sprengte, "komm heraus, Resi! Du bist frei; unser Peiniger liegt zu Boden!"
"Jesus Maria!" schrie sie, hervoreilend, und schlug mit einem Blick auf den Getroffenen die Hände zusammen. "Er ist todt! Georg! Georg! Was hast Du gethan! Jetzt wird man Dich fortführen und als Mörder vor's Gericht stellen!"
"Das soll man! Ich werde Red' und Antwort geben. Die dort müssen es bezeugen, daß er mir mit dem Messer an's Leben wollte. -- Geht hinunter", wandte er sich an die Männer, "und meldet, daß der Arbeiter Georg Huber den Aufseher erschlagen hat."
Es dauerte lange, bis sich Einer dazu entschloß. Georg aber setzte sich mit Tertschka draußen vor der Hütte nieder. Sie weinte in einem fort; er, noch immer gehoben von dem Vollgefühle seiner That, die ihm ein vollstrecktes Richteramt erschien, streichelte ihr von Zeit zu Zeit sanft tröstend die Wangen. Endlich erschienen zwei Herren von der Bauleitung und ein Gendarm. Sie ließen sich Alles erzählen und sprachen dann eifrig unter einander. "Eingeliefert muß er werden", sagte der Gendarm. "Er ist Urlauber und gehört vor das Militärgericht in Wiener-Neustadt." Da sich Georg willig und fügsam erwies, so wurde ihm mitgetheilt, daß man ihm keine Fesseln anlegen wolle; zu der jammernden Tertschka aber sprach der Gendarm, sie möge sich trösten; nach Allem, was er gehört, dürfte es so schlimm nicht werden. Ja, er gestattete
ſprengte, „komm heraus, Reſi! Du biſt frei; unſer Peiniger liegt zu Boden!“
„Jeſus Maria!“ ſchrie ſie, hervoreilend, und ſchlug mit einem Blick auf den Getroffenen die Hände zuſammen. „Er iſt todt! Georg! Georg! Was haſt Du gethan! Jetzt wird man Dich fortführen und als Mörder vor's Gericht ſtellen!“
„Das ſoll man! Ich werde Red' und Antwort geben. Die dort müſſen es bezeugen, daß er mir mit dem Meſſer an's Leben wollte. — Geht hinunter“, wandte er ſich an die Männer, „und meldet, daß der Arbeiter Georg Huber den Aufſeher erſchlagen hat.“
Es dauerte lange, bis ſich Einer dazu entſchloß. Georg aber ſetzte ſich mit Tertſchka draußen vor der Hütte nieder. Sie weinte in einem fort; er, noch immer gehoben von dem Vollgefühle ſeiner That, die ihm ein vollſtrecktes Richteramt erſchien, ſtreichelte ihr von Zeit zu Zeit ſanft tröſtend die Wangen. Endlich erſchienen zwei Herren von der Bauleitung und ein Gendarm. Sie ließen ſich Alles erzählen und ſprachen dann eifrig unter einander. „Eingeliefert muß er werden“, ſagte der Gendarm. „Er iſt Urlauber und gehört vor das Militärgericht in Wiener-Neuſtadt.“ Da ſich Georg willig und fügſam erwies, ſo wurde ihm mitgetheilt, daß man ihm keine Feſſeln anlegen wolle; zu der jammernden Tertſchka aber ſprach der Gendarm, ſie möge ſich tröſten; nach Allem, was er gehört, dürfte es ſo ſchlimm nicht werden. Ja, er geſtattete
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ſprengte, „komm heraus, Reſi! Du biſt frei; unſer Peiniger
liegt zu Boden!“
„Jeſus Maria!“ ſchrie ſie, hervoreilend, und ſchlug mit
einem Blick auf den Getroffenen die Hände zuſammen. „Er
iſt todt! Georg! Georg! Was haſt Du gethan! Jetzt wird
man Dich fortführen und als Mörder vor's Gericht ſtellen!“
„Das ſoll man! Ich werde Red' und Antwort geben.
Die dort müſſen es bezeugen, daß er mir mit dem Meſſer
an's Leben wollte. — Geht hinunter“, wandte er ſich an die
Männer, „und meldet, daß der Arbeiter Georg Huber den
Aufſeher erſchlagen hat.“
Es dauerte lange, bis ſich Einer dazu entſchloß. Georg
aber ſetzte ſich mit Tertſchka draußen vor der Hütte nieder.
Sie weinte in einem fort; er, noch immer gehoben von dem
Vollgefühle ſeiner That, die ihm ein vollſtrecktes Richteramt
erſchien, ſtreichelte ihr von Zeit zu Zeit ſanft tröſtend die
Wangen. Endlich erſchienen zwei Herren von der Bauleitung
und ein Gendarm. Sie ließen ſich Alles erzählen und ſprachen
dann eifrig unter einander. „Eingeliefert muß er werden“,
ſagte der Gendarm. „Er iſt Urlauber und gehört vor das
Militärgericht in Wiener-Neuſtadt.“ Da ſich Georg willig
und fügſam erwies, ſo wurde ihm mitgetheilt, daß man ihm
keine Feſſeln anlegen wolle; zu der jammernden Tertſchka aber
ſprach der Gendarm, ſie möge ſich tröſten; nach Allem, was
er gehört, dürfte es ſo ſchlimm nicht werden. Ja, er geſtattete
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Saar, Ferdinand von: Novellen aus Österreich. Heidelberg, 1877, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/saar_novellen_1877/189>, abgerufen am 17.06.2024.
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