licher, lichter Glanz säumte die Kanten ihrer Höhen, die Sonne neigte zum Untergang ... schmelzend, duftig flimmerte die Landschaft ...
Frau Hadwig war bewegt. Ein Stück großer, weiter Natur sagte ihrem großen Herzen zu. Die Gefühle aber ruhen nahe beiein- ander. Ein zarter Hauch zog durch ihr Denken; ihre Blicke wandten sich von den schneeigen Häuptern der Alpen auf Ekkehard. Er will der heiligen Hadwig eine Capelle weihen! so klang es immer und immer wieder in ihr.
Sie trat einen Schritt vor, als fürchte sie den Schwindel, lehnte den rechten Arm auf Ekkehard's Schulter und stützte sich fest auf ihn. Ihr Auge flammte auf die kurze Entfernung in das seine hinüber. Was denkt mein Freund? sprach sie mit weicher Stimme.
Ekkehard stand zerstreut. Er fuhr auf.
Ich bin nie auf solcher Höhe gestanden, sprach er, bei dem An- blick mußt' ich der Schrift gedenken: "Hernach führte ihn der Teufel auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Pracht, und sprach zu ihm: Dies Alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Er aber antwortete und sprach: Weg von mir, Satan! denn es steht geschrieben: Du sollst den Herrn deinen Gott anbeten und ihm allein dienen."
Starr trat die Herzogin zurück. Das Feuer ihres Auges wan- delte sich, als hätte sie den Mönch hinabstoßen mögen in den Ab-grund.
Ekkehard! rief sie, Ihr seid ein Kind -- oder ein Thor!
Sie wandte sich und stieg schnellen, unmuthigen Ganges hinunter.
Sie ritt allein zur Feste Twiel zurück, sausend, im Galopp; kaum mochte der Diener folgen.
Ekkehard wußte nicht, wie ihm geschehen. Er fuhr mit der Hand über die Augen, als lägen Schuppen davor.
Wie er in stiller Nacht auf seiner hohentwieler Thurmstube saß und den Tag überdachte, flammte ein ferner Feuerschein herüber. Er schaute hinaus. Aus den Tannen am hohen Krähen schlug die feu- rige Lohe.
Die Waldfrau hatte der künftigen Capelle zur heiligen Hadwig ihren letzten Besuch erstattet.
licher, lichter Glanz ſäumte die Kanten ihrer Höhen, die Sonne neigte zum Untergang ... ſchmelzend, duftig flimmerte die Landſchaft ...
Frau Hadwig war bewegt. Ein Stück großer, weiter Natur ſagte ihrem großen Herzen zu. Die Gefühle aber ruhen nahe beiein- ander. Ein zarter Hauch zog durch ihr Denken; ihre Blicke wandten ſich von den ſchneeigen Häuptern der Alpen auf Ekkehard. Er will der heiligen Hadwig eine Capelle weihen! ſo klang es immer und immer wieder in ihr.
Sie trat einen Schritt vor, als fürchte ſie den Schwindel, lehnte den rechten Arm auf Ekkehard's Schulter und ſtützte ſich feſt auf ihn. Ihr Auge flammte auf die kurze Entfernung in das ſeine hinüber. Was denkt mein Freund? ſprach ſie mit weicher Stimme.
Ekkehard ſtand zerſtreut. Er fuhr auf.
Ich bin nie auf ſolcher Höhe geſtanden, ſprach er, bei dem An- blick mußt' ich der Schrift gedenken: „Hernach führte ihn der Teufel auf einen ſehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Pracht, und ſprach zu ihm: Dies Alles will ich dir geben, wenn du niederfällſt und mich anbeteſt. Er aber antwortete und ſprach: Weg von mir, Satan! denn es ſteht geſchrieben: Du ſollſt den Herrn deinen Gott anbeten und ihm allein dienen.“
Starr trat die Herzogin zurück. Das Feuer ihres Auges wan- delte ſich, als hätte ſie den Mönch hinabſtoßen mögen in den Ab-grund.
Ekkehard! rief ſie, Ihr ſeid ein Kind — oder ein Thor!
Sie wandte ſich und ſtieg ſchnellen, unmuthigen Ganges hinunter.
Sie ritt allein zur Feſte Twiel zurück, ſauſend, im Galopp; kaum mochte der Diener folgen.
Ekkehard wußte nicht, wie ihm geſchehen. Er fuhr mit der Hand über die Augen, als lägen Schuppen davor.
Wie er in ſtiller Nacht auf ſeiner hohentwieler Thurmſtube ſaß und den Tag überdachte, flammte ein ferner Feuerſchein herüber. Er ſchaute hinaus. Aus den Tannen am hohen Krähen ſchlug die feu- rige Lohe.
Die Waldfrau hatte der künftigen Capelle zur heiligen Hadwig ihren letzten Beſuch erſtattet.
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licher, lichter Glanz ſäumte die Kanten ihrer Höhen, die Sonne neigte
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Frau Hadwig war bewegt. Ein Stück großer, weiter Natur
ſagte ihrem großen Herzen zu. Die Gefühle aber ruhen nahe beiein-
ander. Ein zarter Hauch zog durch ihr Denken; ihre Blicke wandten
ſich von den ſchneeigen Häuptern der Alpen auf Ekkehard. Er will
der heiligen Hadwig eine Capelle weihen! ſo klang es immer und
immer wieder in ihr.
Sie trat einen Schritt vor, als fürchte ſie den Schwindel, lehnte
den rechten Arm auf Ekkehard's Schulter und ſtützte ſich feſt auf ihn.
Ihr Auge flammte auf die kurze Entfernung in das ſeine hinüber.
Was denkt mein Freund? ſprach ſie mit weicher Stimme.
Ekkehard ſtand zerſtreut. Er fuhr auf.
Ich bin nie auf ſolcher Höhe geſtanden, ſprach er, bei dem An-
blick mußt' ich der Schrift gedenken: „Hernach führte ihn der Teufel
auf einen ſehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und
ihre Pracht, und ſprach zu ihm: Dies Alles will ich dir geben, wenn
du niederfällſt und mich anbeteſt. Er aber antwortete und ſprach:
Weg von mir, Satan! denn es ſteht geſchrieben: Du ſollſt den Herrn
deinen Gott anbeten und ihm allein dienen.“
Starr trat die Herzogin zurück. Das Feuer ihres Auges wan-
delte ſich, als hätte ſie den Mönch hinabſtoßen mögen in den Ab-grund.
Ekkehard! rief ſie, Ihr ſeid ein Kind — oder ein Thor!
Sie wandte ſich und ſtieg ſchnellen, unmuthigen Ganges hinunter.
Sie ritt allein zur Feſte Twiel zurück, ſauſend, im Galopp; kaum
mochte der Diener folgen.
Ekkehard wußte nicht, wie ihm geſchehen. Er fuhr mit der Hand
über die Augen, als lägen Schuppen davor.
Wie er in ſtiller Nacht auf ſeiner hohentwieler Thurmſtube ſaß
und den Tag überdachte, flammte ein ferner Feuerſchein herüber. Er
ſchaute hinaus. Aus den Tannen am hohen Krähen ſchlug die feu-
rige Lohe.
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/138>, abgerufen am 16.06.2024.
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