Vortreflichkeit des Menschen in diese Welt und seine Glückseligkeit in die andre fallen könnte -- Ist Ihnen dieses erwiesen?"
Ich weiß, nichts dagegen zu antworten.
"Das moralische Wesen ist also in sich selbst vollendet und beschlossen, wie das, welches wir zum Unterschied davon das organische nennen, be¬ schlossen durch seine Moralität, wie dieses durch seinen Bau, und diese Moralität ist eine Beziehung, die von dem, was außer ihm vorgeht, durchaus unabhängig ist."
Dieß ist erwiesen.
"Es umgebe mich also was da wolle, der mo¬ ralische Unterschied bleibt."
Ich ahnde, wo Sie hinaus wollen, aber --
"Es sey also ein vernünftig geordnetes Ganze, eine unendliche Gerechtigkeit und Güte, eine Fort¬ dauer der Persönlichkeit, ein ewiger Fortschritt -- aus der moralischen Welt läßt sich dieses wenigstens nicht mit größerer Bündigkeit erweisen, als aus der physischen. Um vollkommen zu seyn, um glücklich zu seyn, bedarf das moralische Wesen keiner neuen Instanz mehr -- und wenn es eine erwartet, so kann sich diese Erwartung wenigstens nicht mehr auf eine Forderung gründen. Was mit ihm werde, muß ihm für seine Vollkommenheit gleich viel seyn, so wie es der Rose -- um schön zu seyn -- gleich viel seyn muß, ob sie in einer Wüste oder in fürstli¬ chen Gärten, ob sie dem Busen eines lieblichen Mädchens oder dem verzehrenden Wurm entgegen blühet."
Paßt
Vortreflichkeit des Menſchen in dieſe Welt und ſeine Glückſeligkeit in die andre fallen könnte — Iſt Ihnen dieſes erwieſen?“
Ich weiß, nichts dagegen zu antworten.
„Das moraliſche Weſen iſt alſo in ſich ſelbſt vollendet und beſchloſſen, wie das, welches wir zum Unterſchied davon das organiſche nennen, be¬ ſchloſſen durch ſeine Moralität, wie dieſes durch ſeinen Bau, und dieſe Moralität iſt eine Beziehung, die von dem, was außer ihm vorgeht, durchaus unabhängig iſt.“
Dieß iſt erwieſen.
„Es umgebe mich alſo was da wolle, der mo¬ raliſche Unterſchied bleibt.“
Ich ahnde, wo Sie hinaus wollen, aber —
„Es ſey alſo ein vernünftig geordnetes Ganze, eine unendliche Gerechtigkeit und Güte, eine Fort¬ dauer der Perſönlichkeit, ein ewiger Fortſchritt — aus der moraliſchen Welt läßt ſich dieſes wenigſtens nicht mit größerer Bündigkeit erweiſen, als aus der phyſiſchen. Um vollkommen zu ſeyn, um glücklich zu ſeyn, bedarf das moraliſche Weſen keiner neuen Inſtanz mehr — und wenn es eine erwartet, ſo kann ſich dieſe Erwartung wenigſtens nicht mehr auf eine Forderung gründen. Was mit ihm werde, muß ihm für ſeine Vollkommenheit gleich viel ſeyn, ſo wie es der Roſe — um ſchön zu ſeyn — gleich viel ſeyn muß, ob ſie in einer Wüſte oder in fürſtli¬ chen Gärten, ob ſie dem Buſen eines lieblichen Mädchens oder dem verzehrenden Wurm entgegen blühet.“
Paßt
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Vortreflichkeit des Menſchen in dieſe Welt und ſeine
Glückſeligkeit in die andre fallen könnte — Iſt
Ihnen dieſes erwieſen?“
Ich weiß, nichts dagegen zu antworten.
„Das moraliſche Weſen iſt alſo in ſich ſelbſt
vollendet und beſchloſſen, wie das, welches wir
zum Unterſchied davon das organiſche nennen, be¬
ſchloſſen durch ſeine Moralität, wie dieſes durch
ſeinen Bau, und dieſe Moralität iſt eine Beziehung,
die von dem, was außer ihm vorgeht, durchaus
unabhängig iſt.“
Dieß iſt erwieſen.
„Es umgebe mich alſo was da wolle, der mo¬
raliſche Unterſchied bleibt.“
Ich ahnde, wo Sie hinaus wollen, aber —
„Es ſey alſo ein vernünftig geordnetes Ganze,
eine unendliche Gerechtigkeit und Güte, eine Fort¬
dauer der Perſönlichkeit, ein ewiger Fortſchritt —
aus der moraliſchen Welt läßt ſich dieſes wenigſtens
nicht mit größerer Bündigkeit erweiſen, als aus der
phyſiſchen. Um vollkommen zu ſeyn, um glücklich
zu ſeyn, bedarf das moraliſche Weſen keiner neuen
Inſtanz mehr — und wenn es eine erwartet, ſo
kann ſich dieſe Erwartung wenigſtens nicht mehr
auf eine Forderung gründen. Was mit ihm werde,
muß ihm für ſeine Vollkommenheit gleich viel ſeyn,
ſo wie es der Roſe — um ſchön zu ſeyn — gleich
viel ſeyn muß, ob ſie in einer Wüſte oder in fürſtli¬
chen Gärten, ob ſie dem Buſen eines lieblichen
Mädchens oder dem verzehrenden Wurm entgegen
blühet.“
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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/163>, abgerufen am 18.06.2024.
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