len auf ihn, die ihn früher oder später, in einem höhern oder niedrigern Bogen, zur mütterlichen Er¬ de zurück treiben. Und so spät zu fallen, mußte er mit dieser üppigen Kraft aufsteigen -- gerade eine elastische Kraft, wie der Trieb zur Unsterblich¬ keit, gehörte dazu, wenn sich die Menschenerschei¬ nung gegen die heran drückende Nothwendigkeit Raum machen sollte. Ich gebe mich überwunden, liebster Freund, wenn Sie mir darthun, daß die¬ sen Trieb zur Unsterblichkeit im Menschen nicht eben so vollkommen mit dem zeitlichen Zweck seines Da¬ seyns aufgehe, als seine sinnlichsten Triebe. Frey¬ lich verführt uns unser Stolz, Kräfte, die wir nur für, nur durch die Nothwendigkeit haben, gegen sie selbst anzuwenden; aber hätten wir wohl diesen Stolz, wenn sie nicht auch von ihm Vor¬ theile zöge? Wäre sie ein vernünftiges Wesen, sie müßte sich unsrer Philosophien ungefähr eben so freuen, wie sich ein weiser Feldherr an dem Muth¬ willen seiner kriegerischen Jugend ergötzet, der ihm Helden im Gefechte verspricht."
Der Gedanke diente nur der Bewegung? Das Ganze wäre todt, und die Theile lebten? Der Zweck wäre so gemein, und die Mittel so edel?
"Zweck überhaupt hätten wir nie sagen sollen. Um in Ihre Vorstellungsart einzutreten, entlehne ich diesen Begriff von der moralischen Welt, weil wir hier gewohnt sind, die Folgen einer Handlung ihren Zweck zu nennen. In der Seele selbst geht
zwar
len auf ihn, die ihn früher oder ſpäter, in einem höhern oder niedrigern Bogen, zur mütterlichen Er¬ de zurück treiben. Und ſo ſpät zu fallen, mußte er mit dieſer üppigen Kraft aufſteigen — gerade eine elaſtiſche Kraft, wie der Trieb zur Unſterblich¬ keit, gehörte dazu, wenn ſich die Menſchenerſchei¬ nung gegen die heran drückende Nothwendigkeit Raum machen ſollte. Ich gebe mich überwunden, liebſter Freund, wenn Sie mir darthun, daß die¬ ſen Trieb zur Unſterblichkeit im Menſchen nicht eben ſo vollkommen mit dem zeitlichen Zweck ſeines Da¬ ſeyns aufgehe, als ſeine ſinnlichſten Triebe. Frey¬ lich verführt uns unſer Stolz, Kräfte, die wir nur für, nur durch die Nothwendigkeit haben, gegen ſie ſelbſt anzuwenden; aber hätten wir wohl dieſen Stolz, wenn ſie nicht auch von ihm Vor¬ theile zöge? Wäre ſie ein vernünftiges Weſen, ſie müßte ſich unſrer Philoſophien ungefähr eben ſo freuen, wie ſich ein weiſer Feldherr an dem Muth¬ willen ſeiner kriegeriſchen Jugend ergötzet, der ihm Helden im Gefechte verſpricht.“
Der Gedanke diente nur der Bewegung? Das Ganze wäre todt, und die Theile lebten? Der Zweck wäre ſo gemein, und die Mittel ſo edel?
„Zweck überhaupt hätten wir nie ſagen ſollen. Um in Ihre Vorſtellungsart einzutreten, entlehne ich dieſen Begriff von der moraliſchen Welt, weil wir hier gewohnt ſind, die Folgen einer Handlung ihren Zweck zu nennen. In der Seele ſelbſt geht
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len auf ihn, die ihn früher oder ſpäter, in einem
höhern oder niedrigern Bogen, zur mütterlichen Er¬
de zurück treiben. Und ſo ſpät zu fallen, mußte
er mit dieſer üppigen Kraft aufſteigen — gerade
eine elaſtiſche Kraft, wie der Trieb zur Unſterblich¬
keit, gehörte dazu, wenn ſich die Menſchenerſchei¬
nung gegen die heran drückende Nothwendigkeit
Raum machen ſollte. Ich gebe mich überwunden,
liebſter Freund, wenn Sie mir darthun, daß die¬
ſen Trieb zur Unſterblichkeit im Menſchen nicht eben
ſo vollkommen mit dem zeitlichen Zweck ſeines Da¬
ſeyns aufgehe, als ſeine ſinnlichſten Triebe. Frey¬
lich verführt uns unſer Stolz, Kräfte, die wir
nur für, nur durch die Nothwendigkeit haben,
gegen ſie ſelbſt anzuwenden; aber hätten wir wohl
dieſen Stolz, wenn ſie nicht auch von ihm Vor¬
theile zöge? Wäre ſie ein vernünftiges Weſen, ſie
müßte ſich unſrer Philoſophien ungefähr eben ſo
freuen, wie ſich ein weiſer Feldherr an dem Muth¬
willen ſeiner kriegeriſchen Jugend ergötzet, der ihm
Helden im Gefechte verſpricht.“
Der Gedanke diente nur der Bewegung? Das
Ganze wäre todt, und die Theile lebten? Der
Zweck wäre ſo gemein, und die Mittel ſo
edel?
„Zweck überhaupt hätten wir nie ſagen ſollen.
Um in Ihre Vorſtellungsart einzutreten, entlehne
ich dieſen Begriff von der moraliſchen Welt, weil
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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/138>, abgerufen am 18.06.2024.
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