Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

und derowegen vor Hertzeleid fast vergehen wolte.
Jch bat sie inständig, ihr Betrübniß zu mäßigen, weil
ich das feste Vertrauen zu GOtt hätte, und fast gantz
gewiß versichert wäre, daß er mich| nicht so früh wür-
de sterben lassen; Allein sie konte ihrem Klagen,
Seuffzen und Thränen durchaus keinen Einhalt
thun, wolte ich also haben, daß sie des Nachts nur
etwas ruhen solte, so muste mich zwingen stille zu lie-
gen, und thun als ob ich feste schlieffe, obgleich öff-
ters der grossen Schmertzen wegen in 2. mahl 24.
Stunden kein rechter Schlaff in meine Augen kam.
Da ich aber einsmahls gegen Morgen sehr sanfft
eingeschlummert war, träumete mich, als ob Don
Cyrillo de Valaro
vor meinem Bett sässe, mich mit
freundlichen Gebärden bey der rechten Hand anfas-
sete und spräche: Ehrlicher Albert! sage mir doch,
warum du meine hinterlassene Schrifften zu deinem
eigenen Wohlseyn nicht besser untersuchest. Ge-
brauche doch den Safft von diesem Kraut und Wur-
tzel, welches ich dir hiermit im Traume zeige, und
welches häuffig vor dem Ausgange der Höle wäch-
set, glaube dabey sicher, daß dich GOtt erhalten und
deine Wunden heilen wird, im übrigen aber erwege
meine Schrifften in Zukunfft etwas genauer, weil sie
dir und deinen Nachkommen ein herrliches Licht ge-
ben.

Jch fuhr vor grossen Freuden im Schlaffe auf,
und streckte meine Hand nach der Pflantze aus, wel-
che mir, meinen Gedancken nach, von Don Cyrillo
vorgehalten wurde, merckte aber sogleich, daß es ein
Traum gewesen, Concordia fragte mit weinen-
den Augen nach meinem Zustande. Jch bat, sie

solte

und derowegen vor Hertzeleid faſt vergehen wolte.
Jch bat ſie inſtaͤndig, ihr Betruͤbniß zu maͤßigen, weil
ich das feſte Vertrauen zu GOtt haͤtte, und faſt gantz
gewiß verſichert waͤre, daß er mich| nicht ſo fruͤh wuͤr-
de ſterben laſſen; Allein ſie konte ihrem Klagen,
Seuffzen und Thraͤnen durchaus keinen Einhalt
thun, wolte ich alſo haben, daß ſie des Nachts nur
etwas ruhen ſolte, ſo muſte mich zwingen ſtille zu lie-
gen, und thun als ob ich feſte ſchlieffe, obgleich oͤff-
ters der groſſen Schmertzen wegen in 2. mahl 24.
Stunden kein rechter Schlaff in meine Augen kam.
Da ich aber einsmahls gegen Morgen ſehr ſanfft
eingeſchlummert war, traͤumete mich, als ob Don
Cyrillo de Valaro
vor meinem Bett ſaͤſſe, mich mit
freundlichen Gebaͤrden bey der rechten Hand anfaſ-
ſete und ſpraͤche: Ehrlicher Albert! ſage mir doch,
warum du meine hinterlaſſene Schrifften zu deinem
eigenen Wohlſeyn nicht beſſer unterſucheſt. Ge-
brauche doch den Safft von dieſem Kraut und Wur-
tzel, welches ich dir hiermit im Traume zeige, und
welches haͤuffig vor dem Ausgange der Hoͤle waͤch-
ſet, glaube dabey ſicher, daß dich GOtt erhalten und
deine Wunden heilen wird, im uͤbrigen aber erwege
meine Schrifften in Zukunfft etwas genauer, weil ſie
dir und deinen Nachkommen ein herrliches Licht ge-
ben.

Jch fuhr vor groſſen Freuden im Schlaffe auf,
und ſtreckte meine Hand nach der Pflantze aus, wel-
che mir, meinen Gedancken nach, von Don Cyrillo
vorgehalten wurde, merckte aber ſogleich, daß es ein
Traum geweſen, Concordia fragte mit weinen-
den Augen nach meinem Zuſtande. Jch bat, ſie

