuͤhlte von dem Schlag des Funken ſich durchzuckt,
Und ſchon hat er den Fuß zur Schwell' hinaus geruckt.
Doch auf dem halben Weg zur Welt iſt er zum Gluͤck
Vom Geiſt zuruͤckgemahnt, und zieht den Fuß zuruͤck.
Er will ihn ziehn, und kann ihn nicht zuruͤckziehn wieder,
Und auf der Schwelle ſelbſt laͤßt ſich der Klauſner nieder.
Es ſitzt der Oberleib zur Klauſ' hinein gelehnt,
Doch auf der Schwelle bleibt der Fuß heraus gedehnt.
Seit Jahren muß der Fuß heraus zur Schwelle hangen,
Und alle ſahn ihn ſo, die dort vorbeigegangen. —
Halt deinen Fuß zuruͤck von Weltluſt, laß nicht ihn
Voreilen, weil's ſo ſchwer iſt ihn zuruͤckzuziehn.
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