Sie winkte ihm, fortzufahren. Da las er, wie des Aeneas Ge- fährten herankamen, der Königin gastlichen Schutz anflehend, und wie sie ihres Führers Ruhm künden, der, von der Wolke verhüllt, nahe stand.
Und Dido öffnet ihre Stadt den Hilfesuchenden, und der Wunsch steigt in ihr auf: Wäre doch selbst der König, vom selbigen Sturme gedränget, euer Aeneas allhier! also daß sehnendes Verlangen den Helden treibt, die Wolke zu durchbrechen ...
Doch wie Ekkehard begonnen hatte:
Kaum war solches gesagt, als schuell des umwallenden Nebels Hülle zerreißt ....
da kam ein schwerer Tritt den Gang herauf: Herr Spazzo der Käm- merer trat ein, er wollte die neuen Studien seiner Gebieterin beaugen- scheinigen -- bei'm Wein mochte er auch gesessen haben: sein Aug' war starr, der Gruß erstarb ihm auf den Lippen. Es war nicht seine Schuld. Schon in der Frühe hatte er ein Brennen und Zucken in der Nase verspürt, und das bedeutet sonder Widerrede einen trunkenen Abend.
Bleibet stehen! rief die Herzogin, und Ihr, Ekkehard, leset weiter.
Er las, ernst, mit Ausdruck:
Siehe, da stand Aeneas und strahlt in der Helle des Tages, Hehr an Schulter und Haupt, wie ein Gott, denn die himmlische Mutter Hatt' anmuthige Locken dem Sohn und blühender Jugend Purpurlicht und heitere Würd' in die Augen geathmet: So wie das Elfenbein durch Kunst sich verschönet, wie Silber Prangt und parischer Stein in des röthlichen Goldes Umrandung. Drauf zur Königin wandt' er das Wort und Allen ein Wunder Redet er plötzlich und sprach: Hier schauet mich, welchen Ihr suchet, Mich den Troer Aeneas, gerettet aus lybischer Woge.
Herr Spazzo stand verwirrt. Um Praxedis Lippen schwebte ein verhaltenes Kichern.
Wenn Euch der Weg wieder herführt, rief die Herzogin, so wählet eine schicklichere Stelle zum Eintritt, daß wir nicht versucht werden, zu glauben, Ihr seid Aeneas der Troer, gerettet aus lybischer Woge.
Sie winkte ihm, fortzufahren. Da las er, wie des Aeneas Ge- fährten herankamen, der Königin gaſtlichen Schutz anflehend, und wie ſie ihres Führers Ruhm künden, der, von der Wolke verhüllt, nahe ſtand.
Und Dido öffnet ihre Stadt den Hilfeſuchenden, und der Wunſch ſteigt in ihr auf: Wäre doch ſelbſt der König, vom ſelbigen Sturme gedränget, euer Aeneas allhier! alſo daß ſehnendes Verlangen den Helden treibt, die Wolke zu durchbrechen ...
Doch wie Ekkehard begonnen hatte:
Kaum war ſolches geſagt, als ſchuell des umwallenden Nebels Hülle zerreißt ....
da kam ein ſchwerer Tritt den Gang herauf: Herr Spazzo der Käm- merer trat ein, er wollte die neuen Studien ſeiner Gebieterin beaugen- ſcheinigen — bei'm Wein mochte er auch geſeſſen haben: ſein Aug' war ſtarr, der Gruß erſtarb ihm auf den Lippen. Es war nicht ſeine Schuld. Schon in der Frühe hatte er ein Brennen und Zucken in der Naſe verſpürt, und das bedeutet ſonder Widerrede einen trunkenen Abend.
Bleibet ſtehen! rief die Herzogin, und Ihr, Ekkehard, leſet weiter.
Er las, ernſt, mit Ausdruck:
Siehe, da ſtand Aeneas und ſtrahlt in der Helle des Tages, Hehr an Schulter und Haupt, wie ein Gott, denn die himmliſche Mutter Hatt' anmuthige Locken dem Sohn und blühender Jugend Purpurlicht und heitere Würd' in die Augen geathmet: So wie das Elfenbein durch Kunſt ſich verſchönet, wie Silber Prangt und pariſcher Stein in des röthlichen Goldes Umrandung. Drauf zur Königin wandt' er das Wort und Allen ein Wunder Redet er plötzlich und ſprach: Hier ſchauet mich, welchen Ihr ſuchet, Mich den Troer Aeneas, gerettet aus lybiſcher Woge.
Herr Spazzo ſtand verwirrt. Um Praxedis Lippen ſchwebte ein verhaltenes Kichern.
Wenn Euch der Weg wieder herführt, rief die Herzogin, ſo wählet eine ſchicklichere Stelle zum Eintritt, daß wir nicht verſucht werden, zu glauben, Ihr ſeid Aeneas der Troer, gerettet aus lybiſcher Woge.
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Sie winkte ihm, fortzufahren. Da las er, wie des Aeneas Ge-
fährten herankamen, der Königin gaſtlichen Schutz anflehend, und wie
ſie ihres Führers Ruhm künden, der, von der Wolke verhüllt,
nahe ſtand.
Und Dido öffnet ihre Stadt den Hilfeſuchenden, und der Wunſch
ſteigt in ihr auf: Wäre doch ſelbſt der König, vom ſelbigen Sturme
gedränget, euer Aeneas allhier! alſo daß ſehnendes Verlangen den
Helden treibt, die Wolke zu durchbrechen ...
Doch wie Ekkehard begonnen hatte:
Kaum war ſolches geſagt, als ſchuell des umwallenden Nebels
Hülle zerreißt ....
da kam ein ſchwerer Tritt den Gang herauf: Herr Spazzo der Käm-
merer trat ein, er wollte die neuen Studien ſeiner Gebieterin beaugen-
ſcheinigen — bei'm Wein mochte er auch geſeſſen haben: ſein Aug'
war ſtarr, der Gruß erſtarb ihm auf den Lippen. Es war nicht ſeine
Schuld. Schon in der Frühe hatte er ein Brennen und Zucken in
der Naſe verſpürt, und das bedeutet ſonder Widerrede einen trunkenen
Abend.
Bleibet ſtehen! rief die Herzogin, und Ihr, Ekkehard, leſet weiter.
Er las, ernſt, mit Ausdruck:
Siehe, da ſtand Aeneas und ſtrahlt in der Helle des Tages,
Hehr an Schulter und Haupt, wie ein Gott, denn die himmliſche Mutter
Hatt' anmuthige Locken dem Sohn und blühender Jugend
Purpurlicht und heitere Würd' in die Augen geathmet:
So wie das Elfenbein durch Kunſt ſich verſchönet, wie Silber
Prangt und pariſcher Stein in des röthlichen Goldes Umrandung.
Drauf zur Königin wandt' er das Wort und Allen ein Wunder
Redet er plötzlich und ſprach: Hier ſchauet mich, welchen Ihr ſuchet,
Mich den Troer Aeneas, gerettet aus lybiſcher Woge.
Herr Spazzo ſtand verwirrt. Um Praxedis Lippen ſchwebte ein
verhaltenes Kichern.
Wenn Euch der Weg wieder herführt, rief die Herzogin, ſo wählet
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zu glauben, Ihr ſeid Aeneas der Troer, gerettet aus lybiſcher
Woge.
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/110>, abgerufen am 17.06.2024.
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