ſolte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0246" n="232"/>
und derowegen vor Hertzeleid fa&#x017F;t vergehen wolte.<lb/>
Jch bat &#x017F;ie in&#x017F;ta&#x0364;ndig, ihr Betru&#x0364;bniß zu ma&#x0364;ßigen, weil<lb/>
ich das fe&#x017F;te Vertrauen zu GOtt ha&#x0364;tte, und fa&#x017F;t gantz<lb/>
gewiß ver&#x017F;ichert wa&#x0364;re, daß er mich| nicht &#x017F;o fru&#x0364;h wu&#x0364;r-<lb/>
de &#x017F;terben la&#x017F;&#x017F;en; Allein &#x017F;ie konte ihrem Klagen,<lb/>
Seuffzen und Thra&#x0364;nen durchaus keinen Einhalt<lb/>
thun, wolte ich al&#x017F;o haben, daß &#x017F;ie des Nachts nur<lb/>
etwas ruhen &#x017F;olte, &#x017F;o mu&#x017F;te mich zwingen &#x017F;tille zu lie-<lb/>
gen, und thun als ob ich fe&#x017F;te &#x017F;chlieffe, obgleich o&#x0364;ff-<lb/>
ters der gro&#x017F;&#x017F;en Schmertzen wegen in 2. mahl 24.<lb/>
Stunden kein rechter Schlaff in meine Augen kam.<lb/>
Da ich aber einsmahls gegen Morgen &#x017F;ehr &#x017F;anfft<lb/>
einge&#x017F;chlummert war, tra&#x0364;umete mich, als ob <hi rendition="#aq">Don<lb/>
Cyrillo de Valaro</hi> vor meinem Bett &#x017F;a&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, mich mit<lb/>
freundlichen Geba&#x0364;rden bey der rechten Hand anfa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ete und &#x017F;pra&#x0364;che: Ehrlicher <hi rendition="#aq">Albert!</hi> &#x017F;age mir doch,<lb/>
warum du meine hinterla&#x017F;&#x017F;ene Schrifften zu deinem<lb/>
eigenen Wohl&#x017F;eyn nicht be&#x017F;&#x017F;er unter&#x017F;uche&#x017F;t. Ge-<lb/>
brauche doch den Safft von die&#x017F;em Kraut und Wur-<lb/>
tzel, welches ich dir hiermit im Traume zeige, und<lb/>
welches ha&#x0364;uffig vor dem Ausgange der Ho&#x0364;le wa&#x0364;ch-<lb/>
&#x017F;et, glaube dabey &#x017F;icher, daß dich GOtt erhalten und<lb/>
deine Wunden heilen wird, im u&#x0364;brigen aber erwege<lb/>
meine Schrifften in Zukunfft etwas genauer, weil &#x017F;ie<lb/>
dir und deinen Nachkommen ein herrliches Licht ge-<lb/>
ben.</p><lb/>
        <p>Jch fuhr vor gro&#x017F;&#x017F;en Freuden im Schlaffe auf,<lb/>
und &#x017F;treckte meine Hand nach der Pflantze aus, wel-<lb/>
che mir, meinen Gedancken nach, von <hi rendition="#aq">Don Cyrillo</hi><lb/>
vorgehalten wurde, merckte aber &#x017F;ogleich, daß es ein<lb/>
Traum gewe&#x017F;en, <hi rendition="#aq">Concordia</hi> fragte mit weinen-<lb/>
den Augen nach meinem Zu&#x017F;tande. Jch bat, &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;olte</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[232/0246] und derowegen vor Hertzeleid faſt vergehen wolte. Jch bat ſie inſtaͤndig, ihr Betruͤbniß zu maͤßigen, weil ich das feſte Vertrauen zu GOtt haͤtte, und faſt gantz gewiß verſichert waͤre, daß er mich| nicht ſo fruͤh wuͤr- de ſterben laſſen; Allein ſie konte ihrem Klagen, Seuffzen und Thraͤnen durchaus keinen Einhalt thun, wolte ich alſo haben, daß ſie des Nachts nur etwas ruhen ſolte, ſo muſte mich zwingen ſtille zu lie- gen, und thun als ob ich feſte ſchlieffe, obgleich oͤff- ters der groſſen Schmertzen wegen in 2. mahl 24. Stunden kein rechter Schlaff in meine Augen kam. Da ich aber einsmahls gegen Morgen ſehr ſanfft eingeſchlummert war, traͤumete mich, als ob Don Cyrillo de Valaro vor meinem Bett ſaͤſſe, mich mit freundlichen Gebaͤrden bey der rechten Hand anfaſ- ſete und ſpraͤche: Ehrlicher Albert! ſage mir doch, warum du meine hinterlaſſene Schrifften zu deinem eigenen Wohlſeyn nicht beſſer unterſucheſt. Ge- brauche doch den Safft von dieſem Kraut und Wur- tzel, welches ich dir hiermit im Traume zeige, und welches haͤuffig vor dem Ausgange der Hoͤle waͤch- ſet, glaube dabey ſicher, daß dich GOtt erhalten und deine Wunden heilen wird, im uͤbrigen aber erwege meine Schrifften in Zukunfft etwas genauer, weil ſie dir und deinen Nachkommen ein herrliches Licht ge- ben. Jch fuhr vor groſſen Freuden im Schlaffe auf, und ſtreckte meine Hand nach der Pflantze aus, wel- che mir, meinen Gedancken nach, von Don Cyrillo vorgehalten wurde, merckte aber ſogleich, daß es ein Traum geweſen, Concordia fragte mit weinen- den Augen nach meinem Zuſtande. Jch bat, ſie ſolte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/246
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/246>, abgerufen am 01.11.2024.