Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

ergreifen und vor sich führen. Er dachte durch die Ueberraschung -- denn Furcht kannte Torbern nicht -- ein Geständniß von ihm zu erhalten, vollends in dieser ersten Nacht nach dem Begräbniß, wo der Schmerz um einen dahin geschiedenen Lieben am größten ist, die Welt uns am wenigsten werth und die Seele wunderbar gestimmt, zu Aufopferungen jeder Art, wie zur Wahrheit geneigt und bereit, immer aber weich und der sonstigen Stärke baar. Für die Voraussetzung aber, daß die Königin Isabella, ihre entfernten Anverwandten oder ihre nahen Diener und Liebediener Etwas oder Alles um Düvecke's Hinopferung wüßten, hatte der König seiner Gemahlin befohlen, ungesehen gegenwärtig zu sein; und sie saß auf seinem Bett hinter den grünseidenen, langen Vorhängen desselben verborgen in stiller Angst.

Als Torbern in des Königs Schlafzimmer getreten, das nur eine Kerze mehr zu verdüstern schien, als erleuchtete, blieb der König mit dem Rücken gegen ihn gewandt am Fenster lehnen, mit den Augen unter dem gestirnten Himmel suchend und forschend. So blieb er lange, Torbern zu lange, und dieser schüttelte unwillig seine Ketten an den Händen.

Nur Geduld! sprach der König, kehrte sich endlich um, trat ihm bis unter die Augen und frug ihn streng und eintönig: Was hast du gethan?

Ich meinte es hier zu erfahren, warum ich, als Mitglied des Reichsrathes und vom alten privilegirten

ergreifen und vor sich führen. Er dachte durch die Ueberraschung — denn Furcht kannte Torbern nicht — ein Geständniß von ihm zu erhalten, vollends in dieser ersten Nacht nach dem Begräbniß, wo der Schmerz um einen dahin geschiedenen Lieben am größten ist, die Welt uns am wenigsten werth und die Seele wunderbar gestimmt, zu Aufopferungen jeder Art, wie zur Wahrheit geneigt und bereit, immer aber weich und der sonstigen Stärke baar. Für die Voraussetzung aber, daß die Königin Isabella, ihre entfernten Anverwandten oder ihre nahen Diener und Liebediener Etwas oder Alles um Düvecke's Hinopferung wüßten, hatte der König seiner Gemahlin befohlen, ungesehen gegenwärtig zu sein; und sie saß auf seinem Bett hinter den grünseidenen, langen Vorhängen desselben verborgen in stiller Angst.

Als Torbern in des Königs Schlafzimmer getreten, das nur eine Kerze mehr zu verdüstern schien, als erleuchtete, blieb der König mit dem Rücken gegen ihn gewandt am Fenster lehnen, mit den Augen unter dem gestirnten Himmel suchend und forschend. So blieb er lange, Torbern zu lange, und dieser schüttelte unwillig seine Ketten an den Händen.

Nur Geduld! sprach der König, kehrte sich endlich um, trat ihm bis unter die Augen und frug ihn streng und eintönig: Was hast du gethan?

Ich meinte es hier zu erfahren, warum ich, als Mitglied des Reichsrathes und vom alten privilegirten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="8">
        <p><pb facs="#f0106"/>
ergreifen und vor sich führen. Er dachte durch die Ueberraschung &#x2014; denn                Furcht kannte Torbern nicht &#x2014; ein Geständniß von ihm zu erhalten, vollends in dieser                ersten Nacht nach dem Begräbniß, wo der Schmerz um einen dahin geschiedenen Lieben am                größten ist, die Welt uns am wenigsten werth und die Seele wunderbar gestimmt, zu                Aufopferungen jeder Art, wie zur Wahrheit geneigt und bereit, immer aber weich und                der sonstigen Stärke baar. Für die Voraussetzung aber, daß die Königin Isabella, ihre                entfernten Anverwandten oder ihre nahen Diener und Liebediener Etwas oder Alles um                Düvecke's Hinopferung wüßten, hatte der König seiner Gemahlin befohlen, ungesehen                gegenwärtig zu sein; und sie saß auf seinem Bett hinter den grünseidenen, langen                Vorhängen desselben verborgen in stiller Angst.</p><lb/>
        <p>Als Torbern in des Königs Schlafzimmer getreten, das nur eine Kerze mehr zu                verdüstern schien, als erleuchtete, blieb der König mit dem Rücken gegen ihn gewandt                am Fenster lehnen, mit den Augen unter dem gestirnten Himmel suchend und forschend.                So blieb er lange, Torbern zu lange, und dieser schüttelte unwillig seine Ketten an                den Händen.</p><lb/>
        <p>Nur Geduld! sprach der König, kehrte sich endlich um, trat ihm bis unter die Augen                und frug ihn streng und eintönig: Was hast du gethan?</p><lb/>
        <p>Ich meinte es hier zu erfahren, warum ich, als Mitglied des Reichsrathes und vom                alten privilegirten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0106] ergreifen und vor sich führen. Er dachte durch die Ueberraschung — denn Furcht kannte Torbern nicht — ein Geständniß von ihm zu erhalten, vollends in dieser ersten Nacht nach dem Begräbniß, wo der Schmerz um einen dahin geschiedenen Lieben am größten ist, die Welt uns am wenigsten werth und die Seele wunderbar gestimmt, zu Aufopferungen jeder Art, wie zur Wahrheit geneigt und bereit, immer aber weich und der sonstigen Stärke baar. Für die Voraussetzung aber, daß die Königin Isabella, ihre entfernten Anverwandten oder ihre nahen Diener und Liebediener Etwas oder Alles um Düvecke's Hinopferung wüßten, hatte der König seiner Gemahlin befohlen, ungesehen gegenwärtig zu sein; und sie saß auf seinem Bett hinter den grünseidenen, langen Vorhängen desselben verborgen in stiller Angst. Als Torbern in des Königs Schlafzimmer getreten, das nur eine Kerze mehr zu verdüstern schien, als erleuchtete, blieb der König mit dem Rücken gegen ihn gewandt am Fenster lehnen, mit den Augen unter dem gestirnten Himmel suchend und forschend. So blieb er lange, Torbern zu lange, und dieser schüttelte unwillig seine Ketten an den Händen. Nur Geduld! sprach der König, kehrte sich endlich um, trat ihm bis unter die Augen und frug ihn streng und eintönig: Was hast du gethan? Ich meinte es hier zu erfahren, warum ich, als Mitglied des Reichsrathes und vom alten privilegirten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:50:59Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:50:59Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/106
Zitationshilfe: Schefer, Leopold: Die Düvecke, oder die Leiden einer Königin. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–119. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schefer_duevecke_1910/106>, abgerufen am 31.10.2024.