die sämmtlichen Erzählungen Försch's als Lügen bezeichneten, son- dern auch selbst die Existenz eines solchen Giftbaums auf Java gänzlich in Abrede stellten. Fast ebenso äußerten sich später Stanton, Bar- row und Labillardiere, während dagegen Deschamp, der sich mehrere Jahre in Java aufhielt, versichert, daß der Upas im Districte von Palembang nicht selten vorkomme, daß aber seine Nachbarschaft nicht gefährlicher sey, als die jeder andern Giftpflanze.
Schon der vorsichtige und nüchterne Kämpfer fügte 1712 sei- nem ausführlichen Bericht über den Giftbaum aus Celebes hinzu: "Wer aber könnte Asiaten etwas nacherzählen, ohne daß der Bericht mit Fabeln durchflochten sey." Dennoch aber haben die neueren Untersuchungen von Leschenault (1810), von Dr.Horsfield (1802--18) und endlich von Blume die völlige Richtigkeit aller ein- zelnen Nachrichten bestätigt und uns gezeigt, wie nur Verwechselungen und Vermengungen sehr verschiedener Dinge die Veranlassung zu allen jenen zum Theil allerdings fabelhaften Erzählungen gegeben haben.
Zwei sehr verschiedene Bäume wachsen in jenen noch wenig be- suchten Urwäldern Java's. Wie zu den Pforten des Allerheiligsten sind alle Zugänge zu denselben versperrt und bewacht. Nur mit Feuer und Axt bahnt man sich einen Weg durch das undurchdringliche Ge- flecht der Schlingpflanzen, der Paullinieen mit ihren mehrere Fuß langen Trauben großer scharlachrother Blüthen, der Cissusarten, auf deren weithin kriechenden Wurzeln die wunderbare Riesenblume der Raflesia Arnoldi wuchert. Palmen mit Stacheln und Dornen, schilf- artige Gewächse mit schneidenden Blättern, welche wie Messer ver- wunden, weisen den Eindringling sogar angreifend zurück, und über- all im Dickicht drohen die schon erwähnten furchtbaren Nesselarten. Große schwarze Ameisen, deren schmerzhafter Biß den Wanderer peinigt, zahllose Schwärme quälender Insecten verfolgen ihn. Sind diese Hindernisse überwunden, so folgen endlich noch die dichten Büschel der oft 50 Fuß hohen und armdicken Bambusstämme, deren feste, glasharte Rinde selbst der Art widersteht. Endlich ist auch hier der Weg gebahnt und jetzt öffnen sich die majestätischen Dome des
die ſämmtlichen Erzählungen Förſch's als Lügen bezeichneten, ſon- dern auch ſelbſt die Exiſtenz eines ſolchen Giftbaums auf Java gänzlich in Abrede ſtellten. Faſt ebenſo äußerten ſich ſpäter Stanton, Bar- row und Labillardière, während dagegen Deſchamp, der ſich mehrere Jahre in Java aufhielt, verſichert, daß der Upas im Diſtricte von Palembang nicht ſelten vorkomme, daß aber ſeine Nachbarſchaft nicht gefährlicher ſey, als die jeder andern Giftpflanze.
Schon der vorſichtige und nüchterne Kämpfer fügte 1712 ſei- nem ausführlichen Bericht über den Giftbaum aus Celebes hinzu: „Wer aber könnte Aſiaten etwas nacherzählen, ohne daß der Bericht mit Fabeln durchflochten ſey.“ Dennoch aber haben die neueren Unterſuchungen von Leſchenault (1810), von Dr.Horsfield (1802—18) und endlich von Blume die völlige Richtigkeit aller ein- zelnen Nachrichten beſtätigt und uns gezeigt, wie nur Verwechſelungen und Vermengungen ſehr verſchiedener Dinge die Veranlaſſung zu allen jenen zum Theil allerdings fabelhaften Erzählungen gegeben haben.
