Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von der Liebe der Feind. wertigem Thal der Zähren verstattet. Was ist dann denen vorgemeldtengeweigert worden? aber was sage ich/ geweigert worden; sintemahlen sie gäntzlich wegen deß Ehrgeitz mit grausamen Straffen seynd her genom- men worden? der gewaltige Lucifer ist mit seiner losen Gesellschafft auß dem hohen Himmel in den Abgrund deß höllischen Kerckers gestürtzt: Adam und Eva seynd auß dem Paradeiß vertrieben/ und allerhand Armseligkeit und Trübsalen unterworffen worden. Was ist dann das vor eine Begird/ Krafft deren auff die abtrinnige Engelen so wohl/ als auff unsere vor-Eltern ein so erbärmliches Loß gefallen ist? weilen sie haben GOTT gleich wer- den wollen. Dann Lucifer sagte; ich will meinen Thron erhöhen/ und will dem Allerhöchsten gleich seyn. Die listige Schlang aber sagte zu denen Jnwohnern deß Paradeiß: ihr werdet seyn wie die Götter. Siehest du nun die Ursach solchen Unheils? O erbärmliches Spectacul! O trauriges Schawspiel! wo wird nun fortahn einer gefunden werden/ der dem Aller- höchsten GOTT gleich zu seyn verlanget/ indem die göttliche Gerech- tigkeit ein solches Begehren so hart straffet? Dem seye nun wie ihm wolle; seye du getröstet/ mein Christliche Seel/ habe guten Muth; dann wir ha- ben ein Mittel gefunden/ ausser dem Himmel/ und ausserhalb deß Para- deiß; durch welches wir GOTT können gleich werden/ und doch dieser unser Begird halber nicht allein im geringsten nicht gestraffet/ sondern auch mit unendlichem Schatz der Verdiensten bereichet werden. Dieses Mittel aber ist die Liebe der Feinden/ wie der Heyl. Augustinus lehret/ da er spricht:in Psal. 70. Der seinem Feind wohl wilt/ der ist Gott gleich. 2. Daß muß wohl ein herrliche und zugleich wunderbahre Tugend seyn; die J
Von der Liebe der Feind. wertigem Thal der Zaͤhren verſtattet. Was iſt dann denen vorgemeldtengeweigert worden? aber was ſage ich/ geweigert worden; ſintemahlen ſie gaͤntzlich wegen deß Ehrgeitz mit grauſamen Straffen ſeynd her genom- men worden? der gewaltige Lucifer iſt mit ſeiner loſen Geſellſchafft auß dem hohen Himmel in den Abgrund deß hoͤlliſchen Kerckers geſtuͤrtzt: Adam und Eva ſeynd auß dem Paradeiß vertrieben/ und allerhand Armſeligkeit und Truͤbſalen unterworffen worden. Was iſt dann das vor eine Begird/ Krafft deren auff die abtrinnige Engelen ſo wohl/ als auff unſere vor-Eltern ein ſo erbaͤrmliches Loß gefallen iſt? weilen ſie haben GOTT gleich wer- den wollen. Dann Lucifer ſagte; ich will meinen Thron erhoͤhen/ und will dem Allerhoͤchſten gleich ſeyn. Die liſtige Schlang aber ſagte zu denen Jnwohnern deß Paradeiß: ihr werdet ſeyn wie die Goͤtter. Sieheſt du nun die Urſach ſolchen Unheils? O erbaͤrmliches Spectacul! O trauriges Schawſpiel! wo wird nun fortahn einer gefunden werden/ der dem Aller- hoͤchſten GOTT gleich zu ſeyn verlanget/ indem die goͤttliche Gerech- tigkeit ein ſolches Begehren ſo hart ſtraffet? Dem ſeye nun wie ihm wolle; ſeye du getroͤſtet/ mein Chriſtliche Seel/ habe guten Muth; dann wir ha- ben ein Mittel gefunden/ auſſer dem Himmel/ und auſſerhalb deß Para- deiß; durch welches wir GOTT koͤnnen gleich werden/ und doch dieſer unſer Begird halber nicht allein im geringſten nicht geſtraffet/ ſondern auch mit unendlichem Schatz der Verdienſten bereichet werden. Dieſes Mittel aber iſt die Liebe der Feinden/ wie der Heyl. Auguſtinus lehret/ da er ſpricht:in Pſal. 70. Der ſeinem Feind wohl wilt/ der iſt Gott gleich. 2. Daß muß wohl ein herrliche und zugleich wunderbahre Tugend ſeyn; die J
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Von der Liebe der Feind.
