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Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705.

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Weibern hochgehaltenen Aberglauben.

MAn soll sich kaum einbilden/ daß in der
gantzen Christenheit ein Mensch so alber
seyn/ und dieses glauben könne. Den-
noch wolte ohnlängst eines Schusters Weib ei-
nen ehrlichen Mann/ der vor sein Kind ein paar
rothe Schuhe haben wolte/ dieses mit Gewalt
zu glauben bereden. Ich merckte aber fast
wohl/ warum sie die Sache vor so gewiß ausgab/
es hatte der Schuster weder solche kleine rothe
Schuh fertig/ noch roth Leder/ davon er solche
hätte gemacht/ dahero wolte die Schusterin die-
sen Aberglauben zur Beschönigung ihres Schuh-
und Leder-Mangels zu Hülffe nehmen. Denn
was könte wohl thörichter ersonnen werden/ als
zu glauben/ daß ein Kind verwahrloset werde/
daß es kein Blut sehen könne/ wenn es unter ei-
nem Jahre ein paar rothe Schube angehabt.
Was hat denn das rothe Leder vor Gemein-
schafft mit dem Blute? Wolte man die rothe
Farbe mit solcher Krafft beschuldigen/ so mache
ich hinwieder den Einwurff: Warum es denn
nur rothe Schuhe/ und nicht auch ein rothes
Röckgen thun könne? Daß aber dieses eine of-
fenbare Lügen sey/ kan ich nicht alleine mit mei-
nen eigenen/ sondern viel andern Kindern erwei-
sen/ welche unter einem Jahre rothe Schuhe an-
gehabt/ und dennoch ohne die geringste Altera-
tion
Blut sehen können. Dahero diese Nar-

rethey
E 5
Weibern hochgehaltenen Aberglauben.

MAn ſoll ſich kaum einbilden/ daß in der
gantzen Chriſtenheit ein Menſch ſo alber
ſeyn/ und dieſes glauben koͤnne. Den-
noch wolte ohnlaͤngſt eines Schuſters Weib ei-
nen ehrlichen Mann/ der vor ſein Kind ein paar
rothe Schuhe haben wolte/ dieſes mit Gewalt
zu glauben bereden. Ich merckte aber faſt
wohl/ warum ſie die Sache vor ſo gewiß ausgab/
es hatte der Schuſter weder ſolche kleine rothe
Schuh fertig/ noch roth Leder/ davon er ſolche
haͤtte gemacht/ dahero wolte die Schuſterin die-
ſen Abeꝛglauben zur Beſchoͤnigung ihꝛes Schuh-
und Leder-Mangels zu Huͤlffe nehmen. Denn
was koͤnte wohl thoͤrichter erſonnen werden/ als
zu glauben/ daß ein Kind verwahrloſet werde/
daß es kein Blut ſehen koͤnne/ wenn es unter ei-
nem Jahre ein paar rothe Schube angehabt.
Was hat denn das rothe Leder vor Gemein-
ſchafft mit dem Blute? Wolte man die rothe
Farbe mit ſolcher Krafft beſchuldigen/ ſo mache
ich hinwieder den Einwurff: Warum es denn
nur rothe Schuhe/ und nicht auch ein rothes
Roͤckgen thun koͤnne? Daß aber dieſes eine of-
fenbare Luͤgen ſey/ kan ich nicht alleine mit mei-
nen eigenen/ ſondern viel andern Kindern erwei-
ſen/ welche unter einem Jahre rothe Schuhe an-
gehabt/ und dennoch ohne die geringſte Altera-
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[73/0095] Weibern hochgehaltenen Aberglauben. MAn ſoll ſich kaum einbilden/ daß in der gantzen Chriſtenheit ein Menſch ſo alber ſeyn/ und dieſes glauben koͤnne. Den- noch wolte ohnlaͤngſt eines Schuſters Weib ei- nen ehrlichen Mann/ der vor ſein Kind ein paar rothe Schuhe haben wolte/ dieſes mit Gewalt zu glauben bereden. Ich merckte aber faſt wohl/ warum ſie die Sache vor ſo gewiß ausgab/ es hatte der Schuſter weder ſolche kleine rothe Schuh fertig/ noch roth Leder/ davon er ſolche haͤtte gemacht/ dahero wolte die Schuſterin die- ſen Abeꝛglauben zur Beſchoͤnigung ihꝛes Schuh- und Leder-Mangels zu Huͤlffe nehmen. Denn was koͤnte wohl thoͤrichter erſonnen werden/ als zu glauben/ daß ein Kind verwahrloſet werde/ daß es kein Blut ſehen koͤnne/ wenn es unter ei- nem Jahre ein paar rothe Schube angehabt. Was hat denn das rothe Leder vor Gemein- ſchafft mit dem Blute? Wolte man die rothe Farbe mit ſolcher Krafft beſchuldigen/ ſo mache ich hinwieder den Einwurff: Warum es denn nur rothe Schuhe/ und nicht auch ein rothes Roͤckgen thun koͤnne? Daß aber dieſes eine of- fenbare Luͤgen ſey/ kan ich nicht alleine mit mei- nen eigenen/ ſondern viel andern Kindern erwei- ſen/ welche unter einem Jahre rothe Schuhe an- gehabt/ und dennoch ohne die geringſte Altera- tion Blut ſehen koͤnnen. Dahero dieſe Nar- rethey E 5

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Zitationshilfe: Schmidt, Johann Georg: Die gestriegelte Rocken-Philosophia, oder auffrichtige Untersuchung derer von vielen super-klugen Weibern hochgehaltenen Aberglauben. Bd. 1. Chemnitz, 1705, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schmidt_rockenphilosophia01_1705/95>, abgerufen am 31.10.2024.