Zwei ſehr verſchiedene Bäume wachſen in jenen noch wenig be- ſuchten Urwäldern Java's. Wie zu den Pforten des Allerheiligſten ſind alle Zugänge zu denſelben verſperrt und bewacht. Nur mit Feuer und Axt bahnt man ſich einen Weg durch das undurchdringliche Ge- flecht der Schlingpflanzen, der Paullinieen mit ihren mehrere Fuß langen Trauben großer ſcharlachrother Blüthen, der Ciſſusarten, auf deren weithin kriechenden Wurzeln die wunderbare Rieſenblume der Raflesia Arnoldi wuchert. Palmen mit Stacheln und Dornen, ſchilf- artige Gewächſe mit ſchneidenden Blättern, welche wie Meſſer ver- wunden, weiſen den Eindringling ſogar angreifend zurück, und über- all im Dickicht drohen die ſchon erwähnten furchtbaren Neſſelarten. Große ſchwarze Ameiſen, deren ſchmerzhafter Biß den Wanderer peinigt, zahlloſe Schwärme quälender Inſecten verfolgen ihn. Sind dieſe Hinderniſſe überwunden, ſo folgen endlich noch die dichten Büſchel der oft 50 Fuß hohen und armdicken Bambusſtämme, deren feſte, glasharte Rinde ſelbſt der Art widerſteht. Endlich iſt auch hier der Weg gebahnt und jetzt öffnen ſich die majeſtätiſchen Dome des
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[188/0204]
die ſämmtlichen Erzählungen Förſch's als Lügen bezeichneten, ſon-
dern auch ſelbſt die Exiſtenz eines ſolchen Giftbaums auf Java gänzlich
in Abrede ſtellten. Faſt ebenſo äußerten ſich ſpäter Stanton, Bar-
row und Labillardière, während dagegen Deſchamp, der ſich
mehrere Jahre in Java aufhielt, verſichert, daß der Upas im Diſtricte
von Palembang nicht ſelten vorkomme, daß aber ſeine Nachbarſchaft
nicht gefährlicher ſey, als die jeder andern Giftpflanze.
Schon der vorſichtige und nüchterne Kämpfer fügte 1712 ſei-
nem ausführlichen Bericht über den Giftbaum aus Celebes hinzu:
„Wer aber könnte Aſiaten etwas nacherzählen, ohne daß der Bericht
mit Fabeln durchflochten ſey.“ Dennoch aber haben die neueren
Unterſuchungen von Leſchenault (1810), von Dr. Horsfield
(1802—18) und endlich von Blume die völlige Richtigkeit aller ein-
zelnen Nachrichten beſtätigt und uns gezeigt, wie nur Verwechſelungen
und Vermengungen ſehr verſchiedener Dinge die Veranlaſſung zu allen
jenen zum Theil allerdings fabelhaften Erzählungen gegeben haben.
Zwei ſehr verſchiedene Bäume wachſen in jenen noch wenig be-
ſuchten Urwäldern Java's. Wie zu den Pforten des Allerheiligſten
ſind alle Zugänge zu denſelben verſperrt und bewacht. Nur mit Feuer
und Axt bahnt man ſich einen Weg durch das undurchdringliche Ge-
flecht der Schlingpflanzen, der Paullinieen mit ihren mehrere Fuß
langen Trauben großer ſcharlachrother Blüthen, der Ciſſusarten, auf
deren weithin kriechenden Wurzeln die wunderbare Rieſenblume der
Raflesia Arnoldi wuchert. Palmen mit Stacheln und Dornen, ſchilf-
artige Gewächſe mit ſchneidenden Blättern, welche wie Meſſer ver-
wunden, weiſen den Eindringling ſogar angreifend zurück, und über-
all im Dickicht drohen die ſchon erwähnten furchtbaren Neſſelarten.
Große ſchwarze Ameiſen, deren ſchmerzhafter Biß den Wanderer
peinigt, zahlloſe Schwärme quälender Inſecten verfolgen ihn. Sind
dieſe Hinderniſſe überwunden, ſo folgen endlich noch die dichten
Büſchel der oft 50 Fuß hohen und armdicken Bambusſtämme, deren
feſte, glasharte Rinde ſelbſt der Art widerſteht. Endlich iſt auch hier
der Weg gebahnt und jetzt öffnen ſich die majeſtätiſchen Dome des
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/204>, abgerufen am 18.06.2024.
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