wertigem Thal der Zaͤhren verſtattet. Was iſt dann denen vorgemeldten
geweigert worden? aber was ſage ich/ geweigert worden; ſintemahlen ſie
gaͤntzlich wegen deß Ehrgeitz mit grauſamen Straffen ſeynd her genom-
men worden? der gewaltige Lucifer iſt mit ſeiner loſen Geſellſchafft auß dem
hohen Himmel in den Abgrund deß hoͤlliſchen Kerckers geſtuͤrtzt: Adam und
Eva ſeynd auß dem Paradeiß vertrieben/ und allerhand Armſeligkeit und
Truͤbſalen unterworffen worden. Was iſt dann das vor eine Begird/
Krafft deren auff die abtrinnige Engelen ſo wohl/ als auff unſere vor-Eltern
ein ſo erbaͤrmliches Loß gefallen iſt? weilen ſie haben GOTT gleich wer-
den wollen. Dann Lucifer ſagte; ich will meinen Thron erhoͤhen/ und
will dem Allerhoͤchſten gleich ſeyn. Die liſtige Schlang aber ſagte zu denen
Jnwohnern deß Paradeiß: ihr werdet ſeyn wie die Goͤtter. Sieheſt du
nun die Urſach ſolchen Unheils? O erbaͤrmliches Spectacul! O trauriges
Schawſpiel! wo wird nun fortahn einer gefunden werden/ der dem Aller-
hoͤchſten GOTT gleich zu ſeyn verlanget/ indem die goͤttliche Gerech-
tigkeit ein ſolches Begehren ſo hart ſtraffet? Dem ſeye nun wie ihm wolle;
ſeye du getroͤſtet/ mein Chriſtliche Seel/ habe guten Muth; dann wir ha-
ben ein Mittel gefunden/ auſſer dem Himmel/ und auſſerhalb deß Para-
deiß; durch welches wir GOTT koͤnnen gleich werden/ und doch dieſer
unſer Begird halber nicht allein im geringſten nicht geſtraffet/ ſondern auch
mit unendlichem Schatz der Verdienſten bereichet werden. Dieſes Mittel
aber iſt die Liebe der Feinden/ wie der Heyl. Auguſtinus lehret/ da er ſpricht:
Der ſeinem Feind wohl wilt/ der iſt Gott gleich.
in Pſal.
70.
2. Daß muß wohl ein herrliche und zugleich wunderbahre Tugend ſeyn;
welche auß den veraͤchtlichen und nichts wertigen irꝛdiſchen Menſchen
machet himmliſche Goͤtter/ nach den Worten deß Propheten: Jch habe
geſagt/ ihr ſeyd Goͤtter/ und alleſampt Kinder deß Aller-
hoͤchſten. Derhalben unſer Heyland zu Erlangung ſo hoher Wuͤrden
uns billig einladet/ indem er zu dieſer Liebe der Feind uns mit dieſen Worten
antreibet: Jch ſage euch/ liebet ewere Feind; thut gutes de-
nen/ die euch haſſen/ und bettet fůr die/ die euch verfolgen
und beleidigen. Warumb aber das/ mein ſuͤſſeſter Heyland? zu was
Ende? Damit ihr ſeyet/ ſpricht er/ Kinder eweres Vatters/
der in den Himmelen iſt. Auß dieſem kan fuͤglich der Schluß ge-
macht werden; daß nemblich kein ſo ſcheinbahres Kenzeichen ſich blicken
laſſe/ auß deme einer ſicherlich wiſſen koͤnne/ ob er unter die Zahl der Auß-
erwaͤhlten/ und erfolglich der Kinder GOTTES gehoͤre; als eben
die
Pſal. 81.
v. 6.
Matt. 5.
44.
J
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/93>, abgerufen am 16.06.2024. |