Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.
Nur meinen eignen Augen würd' ich traun. -- Was schaut ihr mich so seltsam an? Leicester. Ich stellte Dich in Gedanken neben die Maria. -- Die Freude wünscht ich mir, ich berg' es nicht, Wenn es ganz in geheim geschehen könnte, Der Stuart gegenüber dich zu sehn! Dann solltest du erst deines ganzen Siegs Genießen! Die Beschämung gönnt' ich ihr, Daß sie mit eignen Augen -- denn der Neid Hat scharfe Augen -- überzeugt sich sähe, Wie sehr sie auch an Adel der Gestalt Von dir besiegt wird, der sie so unendlich In jeder andern würd'gen Tugend weicht. Elisabeth. Sie ist die jüngere an Jahren. Leicester. Jünger! Man siehts ihr nicht an. Freilich ihre Leiden! Sie mag wohl vor der Zeit gealtert haben. Ja, und was ihre Kränkung bittrer machte, Das wäre, dich als Braut zu sehn! Sie hat Des Lebens schöne Hoffnung hinter sich, Dich sähe sie dem Glück entgegen schreiten!
Nur meinen eignen Augen wuͤrd' ich traun. — Was ſchaut ihr mich ſo ſeltſam an? Leiceſter. Ich ſtellte Dich in Gedanken neben die Maria. — Die Freude wuͤnſcht ich mir, ich berg' es nicht, Wenn es ganz in geheim geſchehen koͤnnte, Der Stuart gegenuͤber dich zu ſehn! Dann ſollteſt du erſt deines ganzen Siegs Genießen! Die Beſchaͤmung goͤnnt' ich ihr, Daß ſie mit eignen Augen — denn der Neid Hat ſcharfe Augen — uͤberzeugt ſich ſaͤhe, Wie ſehr ſie auch an Adel der Geſtalt Von dir beſiegt wird, der ſie ſo unendlich In jeder andern wuͤrd'gen Tugend weicht. Eliſabeth. Sie iſt die juͤngere an Jahren. Leiceſter. Juͤnger! Man ſiehts ihr nicht an. Freilich ihre Leiden! Sie mag wohl vor der Zeit gealtert haben. Ja, und was ihre Kraͤnkung bittrer machte, Das waͤre, dich als Braut zu ſehn! Sie hat Des Lebens ſchoͤne Hoffnung hinter ſich, Dich ſaͤhe ſie dem Gluͤck entgegen ſchreiten! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#ELI"> <p><pb facs="#f0118" n="112"/> Nur meinen eignen Augen wuͤrd' ich traun.<lb/> — Was ſchaut ihr mich ſo ſeltſam an?</p><lb/> </sp> <sp who="#LEIGRA"> <speaker><hi rendition="#g">Leiceſter</hi>.</speaker><lb/> <p>Ich ſtellte<lb/> Dich in Gedanken neben die Maria.<lb/> — Die Freude wuͤnſcht ich mir, ich berg' es nicht,<lb/> Wenn es ganz in geheim geſchehen koͤnnte,<lb/> Der Stuart gegenuͤber dich zu ſehn!<lb/> Dann ſollteſt du erſt deines ganzen Siegs<lb/> Genießen! Die Beſchaͤmung goͤnnt' ich ihr,<lb/> Daß ſie mit eignen Augen — denn der Neid<lb/> Hat ſcharfe Augen — uͤberzeugt ſich ſaͤhe,<lb/> Wie ſehr ſie auch an Adel der Geſtalt<lb/> Von dir beſiegt wird, der ſie ſo unendlich<lb/> In jeder andern wuͤrd'gen Tugend weicht.</p><lb/> </sp> <sp who="#ELI"> <speaker><hi rendition="#g">Eliſabeth</hi>.</speaker><lb/> <p>Sie iſt die juͤngere an Jahren.</p><lb/> </sp> <sp who="#LEIGRA"> <speaker><hi rendition="#g">Leiceſter</hi>.</speaker><lb/> <p>Juͤnger!<lb/> Man ſiehts ihr nicht an. Freilich ihre Leiden!<lb/> Sie mag wohl vor der Zeit gealtert haben.<lb/> Ja, und was ihre Kraͤnkung bittrer machte,<lb/> Das waͤre, dich als Braut zu ſehn! Sie hat<lb/> Des Lebens ſchoͤne Hoffnung hinter ſich,<lb/> Dich ſaͤhe ſie dem Gluͤck entgegen ſchreiten!<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [112/0118]
Nur meinen eignen Augen wuͤrd' ich traun.
— Was ſchaut ihr mich ſo ſeltſam an?
Leiceſter.
Ich ſtellte
Dich in Gedanken neben die Maria.
— Die Freude wuͤnſcht ich mir, ich berg' es nicht,
Wenn es ganz in geheim geſchehen koͤnnte,
Der Stuart gegenuͤber dich zu ſehn!
Dann ſollteſt du erſt deines ganzen Siegs
Genießen! Die Beſchaͤmung goͤnnt' ich ihr,
Daß ſie mit eignen Augen — denn der Neid
Hat ſcharfe Augen — uͤberzeugt ſich ſaͤhe,
Wie ſehr ſie auch an Adel der Geſtalt
Von dir beſiegt wird, der ſie ſo unendlich
In jeder andern wuͤrd'gen Tugend weicht.
Eliſabeth.
Sie iſt die juͤngere an Jahren.
Leiceſter.
Juͤnger!
Man ſiehts ihr nicht an. Freilich ihre Leiden!
Sie mag wohl vor der Zeit gealtert haben.
Ja, und was ihre Kraͤnkung bittrer machte,
Das waͤre, dich als Braut zu ſehn! Sie hat
Des Lebens ſchoͤne Hoffnung hinter ſich,
Dich ſaͤhe ſie dem Gluͤck entgegen ſchreiten!
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