§. 310. Surrogate des Urtheils. -- II.Eid. -- Zuschiebung, Ableistung, Inhalt, Form, Erlaß des zugeschobenen Eides.
I.Zuschiebung des Eides.
Nur durch diese völlig freie Handlung einer Partei kann die Reihe von Wirkungen hervorgerufen werden, die das Wesen dieses Rechtsinstituts ausmacht. Der einseitige Eid also, ohne vorhergehende Zuschiebung, ist völlig wir- kungslos (§ 309. p).
Die Zuschiebung ist möglich in und außer einem Rechts- streit. Sie kann geschehen sowohl von dem Kläger (d. h. der es schon ist, oder künftig werden kann), als von dem Be- klagten. Wenn Beide gleichzeitig damit auftreten, soll der Kläger den Vorzug haben (a); diese Regel ist aber ohne praktische Wichtigkeit, weil ohnehin Jeder den zugeschobenen Eid zurückschieben kann, welche Handlung mit der ersten Zuschiebung gleiche Wirkung hat (§ 312. c. g.).
Die in der Zuschiebung liegende freie Handlung ist nicht ohne Gefahr, weil durch sie die Entscheidung der Sache in die Macht des Gegners gelegt wird; sie hat also eine ähnliche Natur, wie eine Veräußerung (deteriorem facit conditionem). Daher ist dazu ein Unmündiger nicht ohne seinen Vormund fähig (b); der Minderjährige ist
(a)Paulus II. 1 §. 2.
(b)L. 17 § 1 de jurej. (12. 2).
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
§. 310. Surrogate des Urtheils. — II.Eid. — Zuſchiebung, Ableiſtung, Inhalt, Form, Erlaß des zugeſchobenen Eides.
I.Zuſchiebung des Eides.
Nur durch dieſe völlig freie Handlung einer Partei kann die Reihe von Wirkungen hervorgerufen werden, die das Weſen dieſes Rechtsinſtituts ausmacht. Der einſeitige Eid alſo, ohne vorhergehende Zuſchiebung, iſt völlig wir- kungslos (§ 309. p).
Die Zuſchiebung iſt möglich in und außer einem Rechts- ſtreit. Sie kann geſchehen ſowohl von dem Kläger (d. h. der es ſchon iſt, oder künftig werden kann), als von dem Be- klagten. Wenn Beide gleichzeitig damit auftreten, ſoll der Kläger den Vorzug haben (a); dieſe Regel iſt aber ohne praktiſche Wichtigkeit, weil ohnehin Jeder den zugeſchobenen Eid zurückſchieben kann, welche Handlung mit der erſten Zuſchiebung gleiche Wirkung hat (§ 312. c. g.).
Die in der Zuſchiebung liegende freie Handlung iſt nicht ohne Gefahr, weil durch ſie die Entſcheidung der Sache in die Macht des Gegners gelegt wird; ſie hat alſo eine ähnliche Natur, wie eine Veräußerung (deteriorem facit conditionem). Daher iſt dazu ein Unmündiger nicht ohne ſeinen Vormund fähig (b); der Minderjährige iſt
(a)Paulus II. 1 §. 2.
(b)L. 17 § 1 de jurej. (12. 2).
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
§. 310.
Surrogate des Urtheils. — II. Eid. — Zuſchiebung,
Ableiſtung, Inhalt, Form, Erlaß des zugeſchobenen
Eides.
I. Zuſchiebung des Eides.
Nur durch dieſe völlig freie Handlung einer Partei
kann die Reihe von Wirkungen hervorgerufen werden, die
das Weſen dieſes Rechtsinſtituts ausmacht. Der einſeitige
Eid alſo, ohne vorhergehende Zuſchiebung, iſt völlig wir-
kungslos (§ 309. p).
Die Zuſchiebung iſt möglich in und außer einem Rechts-
ſtreit. Sie kann geſchehen ſowohl von dem Kläger (d. h. der
es ſchon iſt, oder künftig werden kann), als von dem Be-
klagten. Wenn Beide gleichzeitig damit auftreten, ſoll der
Kläger den Vorzug haben (a); dieſe Regel iſt aber ohne
praktiſche Wichtigkeit, weil ohnehin Jeder den zugeſchobenen
Eid zurückſchieben kann, welche Handlung mit der erſten
Zuſchiebung gleiche Wirkung hat (§ 312. c. g.).
Die in der Zuſchiebung liegende freie Handlung iſt
nicht ohne Gefahr, weil durch ſie die Entſcheidung der
Sache in die Macht des Gegners gelegt wird; ſie hat alſo
eine ähnliche Natur, wie eine Veräußerung (deteriorem
facit conditionem). Daher iſt dazu ein Unmündiger nicht
ohne ſeinen Vormund fähig (b); der Minderjährige iſt
(a) Paulus II. 1 §. 2.
(b) L. 17 § 1 de jurej. (12. 2).
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/78>, abgerufen am 14.06.2024.
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