Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.
Ihr seid nicht schuldig, ich bin auch nicht schuldig, Ein böser Geist stieg aus dem Abgrund auf, Den Haß in unsern Herzen zu entzünden, Der unsre zarte Jugend schon entzweyt. Er wuchs mit uns, und böse Menschen fachten Der unglückselgen Flamme Athem zu. Wahnsinn'ge Eiferer bewaffneten Mit Schwerdt und Dolch die unberufne Hand -- Das ist das Fluchgeschick der Könige, Daß sie, entzweyt, die Welt in Haß zerreißen, Und jeder Zwietracht Furien entfesseln. -- Jetzt ist kein fremder Mund mehr zwischen uns (nähert sich ihr zutraulich und mit schmeichelndem Ton) Wir stehn einander selbst nun gegenüber. Jetzt Schwester redet! Nennt mir meine Schuld, Ich will euch völliges Genügen leisten. Ach, daß ihr damals mir Gehör geschenkt, Als ich so dringend euer Auge suchte! Es wäre nie so weit gekommen, nicht An diesem traur'gen Ort geschähe jetzt Die unglückselig traurige Begegnung. Elisabeth Mein guter Stern bewahrte mich davor, Die Natter an den Busen mir zu legen. -- Nicht die Geschicke, euer schwarzes Herz Klagt an, die wilde Ehrsucht eures Hauses.
Ihr ſeid nicht ſchuldig, ich bin auch nicht ſchuldig, Ein boͤſer Geiſt ſtieg aus dem Abgrund auf, Den Haß in unſern Herzen zu entzuͤnden, Der unſre zarte Jugend ſchon entzweyt. Er wuchs mit uns, und boͤſe Menſchen fachten Der ungluͤckſelgen Flamme Athem zu. Wahnſinn'ge Eiferer bewaffneten Mit Schwerdt und Dolch die unberufne Hand — Das iſt das Fluchgeſchick der Koͤnige, Daß ſie, entzweyt, die Welt in Haß zerreißen, Und jeder Zwietracht Furien entfeſſeln. — Jetzt iſt kein fremder Mund mehr zwiſchen uns (naͤhert ſich ihr zutraulich und mit ſchmeichelndem Ton) Wir ſtehn einander ſelbſt nun gegenuͤber. Jetzt Schweſter redet! Nennt mir meine Schuld, Ich will euch voͤlliges Genuͤgen leiſten. Ach, daß ihr damals mir Gehoͤr geſchenkt, Als ich ſo dringend euer Auge ſuchte! Es waͤre nie ſo weit gekommen, nicht An dieſem traur'gen Ort geſchaͤhe jetzt Die ungluͤckſelig traurige Begegnung. Eliſabeth Mein guter Stern bewahrte mich davor, Die Natter an den Buſen mir zu legen. — Nicht die Geſchicke, euer ſchwarzes Herz Klagt an, die wilde Ehrſucht eures Hauſes. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#MARSTUA"> <p><pb facs="#f0136" n="130"/><hi rendition="#g">Ihr</hi> ſeid nicht ſchuldig, <hi rendition="#g">ich</hi> bin auch nicht ſchuldig,<lb/> Ein boͤſer Geiſt ſtieg aus dem Abgrund auf,<lb/> Den Haß in unſern Herzen zu entzuͤnden,<lb/> Der unſre zarte Jugend ſchon entzweyt.<lb/> Er wuchs mit uns, und boͤſe Menſchen fachten<lb/> Der ungluͤckſelgen Flamme Athem zu.<lb/> Wahnſinn'ge Eiferer bewaffneten<lb/> Mit Schwerdt und Dolch die unberufne Hand —<lb/> Das iſt das Fluchgeſchick der Koͤnige,<lb/> Daß ſie, entzweyt, die Welt in Haß zerreißen,<lb/> Und jeder Zwietracht Furien entfeſſeln.<lb/> — Jetzt iſt kein fremder Mund mehr zwiſchen uns<lb/><stage>(naͤhert ſich ihr zutraulich und mit ſchmeichelndem Ton)</stage><lb/> Wir ſtehn einander ſelbſt nun gegenuͤber.<lb/><hi rendition="#g">Jetzt</hi> Schweſter <hi rendition="#g">redet</hi>! Nennt mir meine Schuld,<lb/> Ich will euch voͤlliges Genuͤgen leiſten.<lb/> Ach, daß ihr damals mir Gehoͤr geſchenkt,<lb/> Als ich ſo dringend euer Auge ſuchte!<lb/> Es waͤre nie ſo weit gekommen, nicht<lb/> An dieſem traur'gen Ort geſchaͤhe jetzt<lb/> Die ungluͤckſelig traurige Begegnung.</p><lb/> </sp> <sp who="#ELI"> <speaker> <hi rendition="#g">Eliſabeth</hi> </speaker><lb/> <p>Mein guter Stern bewahrte mich davor,<lb/> Die Natter an den Buſen mir zu legen.<lb/> — Nicht die Geſchicke, euer ſchwarzes Herz<lb/> Klagt an, die wilde Ehrſucht eures Hauſes.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [130/0136]
Ihr ſeid nicht ſchuldig, ich bin auch nicht ſchuldig,
Ein boͤſer Geiſt ſtieg aus dem Abgrund auf,
Den Haß in unſern Herzen zu entzuͤnden,
Der unſre zarte Jugend ſchon entzweyt.
Er wuchs mit uns, und boͤſe Menſchen fachten
Der ungluͤckſelgen Flamme Athem zu.
Wahnſinn'ge Eiferer bewaffneten
Mit Schwerdt und Dolch die unberufne Hand —
Das iſt das Fluchgeſchick der Koͤnige,
Daß ſie, entzweyt, die Welt in Haß zerreißen,
Und jeder Zwietracht Furien entfeſſeln.
— Jetzt iſt kein fremder Mund mehr zwiſchen uns
(naͤhert ſich ihr zutraulich und mit ſchmeichelndem Ton)
Wir ſtehn einander ſelbſt nun gegenuͤber.
Jetzt Schweſter redet! Nennt mir meine Schuld,
Ich will euch voͤlliges Genuͤgen leiſten.
Ach, daß ihr damals mir Gehoͤr geſchenkt,
Als ich ſo dringend euer Auge ſuchte!
Es waͤre nie ſo weit gekommen, nicht
An dieſem traur'gen Ort geſchaͤhe jetzt
Die ungluͤckſelig traurige Begegnung.
Eliſabeth
Mein guter Stern bewahrte mich davor,
Die Natter an den Buſen mir zu legen.
— Nicht die Geſchicke, euer ſchwarzes Herz
Klagt an, die wilde Ehrſucht eures Hauſes.
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