Ebene fast ausschließlich aus Nadelhölzern gebildet sind, die daher der Flora einen eigenthümlichen Character aufprägen, Kiefern und Fichten, Zürbeln und Lärchen bilden große und aus- gedehnte Waldmassen, an Bächen und auf feuchtem Boden finden sich Weiden und Erlen ein. Auf dürren Hügeln wächst die Renn- thierflechte und das isländische Moos. In der Preißel- beere, Multebeere*), Johannisbeere und anderen bietet schon freiwillig die Natur, wenn auch spärliche Nahrungsmittel und ein reicher Flor bunter Blumen dient zur Verzierung der Zone, die sich in Scandinavien bis an die schon erwähnte Nordgrenze des Weizen- baues, in Rußland und Asien aber fast bis Kasan und Jakutzk erstreckt. Wir wollen sie die Zone der Nadelhölzer nennen. -- Schon in Drontheims Umgebungen fängt wenn auch noch spärlich der Obst- bau an, bald tritt die kraftvolle Eiche auf, mit etwas zu weit getriebener poetischer Freiheit, "die Deutsche" genannt; Schonen, Seeland, Schleswig und Holstein nähren die prachtvollsten Buchen wälder. Etwa in der Breite von Frankfurt a. M. gesellt sich noch ein Baum hinzu, der sich durch seine kühne, malerische Verästelung der Eiche an die Seite stellt, die er durch die Pracht seines Laubes, so wie durch den Nutzen seiner Früchte weit übertrifft, die edle Kastanie nämlich. Pyrenäen, Alpen und Kaukasus bilden die Südgrenze dieser Zone, in welcher mehr nach Osten die Linde und Ulme in so reichlichem Maaße zur Waldbildung beitragen, daß erstere selbst den Verwüstun- gen widersteht, welche die Esthen zur Anfertigung ihrer Lindenbastschuhe anrichten. In dem Hopfen, Epheu und der Waldrebe finden sich hier die ersten Repräsentanten tropischer Schlingpflanzen ein. Mit dem düstern Schatten der Wälder wechselt das lachende Grün der Wiesen und der Mensch hat sich in Besitz der Erde gesetzt, die wilde Vegetation bis auf das Nothwendigste für Holz- und Heube- darf beschränkend und reiche Saaten lohnen seinem Fleiß. -- Wir ver- lassen diese Zone der sommergrünen Laubhölzer, um die Felsen-
*)Rubus Chamaemorus.
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Ebene faſt ausſchließlich aus Nadelhölzern gebildet ſind, die daher der Flora einen eigenthümlichen Character aufprägen, Kiefern und Fichten, Zürbeln und Lärchen bilden große und aus- gedehnte Waldmaſſen, an Bächen und auf feuchtem Boden finden ſich Weiden und Erlen ein. Auf dürren Hügeln wächſt die Renn- thierflechte und das isländiſche Moos. In der Preißel- beere, Multebeere*), Johannisbeere und anderen bietet ſchon freiwillig die Natur, wenn auch ſpärliche Nahrungsmittel und ein reicher Flor bunter Blumen dient zur Verzierung der Zone, die ſich in Scandinavien bis an die ſchon erwähnte Nordgrenze des Weizen- baues, in Rußland und Aſien aber faſt bis Kaſan und Jakutzk erſtreckt. Wir wollen ſie die Zone der Nadelhölzer nennen. — Schon in Drontheims Umgebungen fängt wenn auch noch ſpärlich der Obſt- bau an, bald tritt die kraftvolle Eiche auf, mit etwas zu weit getriebener poetiſcher Freiheit, „die Deutſche“ genannt; Schonen, Seeland, Schleswig und Holſtein nähren die prachtvollſten Buchen wälder. Etwa in der Breite von Frankfurt a. M. geſellt ſich noch ein Baum hinzu, der ſich durch ſeine kühne, maleriſche Veräſtelung der Eiche an die Seite ſtellt, die er durch die Pracht ſeines Laubes, ſo wie durch den Nutzen ſeiner Früchte weit übertrifft, die edle Kaſtanie nämlich. Pyrenäen, Alpen und Kaukaſus bilden die Südgrenze dieſer Zone, in welcher mehr nach Oſten die Linde und Ulme in ſo reichlichem Maaße zur Waldbildung beitragen, daß erſtere ſelbſt den Verwüſtun- gen widerſteht, welche die Eſthen zur Anfertigung ihrer Lindenbaſtſchuhe anrichten. In dem Hopfen, Epheu und der Waldrebe finden ſich hier die erſten Repräſentanten tropiſcher Schlingpflanzen ein. Mit dem düſtern Schatten der Wälder wechſelt das lachende Grün der Wieſen und der Menſch hat ſich in Beſitz der Erde geſetzt, die wilde Vegetation bis auf das Nothwendigſte für Holz- und Heube- darf beſchränkend und reiche Saaten lohnen ſeinem Fleiß. — Wir ver- laſſen dieſe Zone der ſommergrünen Laubhölzer, um die Felſen-
*)Rubus Chamaemorus.
