Mit diesem Bilde zugleich ward ein gleich großes, die Taufe Christi, erstanden; beide scheinen, ihrer öligen Ueber- züge ungeachtet, a tempera gemalt zu seyn; vielleicht, weil sie, obwohl in Oel, doch wie a tempera behandelt sind, was in den früheren Arbeiten Raphaels nicht ohne Beyspiel ist. Gewiß sind beide Ueberreste einer Altarstaffel von besonders sorgfältiger Behandlung und ungewöhnlicher Höhe; denn an den Rückseiten waren, als ich sie sah, Spuren der Säge be- merklich, welche das früher stärkere Brett in seiner Dicke durchschnitten hatte. Ich setze hier als bekannt voraus, daß bey Gemälden, welche von Anbeginn die Bestimmung erhal- ten, in Rahmen aufgehängt zu werden, die Tafeln auch dar- auf eingerichtet, das ist, in gehörigem Maaße verdünnt wer- den. Bey verschiedenen älteren Gemälden Raphaels, denen diese Zierde vormals sicher nicht gefehlt hat, versäumte Vasari die Gegenstände des Gradino anzugeben. Es können daher noch immer vergessene Arbeiten dieser Art an das Licht treten. Kürzlich brachte man solche Stücke zu Rom in den Handel, deren Aechtheit, ich habe sie nicht gesehn, von Kennern aner- kannt, doch ihr trauriger Zustand nur um so mehr bedauert wurde. Auch scheint die Anbetung der Könige in der Gal- lerie des königlichen Schlosses Christiansburg zu Copenhagen, obwohl sehr glatt gerieben, auch ihrer Velaturen beraubt, einem raphaelischen Gradino derselben Kunststufe entnommen zu seyn. Drey kleine Runde, welche auf schwarzem Grunde zwey Schutzheilige von Perugia (S. Lodovico und S. Erco- lano), und das mittlere eine Pieta enthalten, wurden mir, als Ueberreste des Gradino der Krönung der Jungfrau, sonst in S. Francesco zu Perugia, von den Vorstehern dieser Ge- meinde abgetreten. Ich hatte das Glück, sie der königlichen Hoheit des Kronprinzen von Preußen darbringen zu dürfen,
Mit dieſem Bilde zugleich ward ein gleich großes, die Taufe Chriſti, erſtanden; beide ſcheinen, ihrer oͤligen Ueber- zuͤge ungeachtet, a tempera gemalt zu ſeyn; vielleicht, weil ſie, obwohl in Oel, doch wie a tempera behandelt ſind, was in den fruͤheren Arbeiten Raphaels nicht ohne Beyſpiel iſt. Gewiß ſind beide Ueberreſte einer Altarſtaffel von beſonders ſorgfaͤltiger Behandlung und ungewoͤhnlicher Hoͤhe; denn an den Ruͤckſeiten waren, als ich ſie ſah, Spuren der Saͤge be- merklich, welche das fruͤher ſtaͤrkere Brett in ſeiner Dicke durchſchnitten hatte. Ich ſetze hier als bekannt voraus, daß bey Gemaͤlden, welche von Anbeginn die Beſtimmung erhal- ten, in Rahmen aufgehaͤngt zu werden, die Tafeln auch dar- auf eingerichtet, das iſt, in gehoͤrigem Maaße verduͤnnt wer- den. Bey verſchiedenen aͤlteren Gemaͤlden Raphaels, denen dieſe Zierde vormals ſicher nicht gefehlt hat, verſaͤumte Vaſari die Gegenſtaͤnde des Gradino anzugeben. Es koͤnnen daher noch immer vergeſſene Arbeiten dieſer Art an das Licht treten. Kuͤrzlich brachte man ſolche Stuͤcke zu Rom in den Handel, deren Aechtheit, ich habe ſie nicht geſehn, von Kennern aner- kannt, doch ihr trauriger Zuſtand nur um ſo mehr bedauert wurde. Auch ſcheint die Anbetung der Koͤnige in der Gal- lerie des koͤniglichen Schloſſes Chriſtiansburg zu Copenhagen, obwohl ſehr glatt gerieben, auch ihrer Velaturen beraubt, einem raphaeliſchen Gradino derſelben Kunſtſtufe entnommen zu ſeyn. Drey kleine Runde, welche auf ſchwarzem Grunde zwey Schutzheilige von Perugia (S. Lodovico und S. Erco- lano), und das mittlere eine Pietà enthalten, wurden mir, als Ueberreſte des Gradino der Kroͤnung der Jungfrau, ſonſt in S. Francesco zu Perugia, von den Vorſtehern dieſer Ge- meinde abgetreten. Ich hatte das Gluͤck, ſie der koͤniglichen Hoheit des Kronprinzen von Preußen darbringen zu duͤrfen,
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Mit dieſem Bilde zugleich ward ein gleich großes, die
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ſie, obwohl in Oel, doch wie a tempera behandelt ſind, was
in den fruͤheren Arbeiten Raphaels nicht ohne Beyſpiel iſt.
Gewiß ſind beide Ueberreſte einer Altarſtaffel von beſonders
ſorgfaͤltiger Behandlung und ungewoͤhnlicher Hoͤhe; denn an
den Ruͤckſeiten waren, als ich ſie ſah, Spuren der Saͤge be-
merklich, welche das fruͤher ſtaͤrkere Brett in ſeiner Dicke
durchſchnitten hatte. Ich ſetze hier als bekannt voraus, daß
bey Gemaͤlden, welche von Anbeginn die Beſtimmung erhal-
ten, in Rahmen aufgehaͤngt zu werden, die Tafeln auch dar-
auf eingerichtet, das iſt, in gehoͤrigem Maaße verduͤnnt wer-
den. Bey verſchiedenen aͤlteren Gemaͤlden Raphaels, denen
dieſe Zierde vormals ſicher nicht gefehlt hat, verſaͤumte Vaſari
die Gegenſtaͤnde des Gradino anzugeben. Es koͤnnen daher
noch immer vergeſſene Arbeiten dieſer Art an das Licht treten.
Kuͤrzlich brachte man ſolche Stuͤcke zu Rom in den Handel,
deren Aechtheit, ich habe ſie nicht geſehn, von Kennern aner-
kannt, doch ihr trauriger Zuſtand nur um ſo mehr bedauert
wurde. Auch ſcheint die Anbetung der Koͤnige in der Gal-
lerie des koͤniglichen Schloſſes Chriſtiansburg zu Copenhagen,
obwohl ſehr glatt gerieben, auch ihrer Velaturen beraubt,
einem raphaeliſchen Gradino derſelben Kunſtſtufe entnommen
zu ſeyn. Drey kleine Runde, welche auf ſchwarzem Grunde
zwey Schutzheilige von Perugia (S. Lodovico und S. Erco-
lano), und das mittlere eine Pietà enthalten, wurden mir,
als Ueberreſte des Gradino der Kroͤnung der Jungfrau, ſonſt
in S. Francesco zu Perugia, von den Vorſtehern dieſer Ge-
meinde abgetreten. Ich hatte das Gluͤck, ſie der koͤniglichen
Hoheit des Kronprinzen von Preußen darbringen zu duͤrfen,
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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. T. 3. Berlin u. a., 1831, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen03_1831/63>, abgerufen am 15.06.2024.
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