Schiller, [Friedrich]: Maria Stuart. Tübingen u. a., 1801.
Ich will es glauben. Nicht der eigne Nutzen Regiert euch, euch regiert allein der Vortheil Des Souverains, des Landes. Eben darum Mistraut euch, edler Lord, daß nicht der Nutzen Des Staats euch als Gerechtigkeit erscheine. Nicht zweifl' ich dran, es sitzen neben euch Noch edle Männer unter meinen Richtern. Doch sie sind Protestanten, Eiferer Für Englands Wohl, und sprechen über mich, Die Königin von Schottland, die Papistin! Es kann der Britte gegen den Schotten nicht Gerecht seyn, ist ein uralt Wort -- Drum ist Herkömmlich seit der Väter grauen Zeit, Daß vor Gericht kein Britte gegen den Schotten, Kein Schotte gegen jenen zeugen darf. Die Noth gab dieses seltsame Gesetz, Ein tiefer Sinn wohnt in den alten Bräuchen, Man muß sie ehren, Milord -- die Natur Warf diese beiden feur'gen Völkerschaften Auf dieses Bret im Ocean, ungleich Vertheilte sie's, und hieß sie darum kämpfen. Der Tweede schmales Bette trennt allein Die heft'gen Geister, oft verm[is]chte sich Das Blut der Kämpfenden in ihren Wellen. Die Hand am Schwerdte, schauen sie sich drohend Von beiden Ufern an, seit tausend Jahren.
Ich will es glauben. Nicht der eigne Nutzen Regiert euch, euch regiert allein der Vortheil Des Souverains, des Landes. Eben darum Mistraut euch, edler Lord, daß nicht der Nutzen Des Staats euch als Gerechtigkeit erſcheine. Nicht zweifl' ich dran, es ſitzen neben euch Noch edle Maͤnner unter meinen Richtern. Doch ſie ſind Proteſtanten, Eiferer Fuͤr Englands Wohl, und ſprechen uͤber mich, Die Koͤnigin von Schottland, die Papiſtin! Es kann der Britte gegen den Schotten nicht Gerecht ſeyn, iſt ein uralt Wort — Drum iſt Herkoͤmmlich ſeit der Vaͤter grauen Zeit, Daß vor Gericht kein Britte gegen den Schotten, Kein Schotte gegen jenen zeugen darf. Die Noth gab dieſes ſeltſame Geſetz, Ein tiefer Sinn wohnt in den alten Braͤuchen, Man muß ſie ehren, Milord — die Natur Warf dieſe beiden feur'gen Voͤlkerſchaften Auf dieſes Bret im Ocean, ungleich Vertheilte ſie's, und hieß ſie darum kaͤmpfen. Der Tweede ſchmales Bette trennt allein Die heft'gen Geiſter, oft verm[iſ]chte ſich Das Blut der Kaͤmpfenden in ihren Wellen. Die Hand am Schwerdte, ſchauen ſie ſich drohend Von beiden Ufern an, ſeit tauſend Jahren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#MARSTUA"> <p><pb facs="#f0053" n="47"/> Ich will es glauben. Nicht der eigne Nutzen<lb/> Regiert euch, euch regiert allein der Vortheil<lb/> Des Souverains, des Landes. Eben darum<lb/> Mistraut euch, edler Lord, daß nicht der Nutzen<lb/> Des Staats euch als Gerechtigkeit erſcheine.<lb/> Nicht zweifl' ich dran, es ſitzen neben euch<lb/> Noch edle Maͤnner unter meinen Richtern.<lb/> Doch ſie ſind <hi rendition="#g">Proteſtanten</hi>, Eiferer<lb/> Fuͤr Englands Wohl, und ſprechen uͤber mich,<lb/> Die Koͤnigin von Schottland, die Papiſtin!<lb/> Es kann der Britte gegen den Schotten nicht<lb/> Gerecht ſeyn, iſt ein uralt Wort — Drum iſt<lb/> Herkoͤmmlich ſeit der Vaͤter grauen Zeit,<lb/> Daß vor Gericht kein Britte gegen den Schotten,<lb/> Kein Schotte gegen jenen zeugen darf.<lb/> Die Noth gab dieſes ſeltſame Geſetz,<lb/> Ein tiefer Sinn wohnt in den alten Braͤuchen,<lb/> Man muß ſie ehren, Milord — die Natur<lb/> Warf dieſe beiden feur'gen Voͤlkerſchaften<lb/> Auf dieſes Bret im Ocean, ungleich<lb/> Vertheilte ſie's, und hieß ſie darum kaͤmpfen.<lb/> Der Tweede ſchmales Bette trennt allein<lb/> Die heft'gen Geiſter, oft verm<supplied>iſ</supplied>chte ſich<lb/> Das Blut der Kaͤmpfenden in ihren Wellen.<lb/> Die Hand am Schwerdte, ſchauen ſie ſich drohend<lb/> Von beiden Ufern an, ſeit tauſend Jahren.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [47/0053]
Ich will es glauben. Nicht der eigne Nutzen
Regiert euch, euch regiert allein der Vortheil
Des Souverains, des Landes. Eben darum
Mistraut euch, edler Lord, daß nicht der Nutzen
Des Staats euch als Gerechtigkeit erſcheine.
Nicht zweifl' ich dran, es ſitzen neben euch
Noch edle Maͤnner unter meinen Richtern.
Doch ſie ſind Proteſtanten, Eiferer
Fuͤr Englands Wohl, und ſprechen uͤber mich,
Die Koͤnigin von Schottland, die Papiſtin!
Es kann der Britte gegen den Schotten nicht
Gerecht ſeyn, iſt ein uralt Wort — Drum iſt
Herkoͤmmlich ſeit der Vaͤter grauen Zeit,
Daß vor Gericht kein Britte gegen den Schotten,
Kein Schotte gegen jenen zeugen darf.
Die Noth gab dieſes ſeltſame Geſetz,
Ein tiefer Sinn wohnt in den alten Braͤuchen,
Man muß ſie ehren, Milord — die Natur
Warf dieſe beiden feur'gen Voͤlkerſchaften
Auf dieſes Bret im Ocean, ungleich
Vertheilte ſie's, und hieß ſie darum kaͤmpfen.
Der Tweede ſchmales Bette trennt allein
Die heft'gen Geiſter, oft vermiſchte ſich
Das Blut der Kaͤmpfenden in ihren Wellen.
Die Hand am Schwerdte, ſchauen ſie ſich drohend
Von beiden Ufern an, ſeit tauſend Jahren.
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