psc_223.001 als Mitleid: Schrecken, wenn Zweifel möglich, ob der Graben psc_223.002 nicht vielmehr ein Abgrund ist. So kann sich unter Umständen psc_223.003 Lachen in Mitleid, Mitleid in Lachen verwandeln. Mitleid psc_223.004 aber ist verschieden nach den Charakteren: grausame können noch psc_223.005 lachen, wo normale heutige Menschen Mitleid fühlen. So psc_223.006 ist manches heute tragisch, was sonst komisch schien.
psc_223.007
Ein großes Thema älterer Komik waren Unanständigkeiten psc_223.008 und Entblößungen, welche vielfach heute nur Ekel erregen psc_223.009 würden. Auch Prügel gelten nicht mehr für komisch. psc_223.010 Das Komische besteht darin, daß die Betheiligten durchweg psc_223.011 die Sitte vergessen, indem sie sich erst schimpfen und dann psc_223.012 in die Haare greifen u. s. w. Nun ist aber doch in beiden psc_223.013 Fällen die Verfehlung gegen die Sitte und Lebensart heute psc_223.014 noch größer als früher -- eben deshalb, sie ist zu groß! sie psc_223.015 ruft Ärger hervor.
psc_223.016
Mißverständnisse, Dummheiten, Äußerungen, die wie die psc_223.017 Faust aufs Auge passen, sind Verfehlungen. Naivetäten des psc_223.018 Kindes und Erwachsenen desgleichen. Schiller hebt richtig das psc_223.019 Lächerliche als Element des Naiven hervor. Colossale Lügen psc_223.020 und Aufschneidereien, wobei komisch ist, daß dem Lügner geglaubt psc_223.021 wird oder geglaubt werden soll. Geprelltwerden: ein psc_223.022 gefährliches Grenzgebiet! z. B. der geprellte Ehemann bei psc_223.023 Boccaccio u. A. Das kann sehr ernst genommen werden. -- psc_223.024 Enttäuschungen sind unter Umständen komisch: wenn auffallend psc_223.025 und unerwartet auftretend. -- Die auffallende Verfehlung psc_223.026 im Nachahmen, die aber beabsichtigt sein kann: Caricatur; psc_223.027 Parodie -- wo aber vielmehr das Nachgeahmte, psc_223.028 Parodirte als ein auffallend Verfehltes dargestellt wird.
psc_223.001 als Mitleid: Schrecken, wenn Zweifel möglich, ob der Graben psc_223.002 nicht vielmehr ein Abgrund ist. So kann sich unter Umständen psc_223.003 Lachen in Mitleid, Mitleid in Lachen verwandeln. Mitleid psc_223.004 aber ist verschieden nach den Charakteren: grausame können noch psc_223.005 lachen, wo normale heutige Menschen Mitleid fühlen. So psc_223.006 ist manches heute tragisch, was sonst komisch schien.
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Ein großes Thema älterer Komik waren Unanständigkeiten psc_223.008 und Entblößungen, welche vielfach heute nur Ekel erregen psc_223.009 würden. Auch Prügel gelten nicht mehr für komisch. psc_223.010 Das Komische besteht darin, daß die Betheiligten durchweg psc_223.011 die Sitte vergessen, indem sie sich erst schimpfen und dann psc_223.012 in die Haare greifen u. s. w. Nun ist aber doch in beiden psc_223.013 Fällen die Verfehlung gegen die Sitte und Lebensart heute psc_223.014 noch größer als früher — eben deshalb, sie ist zu groß! sie psc_223.015 ruft Ärger hervor.
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Mißverständnisse, Dummheiten, Äußerungen, die wie die psc_223.017 Faust aufs Auge passen, sind Verfehlungen. Naivetäten des psc_223.018 Kindes und Erwachsenen desgleichen. Schiller hebt richtig das psc_223.019 Lächerliche als Element des Naiven hervor. Colossale Lügen psc_223.020 und Aufschneidereien, wobei komisch ist, daß dem Lügner geglaubt psc_223.021 wird oder geglaubt werden soll. Geprelltwerden: ein psc_223.022 gefährliches Grenzgebiet! z. B. der geprellte Ehemann bei psc_223.023 Boccaccio u. A. Das kann sehr ernst genommen werden. — psc_223.024 Enttäuschungen sind unter Umständen komisch: wenn auffallend psc_223.025 und unerwartet auftretend. — Die auffallende Verfehlung psc_223.026 im Nachahmen, die aber beabsichtigt sein kann: Caricatur; psc_223.027 Parodie — wo aber vielmehr das Nachgeahmte, psc_223.028 Parodirte als ein auffallend Verfehltes dargestellt wird.
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Scherer, Wilhelm: Poetik. Hrsg. v. Richard M. Meyer. Berlin, 1888, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scherer_poetik_1888/239>, abgerufen am 13.06.2024.
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