Wer weiß, wie er aussehen mag, dein Sohn Je¬ ronymo! -- Laß ihn die Stimme hören, die er zum leztenmal hörte! -- Bitte deinen Sohn Lo¬ renzo, daß er ihn rufe."
"Was soll das bedeuten? murmelte alles. Lorenzo veränderte die Farbe. Ich läugne nicht, daß mir das Haar anfing zu steigen."
"Der Mönch war unterdessen zum Schenktisch getreten, wo er ein volles Weinglas ergriff, und an die Lippen sezte -- "Das Andenken unsers theuern Jeronymo!" rief er. "Wer den Verstor¬ benen lieb hatte, thue mir's nach."
"Woher ihr auch seyn mögt, ehrwürdiger Herr, rief endlich der Marchese. Ihr habt einen theuern Namen genannt. Seyd mir willkommen! -- Kommt, meine Freunde! (indem er sich gegen uns kehrte, und die Gläser herum gehen ließ) laßt einen Fremdling uns nicht beschämen! -- Dem Andenken meines Sohnes Jeronymo!"
"Nie, glaube ich, ward eine Gesundheit mit so schlimmen Muthe getrunken."
"Ein Glas steht noch voll da -- Warum weigert sich mein Sohn Lorenzo, auf diesen freund¬ lichen Trunk Bescheid zu thun?"
"Bebend empfing Lorenzo das Glas aus des Franziskaners Hand -- bebend brachte er's an den Mund -- "Meinem vielgeliebten Bruder Jero¬ nymo!" stammelte er, und schauernd sezte er's nieder."
"Das ist meines Mörders Stimme, rief eine fürchterliche Gestalt, die auf einmal in unsrer Mit¬
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Wer weiß, wie er ausſehen mag, dein Sohn Je¬ ronymo! — Laß ihn die Stimme hören, die er zum leztenmal hörte! — Bitte deinen Sohn Lo¬ renzo, daß er ihn rufe.“
„Was ſoll das bedeuten? murmelte alles. Lorenzo veränderte die Farbe. Ich läugne nicht, daß mir das Haar anfing zu ſteigen.“
„Der Mönch war unterdeſſen zum Schenktiſch getreten, wo er ein volles Weinglas ergriff, und an die Lippen ſezte — „Das Andenken unſers theuern Jeronymo!“ rief er. „Wer den Verſtor¬ benen lieb hatte, thue mir's nach.“
„Woher ihr auch ſeyn mögt, ehrwürdiger Herr, rief endlich der Marcheſe. Ihr habt einen theuern Namen genannt. Seyd mir willkommen! — Kommt, meine Freunde! (indem er ſich gegen uns kehrte, und die Gläſer herum gehen ließ) laßt einen Fremdling uns nicht beſchämen! — Dem Andenken meines Sohnes Jeronymo!“
„Nie, glaube ich, ward eine Geſundheit mit ſo ſchlimmen Muthe getrunken.“
„Ein Glas ſteht noch voll da — Warum weigert ſich mein Sohn Lorenzo, auf dieſen freund¬ lichen Trunk Beſcheid zu thun?“
„Bebend empfing Lorenzo das Glas aus des Franziskaners Hand — bebend brachte er's an den Mund — „Meinem vielgeliebten Bruder Jero¬ nymo!“ ſtammelte er, und ſchauernd ſezte er's nieder.“
„Das iſt meines Mörders Stimme, rief eine fürchterliche Geſtalt, die auf einmal in unſrer Mit¬
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Wer weiß, wie er ausſehen mag, dein Sohn Je¬
ronymo! — Laß ihn die Stimme hören, die er
zum leztenmal hörte! — Bitte deinen Sohn Lo¬
renzo, daß er ihn rufe.“
„Was ſoll das bedeuten? murmelte alles.
Lorenzo veränderte die Farbe. Ich läugne nicht,
daß mir das Haar anfing zu ſteigen.“
„Der Mönch war unterdeſſen zum Schenktiſch
getreten, wo er ein volles Weinglas ergriff, und
an die Lippen ſezte — „Das Andenken unſers
theuern Jeronymo!“ rief er. „Wer den Verſtor¬
benen lieb hatte, thue mir's nach.“
„Woher ihr auch ſeyn mögt, ehrwürdiger
Herr, rief endlich der Marcheſe. Ihr habt einen
theuern Namen genannt. Seyd mir willkommen!
— Kommt, meine Freunde! (indem er ſich gegen
uns kehrte, und die Gläſer herum gehen ließ)
laßt einen Fremdling uns nicht beſchämen! — Dem
Andenken meines Sohnes Jeronymo!“
„Nie, glaube ich, ward eine Geſundheit mit
ſo ſchlimmen Muthe getrunken.“
„Ein Glas ſteht noch voll da — Warum
weigert ſich mein Sohn Lorenzo, auf dieſen freund¬
lichen Trunk Beſcheid zu thun?“
„Bebend empfing Lorenzo das Glas aus des
Franziskaners Hand — bebend brachte er's an den
Mund — „Meinem vielgeliebten Bruder Jero¬
nymo!“ ſtammelte er, und ſchauernd ſezte er's
nieder.“
„Das iſt meines Mörders Stimme, rief eine
fürchterliche Geſtalt, die auf einmal in unſrer Mit¬
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Schiller, Friedrich: Der Geisterseher. Leipzig, 1789, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schiller_geisterseher_1789/81>, abgerufen am 18.06.2024.
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