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Ebene faſt ausſchließlich aus Nadelhölzern gebildet ſind, die daher
der Flora einen eigenthümlichen Character aufprägen, Kiefern
und Fichten, Zürbeln und Lärchen bilden große und aus-
gedehnte Waldmaſſen, an Bächen und auf feuchtem Boden finden ſich
Weiden und Erlen ein. Auf dürren Hügeln wächſt die Renn-
thierflechte und das isländiſche Moos. In der Preißel-
beere, Multebeere *), Johannisbeere und anderen bietet ſchon
freiwillig die Natur, wenn auch ſpärliche Nahrungsmittel und ein
reicher Flor bunter Blumen dient zur Verzierung der Zone, die ſich
in Scandinavien bis an die ſchon erwähnte Nordgrenze des Weizen-
baues, in Rußland und Aſien aber faſt bis Kaſan und Jakutzk erſtreckt.
Wir wollen ſie die Zone der Nadelhölzer nennen. — Schon in
Drontheims Umgebungen fängt wenn auch noch ſpärlich der Obſt-
bau an, bald tritt die kraftvolle Eiche auf, mit etwas zu weit getriebener
poetiſcher Freiheit, „die Deutſche“ genannt; Schonen, Seeland,
Schleswig und Holſtein nähren die prachtvollſten Buchen wälder.
Etwa in der Breite von Frankfurt a. M. geſellt ſich noch ein Baum
hinzu, der ſich durch ſeine kühne, maleriſche Veräſtelung der Eiche an
die Seite ſtellt, die er durch die Pracht ſeines Laubes, ſo wie durch
den Nutzen ſeiner Früchte weit übertrifft, die edle Kaſtanie nämlich.
Pyrenäen, Alpen und Kaukaſus bilden die Südgrenze dieſer Zone,
in welcher mehr nach Oſten die Linde und Ulme in ſo reichlichem
Maaße zur Waldbildung beitragen, daß erſtere ſelbſt den Verwüſtun-
gen widerſteht, welche die Eſthen zur Anfertigung ihrer Lindenbaſtſchuhe
anrichten. In dem Hopfen, Epheu und der Waldrebe finden
ſich hier die erſten Repräſentanten tropiſcher Schlingpflanzen ein.
Mit dem düſtern Schatten der Wälder wechſelt das lachende Grün
der Wieſen und der Menſch hat ſich in Beſitz der Erde geſetzt, die
wilde Vegetation bis auf das Nothwendigſte für Holz- und Heube-
darf beſchränkend und reiche Saaten lohnen ſeinem Fleiß. — Wir ver-
laſſen dieſe Zone der ſommergrünen Laubhölzer, um die Felſen-
*) Rubus Chamaemorus.
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Schleiden, Matthias Jacob: Die Pflanze und ihr Leben. Leipzig, 1848, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schleiden_pflanze_1848/243>, abgerufen am 18.06.2024.
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